Berliner Verfassungsschutz legt Zahlen vor: Bis zu 3000 Rechtsextremisten und Reichsbürger bei Corona-Demo
Der Berliner Verfassungsschutz hat das Bildmaterial der Corona-Demo Ende August ausgewertet. Eine Beobachtung der Querdenker-Szene wird geprüft.
Bei der Großdemonstration gegen die Anti-Corona-Maßnahmen vor eineinhalb Wochen mit 38.000 Teilnehmern waren nach vorläufigen Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes bis zu 3000 Rechtsextremisten und Reichsbürger dabei.
Die Zahl könnte allerdings weiter steigen. Es sei in Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern noch umfangreiches Bildmaterial auszuwerten, sagte der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes, Michael Fischer, am Mittwoch im Abgeordnetenhaus. Im Vergleich zur Corona-Demonstration am 1. August habe sich die Zahl der Rechtsextremen deutlich erhöht.
Zugleich griffen im Spektrum der Anti-Corona-Initiative „Querdenken“ zunehmend „zentrale Narrative“ der rechtsextremistischen Szene und der Reichsbürger sowie „antisemitische Verschwörungsmythen“ um sich, sagte Fischer.
Dazu zählten Forderungen nach einer neuen, gültigen Verfassung und der Abschaffung des Grundgesetzes. Rechtsextremisten und Reichsbürgern sei es gelungen, „ein nicht zu übersehender Teil der Protestbewegung zu sein“.
Die Protestbewegung mache sich mit radikalen Inhalten gemein
Die Teilnehmer der Corona-Demonstrationen müssten sich bewusst sein, dass sie sich gemein machten mit jenen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung abschaffen wollten. Fischer kündigte an, dass der Verfassungsschutz prüfe, ob er sich näher mit der Protestbewegung beschäftigen müsse.
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Die Erstürmung der Reichstagstreppen wertet der Verfassungsschutz indes als spontane und nicht vorhersehbare Aktion – trotz vorheriger Ankündigungen aus der Reichsbürger-Szene. Zwar habe es davor zahlreiche Aufrufe dieser Art im Internet gegeben, sagte der Chef des Verfassungsschutzes. Das seien jedoch wie bei vorherigen Demonstrationen häufige und typische „Verbalaggressionen“ und Gewaltfantasien in der Reichsbürgerszene gewesen.
Selbst für die Szene selbst war die Reichstags-Aktion überraschend
Derlei Aufrufe habe es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Der Verfassungsschutz, das Landeskriminalamt und die Verfassungsschutzämter von Bund und anderen Ländern hätten sich in den Tagen vor der Demonstration ständig und intensiv dazu ausgetauscht. „Es war nach unseren Informationen selbst für Szeneangehörige nicht vorhersehbar, dass es tatsächlich gelingen würde, auf die Reichstagstreppe zu gelangen“.
Die rund 500 Rechtsextremisten und Reichsbürger hätten spontan eine Situation ausgenutzt. Bislang gebe es keine Hinweise auf „klandestine“ Absprachen und Verabredungen in Chats und Messengerdiensten, die darauf hindeuteten, dass die Aktion vorher durchdacht und geplant gewesen sei.