Artensterben, Verschmutzung, Müll: Brandenburg will stärkeres Recycling von Agrarfolien
Die Rückstände der in Landwirtschaft verwendeten Kunststoffe belasten die Böden. Nun soll die Verwendung von Agrarfolien stärker reglementiert werden.
Kein Frühjahr in Brandenburg ohne dieses Bild: Weiße Kunststofffolien auf Spargelfeldern, soweit das Auge reicht. Doch auch beim Gemüseanbau oder zum Schutz von Heuballen vor der Witterung kommen Kunststoffe in der Landwirtschaft zum Einsatz. Das Land Brandenburg will sich deswegen nun für ein stärkeres Recycling von Agrarkunststoffen einsetzen.
Wie Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) während der Landtagssitzungen in der vergangenen Woche erklärte, sei der Umgang mit solchen Folien regelmäßiger Bestandteil der vom Landesamt für Landwirtschaft, Ernährung und Flurneuordnung (LELF) angebotenen Winterschulungen.
Zudem bemühe man sich um eine Zusammenarbeit mit der Recycling-Initiative „Erde“: Die Initiative nimmt bundesweit Agrarfolien zum Recycling zurück, hat aber laut ihrer eigenen Website in Brandenburg bislang nur wenige Annahmestellen, etwa eine nur wenige Tage im Mai geöffnete Annahme in Karstädt (Prignitz) oder einen auf telefonische Anforderung arbeitenden Betrieb in Prenzlau (Uckermark).
„Wir wollen im Beirat dieser Initiative mitwirken und sehen darin eine Möglichkeit, dass auch in Brandenburg entsprechende Annahmestellen gegründet werden“, sagt Vogel. Dabei müsse es auch um die Reinigung dieser Folien gehen: Bislang seien rund 80 Prozent des Gewichts gebrauchter Agrarfolien schlicht Erde, die vor der Wiederverwertung entfernt werden müssen.
„Folienreste und Mikroplastik belasten die Böden, die der Erzeugung von Lebensmitteln dienen sollen“
Die Agrarpolitikerin der Grünen, Isabell Hiekel, die in der Fragestunde des Landtags eine entsprechende Nachfrage an den Minister ihrer Partei gestellt hatte, begrüßte wenig überraschend die Pläne der Landesregierung. „Der Anbau unter Folie hat inzwischen Ausmaße erreicht, die vielerorts nicht nur das Landschaftsbild und die Lebensräume erheblich beeinträchtigen“, sagte Hiekel. „Folienreste und Mikroplastik belasten die Böden, die der Erzeugung von Lebensmitteln dienen sollen.“
Laut Gutachten im Auftrag des Brandenburger Landesumweltamtes von 2013 und 2017 sind – vor allem aufgrund von Foliennutzung – im Vogelschutzgebiet „Mittlere Havelniederungen“ mittlerweile 21 Brutvogelarten ausgestorben. Bestätigt sehen sich die Naturschützer auch durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages von 2016, nach dem der sogenannte Folienanbau auch dann den Vogelschutz beeinträchtigen könne, wenn er der guten fachlichen Praxis entspräche.
Nicht nur Naturschützer setzen sich seit längerer Zeit gegen die Verwendung von Agrarfolien ein. Auch in betroffenen Kommunen regt sich Widerstand. „Wir sind keine Wutbürger, wir wollen nur, dass Spargel oder Heidelbeeren im Rahmen der Gesetze angebaut werden“, sagte der Ortsbürgermeister der Gemeinde Roskow, Thomas Schulze, Anfang diesen Jahres. Mit seinen Amtskollegen aus Weseram und Lünow sowie der Bürgerinitiative „Landschaft ohne Folien“, dringt er auf eine naturschonende Agrarwirtschaft.
Umdenken in der Landwirtschaft nötig
Grünen-Expertin Hiekel wies daraufhin, dass ohne Recycling zudem der Plastik- und Ressourcenverbrauch angekurbelt würde. „Hier ist nicht nur ein Umdenken bei den Landwirtschafts- und Gartenbaubetrieben erforderlich“, sagte sie. „Um das Problem an der Wurzel zu packen, muss aktiv auf die Betriebe und die Recyclingwirtschaft zugegangen werden.“
Es brauche praktische Hilfestellungen und attraktive Entsorgungsstrukturen. Hiekel sprach sich auch für eine schärfere Ahndung von unsachgemäßem Umgang mit Agrarabfällen aus seitens der unteren Abfallwirtschaftsbehörden.
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Der Präsident des Brandenburger Landesbauernverbands, Henrik Wendorff, lobte die Initiative des Ministeriums. „Die Idee ist gut und richtig“, sagte Wendorff. Er habe selbst schon einmal nach Recyclingmöglichkeiten für Agrarfolie gesucht, und dabei festgestellt, dass es in Brandenburg kaum Annahmestellen gebe.
„Wer die Sachen recyclen lassen will, muss damit im Moment in die alten Bundesländer fahren“, sagt Wendorff. „Wir haben hier noch keinen Partner für Recycling vor Ort.“ Deswegen sei es eine gute Sache, über Kreisläufe vor Ort nachzudenken. (mit dpa)