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Der Neonazi Maik Schneider kommt aus der Untersuchungshaft frei - weil es Verfahrensverzögerungen gab.
© Bernd Settnik/dpa

Ex-NPD-Politiker Maik Schneider: Brandenburgs Justiz hat ein Personalproblem

Der Fall des Ex-NPD-Politikers Maik Schneider zeigt: Brandenburgs Justiz hat ein Personalproblem. Darüber, wie dramatisch das ausfällt, wird gestritten.

Sie habe ihren Ohren nicht getraut, sagt eine brandenburgische Richterin, „selten so gelacht“, kommentiert eine Staatsanwältin und auch ein Verwaltungsrichter meint, das könne man nur als Witz betrachten. Alle drei beziehen sich auf Aussagen des brandenburgischen Justizministers Stefan Ludwig (Die Linke), wonach es keine generelle Überlastung der Justiz in Brandenburg gibt.
Ludwig hatte damit auf die wegen zu langer Verfahrensdauer vor einigen Tagen angeordnete Entlassung des Ex-NPD-Politikers Maik Schneider aus der Untersuchungshaft reagiert. Dieser war 2017 wegen eines Brandanschlags auf ein geplantes Flüchtlingsheim in Nauen und weiterer Delikte zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig war, saß Schneider seit 2016 in U-Haft.

Das Oberlandesgericht hatte nun seine Freilassung angeordnet und dies mit vermeidbaren Verzögerungen durch die Justiz begründet. Ob diese tatsächlich vermeidbar oder die Folge eines, wie Kritiker meinen, „jahrelangen chronischen Personalmangels in der märkischen Justiz“ waren, darüber ist nun ein Streit entbrannt.

Offiziell gibt es keinen Personalmangel

Während Richter, Staatsanwälte und andere Justizangestellte von Unterbesetzung, Überstunden, hohen persönlichen Belastungen und Bergen von unerledigten Verfahren berichten, bekräftigt der Sprecher des Justizministers, Uwe Krink, dessen Äußerungen. „Der Minister hat auch darauf hingewiesen, dass in der brandenburgischen Justiz jeden Tag schwer gearbeitet wird“, sagte er dem Tagesspiegel: „Aber wir haben einen klaren Schlüssel, mit dem der Personalstand bundesweit ermittelt wird. Danach sind die Gerichte und Staatsanwaltschaften auskömmlich besetzt. Oder besser gesagt: Es gibt keinen Personalmangel.“

Der Schlüssel sei allerdings trügerisch, erklärt der Vizepräsident des Landgerichts Neuruppin, Frank Stark: „Er berücksichtigt nicht, wenn junge Richterinnen ein Kind bekommen und in Elternzeit gehen. Oder wenn ältere Kollegen durch schwere Krankheiten längere Zeit ausfallen. Und er erfasst nur die laufenden Verfahren, aber nicht, wie viele Altfälle aufgelaufen sind. Und auch nicht das Problem, wenn plötzlich sehr viele neue Verfahren geführt werden müssen – wie beispielsweise jetzt wegen der VW-Affäre im Zivilbereich.“

Dramatisch ist die Situation nicht nur bei Strafverfahren, wie ein Blick in die Statistik des Cottbuser Verwaltungsgerichts zeigt: Im Jahr 2011 waren dort 1434 neue Verfahren eingegangen, für die 14,7 reine Richter-Stellen zur Verfügung standen. Im vergangenen Jahr 2018 gingen nach Angaben von Gerichtssprecher Gregor Nocon mit 3157 Verfahren weit mehr als doppelt so viele neue Verfahren ein, die Zahl der Richterstellen hatte sich aber mit 15,65 nur geringfügig verändert.

Ende 2018 liefen 5726 unerledigte Verfahren auf

Die Dramatik der Situation wird aber erst richtig deutlich, wenn man berücksichtigt, dass Ende 2011 noch 1376 unerledigte Verfahren aufgelaufen waren, Ende 2018 aber 5726. Kein Wunder, dass Gewerkschaften vor einem Kollaps des gesamten Justizsystems in Brandenburg warnen. Ganz so drastisch sieht es Claudia Cerreto nicht. „Ich finde nicht, dass ein Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht, aber ja: Wir brauchen dringend mehr Personal“, sagt die brandenburgische Landesvorsitzende des Deutschen Richterbundes: „In den vergangenen Jahren wurden in der Justiz 1850 Stellen eingespart, wir haben ja bereits im Jahr 2015 gegen den Personalabbau von Rot-Rot in der Justiz protestiert.“

Damals waren 250 Richter und Staatsanwälte aus ganz Brandenburg nach Potsdam gezogen – nicht, um für sich mehr Geld zu fordern, sondern letztlich die Rechtssicherheit und den Rechtsstaat zu erhalten. „Unsere damalige Forderung, jedes Jahr 30 neue Richter und Staatsanwälte einzustellen, wurde nicht annähernd erfüllt“, sagt Claudia Cerreto.

Etwa 30 bis 40 neue Richter und Staatsanwälte würden eigentlich sofort gebraucht, meint sie. Zumindest 18 habe man 2018 eingestellt, sagt Ministeriumssprecher Krink. Und im neuen Haushalt sei vorgesehen, 130 Stellen, die nach dem Ausscheiden von Justizbeamten in den Ruhestand wegfallen sollen, doch wieder zu besetzen.

„Das sind aber eigentlich ja auch keine neuen Stellen“, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt von Cottbus, Bernhard Brocher: „Zumal sie ab 2021 wieder wegfallen sollen. Dann haben wir außerdem eine neue Landesregierung – und keiner weiß, wie die aussehen wird.“ Im Justizministerium rechtfertigt man die Zurückhaltung bei Verbesserungen auch damit, dass Richter nun mal auf Lebenszeit eingestellt würden. Also auch dem Steuerzahler zur Last fielen, wenn sie nichts mehr zu tun hätten. Dass eine solche Situation eintreten könnte, kann sich freilich kein Richter oder Staatsanwalt in Brandenburg vorstellen.

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