Weiträumige Sperrung in Oranienburg: Bombe ist entschärft
Die Entschärfung der einer Fünf-Zentner-Bombe ist geglückt. Die Oranienburger haben viel Erfahrung mit Evakuierungen. Immer wieder werden dort Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.
Und wieder Ausnahmezustand in Oranienburg. Am Mittwoch wurde eine Fünf-Zentner-Bombe mit chemischem Langzeitzünder entschärft, die 193. seit der Wende. Ein Sperrkreis mit 12 000 Menschen musste evakuiert worden. Sieben Kitas und Hort-Einrichtungen, fünf Schulen und ein Krankenhaus lagen im Sperrgebiet. Beide S-Bahnhöfe der Stadt stellten den Betrieb ein; zwischen Birkenwerder und Oranienburg gab es Schienenersatzverkehr.
Die Stadt geht inzwischen relativ routiniert mit dem Alarm um. 50 Bewohner eines Seniorenheims kamen in einem Ausweichquartier unter, dem Regina-Hildebrandt-Heim. Hier gab es Kaffee, Bananen und Kekse. Die Stadtverwaltung schaltete eine Hotline für besorgte Bürger. Und dennoch weigerten sich einige Bewohner zunächst, ihre Wohnungen zu verlassen. Erst um 11 Uhr kam die Meldung, der Sperrkreis sei gesichert. Zugleich das Signal für die Sprengmeister, mit der Bombenentschärfung zu beginnen. Um 15.12 Uhr hatte das sechsköpfige Team seinen Job erfolgreich erledigt.
„Sechs klärungsbedürftige Anomalien“
Doch so einfach war es nicht. Der Zünder ließ sich nur schlecht aus der Bombe herausschneiden. Man sei kurz davor gewesen, die Entschärfung abzubrechen und die Bombe doch zu sprengen, erklärte der Leitende Sprengmeister. Es gab aber die Sorge, dass weitere Blindgänger, die in der Nähe vermutet werden, durch Erschütterungen detonieren.
Die Bombe wurde an der Lehnitzstraße 73 gefunden. Dort war vor dem Krieg Pharmaindustrie angesiedelt. Der Boden sei kontaminiert, erklärte die Stadtverwaltung. Das Gelände im Gewerbegebiet an der Lehnitzstraße wurde systematisch nach Kampfmitteln abgesucht. Dabei entdeckten die Experten „sechs klärungsbedürftige Anomalien“, wobei es sich höchstwahrscheinlich um Blindgänger handelt. Sie liegen in einer Tiefe von sieben Metern
Hohe Kosten für die Stadt
Wann die fünf verbliebenen Blindgänger entschärft werden, muss noch festgelegt werden. Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke rechnet damit, sie ab dem Frühjahr in einem Drei-Wochen-Rhythmus zu beseitigen. Mehr als 300 Bomben werden noch in Oranienburg vermutet.
Der Grund, wieso Oranienburg im Zweiten Weltkrieg immer wieder unter Beschuss genommen wurde, ist die damals dort ansässige Rüstungsindustrie. Luftbilder, die den Alliierten zur Erfolgsauswertung dienten, stellen heute eine wichtige Quelle für die Munitionssuche dar. Rund 10 000 Großbomben wurden 1945 über Oranienburg abgeworfen, 4000 davon mit chemischem Langzeitzünder, sie sollten erst Stunden oder Tage nach dem Aufprall detonieren.
Laut Bürgermeister Laesicke muss die Stadt Oranienburg die Kosten für Evakuierung und Entschärfung tragen. Die finanzielle Belastung werde in den kommenden Jahren noch größer, sagt er. 260 Feuerwehrleute, Polizisten und Katastrophenschutzhelfer waren im Einsatz. Zuviel Routine mit Ausnahmezuständen ermuntert offenbar manche, die Sache nicht mehr besonders ernst zu nehmen. Zehn Menschen, die nach Schließung des Sperrkreises um 11 Uhr dort angetroffen wurden, müssen jetzt mit Bußgeldern rechnen.
Einigermaßen regelmäßig wird den Bewohnern von Oranienburg der Zweite Weltkrieg ins Gedächtnis gerufen. Immer dann, wenn sie mal wieder eine Bombe finden. 300 sollen dort noch unter der Erde liegen. Nach ihnen zu suchen ist Aufgabe der kleinen Stadt. Die hat kein Geld, muss sich aber beeilen. Lesen Sie hier eine Tagesspiegel-Reportage von Torsten Hampel.
Gina Dubiel