Prozess um Goldmünz-Diebstahl in Berlin: Bode-Museum zeigte Einbruchsversuch nicht an
Wenige Tage vor dem Münz-Diebstahl gab es einen Einbruchsversuch. Den zeigte das Bode-Museum nicht an. Hätte die Tat verhindert werden können?
Bei dem am Donnerstag beginnenden Prozess um den Münzraub aus dem Bode-Museum soll es gleich um die Frage gehen: Hätte die Tat verhindert werden können? Auf der Anklagebank sitzen drei Männer der berüchtigten, deutsch-arabischen Großfamilie R. und eine Komplize. Dass sie am 27. März 2017 in der Nacht in das Bode-Museum einsteigen gelangen und die 100 Kilogramm schwere Goldmünze stehlen konnten, wurde offenbar auch durch Sicherheitsmängel begünstigt.
Wie „Die Zeit“ nun berichtet, sollen die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft ergeben haben, dass die Alarmsicherung am Einstiegsfenster bereits seit 2013 nicht mehr funktioniert hat. Zwei Mitarbeiter des Museums sollen der Anklageschrift zufolge schon Tage vor dem Diebstahl die Spuren eines ersten Einbruchsversuchs am Fenster entdeckt haben. Das Museum soll diesen Einbruchsversuch jedoch nicht bei der Polizei angezeigt haben.
Eine Sprecherin des Berliner Landgerichts wollte den Bericht auf Anfrage nicht bestätigen. Das sei Teil der Anklage und die werde vor Gericht verhandelt, sagte die Sprecherin. Geplant sei allerdings, dass der Sicherheitschef des Bode-Museums gleich zum Auftakt des Prozesses als Zeuge vom Gericht vernommen werden soll.
Die Angeklagten gehören zur deutsch-arabischen Großfamilie R.
Wissam R., Ahmed R. und Wayci R., alles Sprösslinge einer weit verzweigten deutsch-arabischen Großfamilie, sollen über die S-Bahngleise und dann mit einer Leiter über ein Fenster im zweiten Stock in das Bode-Museum eingedrungen, eine Vitrine zerstört und die 100 Kilogramm schwere Münze „Big Maple Leaf“ gestohlen haben. Die Überwachungskamera am S-Bahnhof Hackescher Markt zeichnet in der Nacht um drei Uhr drei dunkle Gestalten mit Kapuzen auf. Mit einem Rollbrett und einer Schubkarre sollen sie die Münze dann zu ihrem Fluchtwagen gebracht haben.
Die Anklage gegen die drei 20 bis 24 Jahre alten Männer lautet auf gemeinschaftlicher Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Der vierte Angeklagte, der 20 Jahre alte Dennis W., war damals als Wachmann im Bode-Museum tätig. Beschäftigt war er bei einem Subunternehmen der Sicherheitsfirma, die für die Bewachung des Museums zuständig war. W. soll dem Clan den Tipp gegeben haben – inklusive Details zu den Räumlichkeiten, den Sicherheitsvorkehrungen und offenbar auch zu der defekten Alarmsicherung am Fenster, durch das die drei Mitglieder des Clans in das Museum eingestiegen sind. Das Fenster führte in eine Umkleidekabine für Mitarbeiter.
100.000 Euro in bar, mehrere Luxusautos und Goldspuren
Bei der Überprüfung des Personals stießen die Ermittler auf Dennis W., der bereits durch Straftaten aufgefallen war. Und er verhielt sich auffällig: Nach der Tat soll er sich eine teure Goldkette zugelegt und Interesse an Luxuswagen gezeigt haben. Vier Monate nach der Tat schlugen die Ermittler zu. 300 Einsatzkräfte nahmen die Verdächtigen im Juli 2017 bei einer groß angelegten Razzia in Neukölln und Brandenburg fest. Dabei wurden mehr als 100.000 Euro in bar, mehrere Luxusautos und scharfe Waffen sichergestellt. In einem Wagen der Täter fanden die Ermittler Goldspuren.
Die „Big Maple Leaf“ gilt als die zweitgrößte Goldmünze der Welt. Sie hat einen Durchmesser von 53 Zentimetern. Ihr damaliger Wert wird mit 3,75 Millionen Euro angegeben. Es wurden nur fünf Exemplare von der kanadischen Münze mit dem Bildnis von Königin Elisabeth II. geprägt. Als Leihgabe eines Privatmannes war sie seit 2010 im Bode-Museum ausgestellt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Münze nach dem Diebstahl zerteilt oder eingeschmolzen und Stück für Stück verkauft wurde.
Die auf die Clans und organisierte Kriminalität spezialisierten Ermittler gehen davon aus, dass die Erlöse aus dem Münzdiebstahl längst verteilt und in legale Geschäfte investiert worden sind – und auch in Immobilien. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte im Juli 2018 bei Clan-Mitgliedern 77 Immobilien im Wert von 9,3 Millionen Euro. Bei vielen Immobilien sollen Strohmänner im Libanon für den Clan als Käufer aufgetreten sein. Mitglieder des Clans waren wiederholt mit Banküberfällen, Gewalttaten, Mord und Drogenhandel aufgefallen.
Die Sicherheitspanne könnte für das Museum heikel werden – auch gegenüber dem Leihgeber und den Versicherungen.
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