Neuer Landtag: Mit dem Stadtschloss hat Potsdam sein Herz wieder
Heute wird offiziell der Schlüssel zu Brandenburgs neuem Landtag im Gewand des friderizianischen Barockschlosses übergeben. Der Weg wird frei für die Rückkehr zu einer lebendigen Innenstadt, die sich an den historisch gewachsenen Strukturen orientiert
Jetzt steht es da, in all seiner äußerlichen Pracht. Wieder. Endlich. Selbst Laien erschließt sich allein durch den puren Anblick des Stadtschlosses, wie sehr es gefehlt hat in Potsdams Mitte. Welch grässliche städtebauliche Wunde im Herzen der Stadt klaffte, kann man erst jetzt vollständig ermessen.
Wenn am heutigen Donnerstag Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) offiziell den Schlüssel zu Brandenburgs neuem Landtag im Gewand des friderizianischen Barockschlosses erhält, ist das mehr als nur ein rein symbolischer Akt. Das Parlament der Mark wird ab Januar in der Mitte Potsdams tagen: Dank eines demokratischen Beschlusses seiner Volksvertreter hat das Parlament sich nicht nur ein würdiges Domizil geschaffen, sondern die städtebaulichen Weichen für das Potsdam der Zukunft gestellt.
Denn mit dem Schloss als Initialzündung für die Umgestaltung der Potsdamer Mitte wird der Weg frei für die Rückkehr zu urbanem Bauen, zu einer lebendigen Innenstadt, die sich an den alten, historisch gewachsenen Strukturen orientiert. In ein paar Jahren, wenn die Fachhochschule abgerissen ist, werden an gleicher Stelle neue Quartiere entstehen. Wohnhäuser mit Geschäften und Cafés, das alles in einem Maß, wie es zu Potsdams barockem Stadtbild passt – dem, weswegen es sich hier gut leben lässt und weswegen so viele Touristen die Stadt besuchen. In seiner Bedeutung ist das Schloss daher kaum zu überschätzen. Schon als der Vorgängerbau dort stand, war alles ringsherum auf ihn ausgerichtet. Seit Potsdams erster urkundlicher Erwähnung im Jahre 993, seit mehr als 1000 Jahren, befand sich am heutigen Alten Markt ein repräsentatives Gebäude. Zunächst war es eine Slawenburg, die im Laufe der Zeit immer wieder umgestaltet und erweitert wurde. An der Wende zum 17. Jahrhundert, 1598, ließ Katharina, die Frau des Kurfürsten Joachim Friedrich, die inzwischen verfallenen alten Gebäude abreißen und gab den Auftrag für ein neues kurfürstliches Schloss, das wegen ihren frühen Todes jedoch nicht fertig wurde. Der Kurfürst verlor das Interesse am Schloss und verpfändete es an einen Junker, der die Anlage herunterwirtschaftete.
Erst mit dem Großen Kurfürsten begann das Areal wieder in den Fokus zu rücken. Friedrich Wilhelm kaufte das Gut zurück und gab abermals einen Neubau in Auftrag, der zwischen 1662 und 1669 errichtet wurde. Als der Kurfürst kurze Zeit später seinen gesamten Hofstaat nach Potsdam holen wollte, erwies sich die Anlage aber bereits als zu klein und musste abermals erweitert werden.
Friedrich Wilhelms Sohn, Kurfürst Friedrich III., machte das Stadtschloss zum Zentrum seiner ausschweifenden Vergnügungen, im Juli 1709 kamen hier sogar die Könige von Sachsen, Dänemark und Preußen zum legendären Dreikönigstreffen zusammen. Friedrich war es auch, der dem Schloss einen architektonischen Stempel aufdrückte, der auch heute – wieder – existiert. Anlässlich seiner Selbstkrönung zum preußischen König ließ Friedrich, der sich fortan Friedrich I. nannte, 1701 das Fortunaportal als neuen Eingang zum Schloss errichten.
Während Friedrichs Sohn, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., dem Stadtschloss verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit schenkte, begann mit dessen Nachfolger Friedrich II. die Blütezeit des Schlosses. Der junge König, der dabei war, die gesamte Innenstadt umzugestalten, war auch unzufrieden mit dem Stadtschloss. Er beauftragte daher den Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff mit der Umgestaltung.
Zwei Jahrhunderte bestimmte Knobelsdorffs Schloss das Stadtbild. Nach dem Ende der Monarchie wurde es zum Zentrum des bürgerlichen Lebens der Stadt: Das Heimatmuseum zog ein, das Arbeitsamt, selbst die Stadtverwaltung und die Stadtverordneten nutzten es, auch Künstler. Bis der Bombenangriff in der Nacht des 14. April 1945 alldem ein Ende machte. Das Stadtschloss brannte bis auf die Außenmauern nieder. In den ersten Nachkriegsjahren gab es zwar noch Wiederaufbaupläne, doch in den 50er Jahren setzte das sozialistische Regime den Abriss der Ruine durch – gegen den Widerstand aus der Bevölkerung, von Architekten und Künstlern. Erstaunlicherweise blieb das Schlossareal von der sonstigen Umgestaltung der Potsdamer Mitte zu einem „sozialistischen Stadtzentrum“ verschont. Ringsum entstand eine Bausünde nach der anderen – der Platz zwischen Havelufer und Nikolaikirche aber blieb frei. Zwar gewann in den 60er Jahren der Architekt Günter Vandenhertz einen Wettbewerb für ein neues Theater am Alten Markt, doch wurden die Pläne aus Kostengründen aufgegeben. Einen zweiten Anlauf Ende der 80er Jahre vereitelte die Wende: Der fertiggestellte Rohbau des Bühnenturms für das Theater wurde trotz vieler Proteste wieder abgerissen. Die Stadtverordneten wollten das Schlossareal für einen Wiederaufbau freihalten.
15 Jahre währte der Streit darüber, ob Potsdam sein Schloss wiederbekommen soll. Auch jetzt sind die Meinungen noch geteilt. Doch die Schar der Gegner schrumpft spürbar. Niemand kann sich der Wirkung des Knobelsdorff’schen Palastes, dessen Fassade Software-Milliardär Hasso Plattner spendete, entziehen. Vielleicht fasst der Ausruf eines Potsdamers am besten zusammen, warum selbst Gegner der Wirkung des Hauses erliegen: „Na, schön aussehen tut’s ja“.
Den Wettlauf ums Schloss hat Potsdam gegen Berlin gewonnen. Lange hat man aus der Bundeshauptstadt mit Neid auf den Nachbarn geschaut, weil man hier Nägel mit Köpfen machte, während in Berlin noch über das Schicksal des Palastes der Republik diskutiert wurde. Auch dort entsteht nun das Stadtschloss neu. In Potsdam aber ist es jetzt fertig. Es bildet das alte neue Zentrum der Stadt, es ist Wegbereiter dafür, dass der Alte Markt auch an der Havelseite mit dem Palast Barberini und den anderen Palazzi wieder eine Fassung bekommt. Man mag über Architektur streiten, aber unbestreitbar ist eines: Mit dem Stadtschloss hat Potsdam sein Herz wieder.
Chronik des Wiederaufbaus:
Mai 2005
Der Landtag Brandenburg beschließt den Landtagsneubau in den Um- und Aufrissen des Potsdamer Stadtschlosses auf dem Alten Markt.
November 2006
Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung lehnt zwei Mal den Bebauungsplan für den Landtagsneubau ab.
Januar 2007
42,8 Prozent der beteiligten Potsdamer sprechen sich bei einer Bürgerbefragung für einen Neubau am einstigen Standort des Stadtschlosses aus. Anschließend stimmen die Stadtverordneten dem Bebauungsplan zu.
November 2007
Hasso Plattner spendet 20 Millionen Euro. Zuvor war die historische Fassadengestaltung wegen Geldmangels infrage gestellt worden.
September 2010
Der Baukonzern BAM bestätigt, dass Sicherungsarbeiten am Fortunaportal nötig sind, weil das Absacken des Tores droht. Wenig später wird eingestanden, dass der Bau bereits erste Risse aufweist. Tonnenweise Beton muss unter das Bauwerk gepumpt werden, das kostet eine dreiviertel Million Euro.
Februar 2011
Mit einem feierlichen Akt wird der Grundstein gelegt. Dabei kommt es zum Eklat, weil zu der Zeremonie nur geladene Gäste zugelassen sind und die Potsdamer Bürger außen vor bleiben.
November 2011
10 000 Menschen feiern beim Richtfest den fertigen Rohbau. Eine Woche zuvor hatte Hasso Plattner angekündigt, erneut eine größere Summe zu spenden, damit der Bau ein orginalgetreues Kupferdach bekommt.
Februar 2013
Auf dem Neubaudach wird symbolisch der letzte Nagel in die letzte Kupferplatte eingeschlagen. Architekt Peter Kulka nutzt den Festakt für eine Brandrede. Er wirft dem Finanzministerium Missachtung seiner künstlerischen Leistung vor, weil vorläufig auf die Kuppel über dem historischem Treppenhaus verzichtet werden soll. Sein Appell zeigt Wirkung: Die Kuppel wird gebaut.
April 2013
Landtagspräsident Gunther Fritsch gibt bekannt: Mit einem großen Fest wird das Parlament am 18. und 19. Januar 2014 eröffnet. (wik)