Vermietungspraxis in Berlin: „Bis an die Grenze des Legalen“
Linken-Politikerin Caren Lay stellt fest: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben privatisiert weiter und treibt die Preise hoch.
Trotz der angekündigten „Neuausrichtung“ betreibt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) ungebrochen ihre Privatisierungspolitik. Das behauptet die Linken-Politikerin Caren Lay nach der Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf ihre entsprechende Kleine Anfrage. „Es ist keine Neuausrichtung der Bima zu erkennen“, sagt Lay.
Demnach verkaufte die Bima zwischen Januar und Oktober 2018 fast genauso viel Grundstücksfläche wie im gesamten Jahr 2017. Dabei veräußert die Bima ihre Liegenschaften zum Großteil an private Käufer – der Anteil stieg sogar von 77,8 (2017) auf 78,5 Prozent.
Kein einziges Grundstück in Berlin verbilligt verkauft
Die Bima hält bundesweit mehr als 25 000 Grundstücke. Seit Juli 2018 soll sie diese den Kommunen eigentlich „aktiv“ und verbilligt anbieten, zur Schaffung von günstigem Wohnraum und sozialer Infrastruktur. Die angekündigte bevorzugte Vergabe an kommunale Träger sei aber „nicht in Sicht“, sagt Lay. „Anstatt die Kommunen mit Bauland und bezahlbaren Wohnungen zu versorgen, wird weiter zum Höchstpreisgebot verkauft.“ Bis Oktober wurden demnach bundesweit nur elf Grundstücke verbilligt an Kommunen verkauft, in Berlin kein einziges.
Ihre Partei war es doch, die Anfang der 2000er mit Wowereit in Berlin regiert hat und massenhaft kommunale Immobilien billigst verscherbelt hat. Und heute regieren sie wieder und kaufen die selben Immobilien zu Höchstpreisen zurück.
schreibt NutzerIn vipklick
Der Anteil von Wohnungen, die an Private verkauft wurden, stieg seit 2016 sogar rapide an: von 13,2 (2016) und 29,6 (2017) auf 52,3 Prozent. Damit verfehle die Bundesanstalt ihren gesetzlichen Auftrag, Bundesbedienstete mit Wohnraum zu versorgen, so Lay. Stattdessen greife sie sogar als Preistreiber in den angespannten Wohnungsmarkt ein – durch den Ankauf sogenannter Belegungsrechte.
Dadurch mietet die Bima private Wohnungen für Bundesbedienstete, allein im Jahr 2017 waren es 1175. „Sie tritt damit in Konkurrenz um das ohnehin geringe Angebot an bezahlbaren Wohnungen und subventioniert die Gewinne von Vermietern für kurzfristige Belegungsrechte“, kritisiert Lay.
Auch SPD und Grüne kritisierten Bima
Auch die Vermietungspraxis in ihren eigenen Immobilien wird von den Linken als „unsozial“ kritisiert. Die Miete werde weiter „bis an die Grenze des Legalen“ in die Höhe getrieben, um „den Bundeshaushalt aufzubessern“. So halte die Bima etwa daran fest, die Modernisierungskosten bis zur gesetzlich zulässigen Höhe von elf Prozent auf die Mieter umzulegen. Lay: „Das widerspricht der sozialen Verantwortung einer Bundesanstalt. Hier sollte der Bund tätig werden.“
Bisher stehen vor allem private Unternehmen wie Deutsche Wohnen und Vonovia in der Kritik, die Miete durch umfangreiche „Renditesanierungen“ zu erhöhen. In den letzten Jahren hat aber auch die Bundesanstalt erheblich in Modernisierungsmaßnahmen investiert. Die Ausgaben stiegen von 58,2 Millionen (2013) auf 96,2 Millionen (2017). „Für das Baujahr 2019 und mittelfristig für die Folgejahre“ plant die Bima sogar Modernisierungskosten von 150 Millionen Euro jährlich ein.
Auch SPD und Grüne haben die Bima erst vor kurzem für ihre Vermietungspraxis kritisiert. Sie treibe in Berlin die Mieten hoch, befand die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Iris Spranger. Die Grünen-Politikerin Lisa Paus kritisierte insbesondere den Druck des Finanzministeriums auf die Bima, jedes Jahr hohe Beträge abzuführen.
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Mieterlöse um 270 Euro pro Wohnung gesteigert
Die Bima gab an, sie orientiere sich seit dem Wohnungsgipfel im September bei Neuvermietungen und Mietanpassungen an der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Antwort der Bundesregierung zeigt aber, dass von den 36 500 Bima-Wohnungen (davon etwa 4000 in Berlin) nur rund 16 000 durch die Bundesanstalt selbst vermietet werden - der Rest durch externe Verwalter. Die Mieterlöse externer Verwalter wurden dabei laut Lay von 2013 bis 2017 um 270 Euro pro Wohnung gesteigert.
Auch die Mitgliedschaft der Bima in der Vereinigung „Zentraler Immobilien Ausschuss“ (ZIA) wird von den Linken kritisiert. Seit 2012 habe die Bima 211 000 Euro öffentlicher Gelder in Form von Mitgliedsbeiträgen an den ZIA gezahlt - damit unterstütze die Anstalt öffentlichen Rechts den „kapitalmarktorientierten Lobbyverband der Immobilienkonzerne“.
Die Linken-Abgeordnete Lay fordert, die Bima künftig „wie eine gemeinnützige Gesellschaft, mit sozialer Vermietungspraxis, Renditebegrenzung und Reinvestitionen in Wohnungen“ neu auszurichten. Ohne eine gesetzliche Abkehr vom Höchstpreisgebot bleibe dies ein frommer Wunsch.
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