Prostitution in Berlin: Bordellchefin: Käuflicher Sex ist ein Menschenrecht
Die Berliner Bordellchefin Felicitas Schirow wehrt sich gegen Alice Schwarzers Thesen zur Prostitution. Zwar dürften Frauen nicht unter Zwang stehen, aber Strafen für Freier lehnt sie ab.
Nur in einem einzigen Punkt stimme sie der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer zu, sagt Bordellchefin Felicitas Schirow: „Man muss Frauen helfen, die unter Zwang stehen.“ Gar nichts hält die Berlinerin dagegen von Schwarzers Forderung nach der Ächtung der Prostitution oder Strafen für Freier, wie es sie in Schweden gibt und künftig auch in Frankreich. Gewerblicher Sex sei ein „Grundbedürfnis des Mannes“ und ein „Menschenrecht“, sagt Schirow, die seit 1997 das „Café Pssst“ in Wilmersdorf betreibt.
Mitte November war sie in der Urania, als Schwarzer ihr Buch „Prostitution – ein deutscher Skandal“ vorstellte. Kurzfristig organisierte sie eine Gegenveranstaltung: Am Montag sprachen in der Urania acht Experten und Politiker. Die 56-Jährige wurde im Jahr 2000 bundesweit bekannt, als sie noch Weigmann hieß und vor dem Verwaltungsgericht gegen das Bezirksamt Wilmersdorf gewann. Es hatte ihr die Gaststättenerlaubnis wegen „Förderung der Prostitution“ entzogen, das Café diene „Anbahnungsgesprächen“ für das Bordell. Im Urteil stellte Richter Percy MacLean dann erstmals fest, Prostitution sei nicht mehr sittenwidrig. In der Urania nannte MacLean, der später zwei Jahre lang das „Deutsche Institut für Menschenrechte“ geleitet hatte, strafrechtliche Regelungen „völligen Unsinn“. Frauen würden nur in die Kriminalität gedrängt.
Politische Reformen
Schirows Kampf für die Legalisierung hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung und Koalition 2002 ein Prostitutionsgesetz in Kraft setzte, das den Frauen mehr Rechte gab. Im Koalitionsvertrag für die angestrebte Große Koalition haben CDU und SPD eine Reform vereinbart: Im Fall „erkennbarer Zwangsprostitution“ sollen Freier bestraft werden.
Heike Rudat, Leiterin des Dezernats Organisierte Kriminalität und Bandenkriminalität der Berliner Polizei, betonte: „Prostitution ist nicht gleich Menschenhandel.“ Dieser sei aber „leider ein Teil der Prostitution, denn wo viel Geld zu holen ist, zieht es Kriminelle hin“. Einen Anstieg sah sie nicht. In Berlin habe es im Vorjahr 64 bekannt gewordene Fälle von Menschenhandel gegeben – weniger als 2009 (131 Fälle), 2010 (66) oder 2011 (70). Das „halbgare“ Gesetz müsse jedoch fortgeschrieben werden, etwa mit Konzessionen für Bordelle. Auch das helfe gegen Zwangsprostitution; Freier könnten sich nicht mehr mit Unkenntnis herausreden, wenn sie Betriebe ohne Lizenz besuchten.
Dagegen nannte Matthias Lehmann, der den Umgang mit Prostitution vor allem in Asien erforscht hat, eine Lizensierung „ineffektiv“. Erfahrungsgemäß „arbeitet die Mehrheit außerhalb des Regelwerks“. Er berichtete von übertriebenen Polizei-Razzien, etwa in Südkorea, aber zuletzt auch in London.
Kritik an Alice Schwarzer
Alice Schwarzer „erkennt den Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht ab“ und betrachte alle, die in der Sexbranche tätig seien, als „Sklaven“, kritisierte Gesine Agena, die frauenpolitische Sprecherin der Bundes-Grünen. Ähnlich sah es Sozialarbeiterin Ilona Hengst: Selbst Frauen aus Osteuropa „dürften inzwischen in vielen Fällen wissen, was sie erwartet“.
Die Debatte „krankt auch daran, dass wir keine validen Zahlen haben“, fand Agena. Alte Schätzungen, wonach es 400 000 Prostituierte in Deutschland gebe, seien „aus der Luft gegriffen“. Die Bestrafung von Freiern, die sich „willentlich und wissentlich“ mit Zwangsprostituierten einlassen, hätten die Grünen „immer gefordert“ – also unterstütze man die Pläne.
In den politischen Diskussionen gebe es zurzeit „viel heiße Luft“, sagte Evrin Sommer, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. „Niemand hat es je geschafft, Prostitution abzuschaffen.“ Bei einem Verbot werde sie lediglich „unsichtbar“. Nicht umsetzbar seien auch Sperrzeiten an Straßenstrichen, wie sie Innensenator Frank Henkel (CDU) ins Gespräch gebracht hat. Die Soziologin Christiane Howe nannte Prostitution „ein Tabu, mit dem sich Verwaltungen nicht gerne beschäftigen“. So komme es, dass oft nach dem Strafrecht gerufen werde, statt politische Lösungen zu suchen.
Schirow hatte in ihrem Bordell, wo sich Prostituierte die Zimmer mieten, nur „ganz selten“ den Verdacht, dass eine von ihnen unfreiwillig da sei – etwa wenn ein Mann am Telefon zu hören war und die Frau kein Deutsch sprach. Aber: „Der Anrufer konnte auch ein Freier sein.“ Alice Schwarzer übertreibe maßlos. Die Tübinger Rechtsprofessorin Monika Frommel attestierte Schwarzer eine „demagogische, pseudofeministische Kampagne“, die Frauenrechtlerin sei „reaktionär geworden“.
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