Spandau: Heimatvereine fühlen sich ausgebootet: Zitadellenführungen neu vergeben
Sind die Heimatkundliche Vereinigung und die Spandauer Stadtgarde die Opfer eines Parteienstreits zwischen CDU und SPD?
Das Spandauer Kulturamt hat die Führungen auf der historischen Zitadelle im Rahmen einer Ausschreibung neu vergeben. Neben dem bisherigen Betreiber, der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau, gab es dem Vernehmen nach nur einen Bewerber. Dieser, die landeseigene, gemeinnützige Kulturprojekte Berlin GmbH, erhielt jetzt den Zuschlag und soll auch den Museumsshop übernehmen, teilte der zuständige Stadtrat Gerhard Hanke (CDU) dem Tagesspiegel auf Nachfrage mit. Der 1954 gegründete Heimatverein soll indessen zum Monatsende auch seine Räume auf der Zitadelle verlassen, weil der bestehende Mietvertrag dann abgelaufen ist.
Kein Platz mehr auf der alten Festung
Laut Hanke handelt es sich um zwei Vorgänge, die unabhängig voneinander sind. Die Vergabe der Führungen sei im Rahmen der regulären Neuausschreibung von der zuständigen Fachabteilung seines Ressorts geprüft und entschieden worden. Hinsichtlich der Räumlichkeiten habe der mit dem damaligen Baustadtrat Carsten Röding (CDU) geschlossene Vertrag eine Verlängerung grundsätzlich ausgeschlossen. Die bisher genutzten Räume würden außerdem voraussichtlich als Ausweichquartier für die Zitadellenverwaltung benötigt, da sich deren Gebäude gesenkt hat und vermutlich aufwändig saniert werden muss. Mehr Platz gebe es angesichts der zunehmenden Nutzung nicht auf der Festung.
Streit um Gegenleistungen für reduzierte Miete
Hanke kündigte an, dem Verein Ersatzräume im bezirkseigenen, ehemaligen Volkshochschul-Gebäude in der Mönchstraße in der Spandauer Altstadt anbieten zu wollen. Von dort aus könne er dann Führungen durch das historische Stadtzentrum anbieten. Streit gibt es dem Vernehmen nach auch um die bisherigen Mietzahlungen. Wie Hanke bestätigte, sollte die Vereinigung dem Bezirk im Gegenzug für einen rund 50prozentigen Mietnachlass jährlich Exponate im Wert von rund 2500 Euro überlassen, was in den letzten Jahren nicht geschehen sei. Dem hält der Vorsitzende der Heimatkundlichen Vereinigung, Karl-Heinz Bannasch; entgegen, dass man in den vergangenen zwei Jahrzehnten für den Bezirk Exponate und Leistungen im Wert von rund einer Viertelmillion Euro erbracht hat. Allein die Ausstellung Germania Slavica 2016 im Rathaus habe rund 8000 Euro gekostet. Damit habe die Vereinigung ihre Verpflichtungen erfüllt.
Politische Querelen der Hintergrund?
Bannasch vermutet politische Querelen hinter dem Rauswurf. Er ist Mitglied der FDP, die im vergangenen Jahr die Wiederwahl von Helmut Kleebank (SPD) zum Bezirksbürgermeister unterstützt hatte, dessen Gegenkandidat Hanke war. Für Spandaus FDP-Chef Paul Fresdorf wäre ein solches Verhalten absurd, da Bannasch seit Jahren nicht mehr politisch aktiv ist. Er räumt aber ein, von der CDU noch immer gelegentlich für das Stimmverhalten angesprochen zu werden und bestätigt, dass man sich mit der SPD auf einige gemeinsame Kernthemen verständigt hat. Die Fronten zwischen den beiden großen Parteien sind verhärtet, seit die CDU 2011 die Bezirksamtswahl gewann, die SPD mit Hilfe von Grünen und Piraten aber Kleebank zum Bürgermeister kürte.
Auch die Stadtgarde ist betroffen
Auch die Spandauer Stadtgarde, die sich mit ihren Uniformen der Tradition des Füsilierregiments Prinz Heinrich von Preußen verpflichtet fühlt, sieht sich als Opfer des Parteienstreits in Spandau. Im Gegenzug zur Reduzierung der Miete des von ihr genutzten Raumes auf der Zitadelle hat sie sich verpflichtet, jährlich fünf Veranstaltungen des Bezirksamtes kostenlos zu unterstützen. Doch nachdem man den Bürgermeister beim diesjährigen Schützenumzug eskortiert hatte gab es Vorwürfe von Hanke, dass dies nicht als Unterstützung des Bezirksamtes zu sehen sei, so Kommandant Armin Brenker. Die Vereinbarung sei daraufhin vom Kulturamt aufgekündigt worden, ab 2018 soll der Verein trotz knapper Finanzen die volle Miete zahlen.
Sollte die Heimatkundliche Vereinigung ihre Arbeit einstellen wäre dies „ein großer, bedauerlicher und unwiederbringlicher Verlust“ für den Bezirk, sagte Bürgermeister Kleebank. Sie habe viele wichtige Beiträge für Spandau geliefert, allein für die zahlreichen Veröffentlichungen zur Bezirksgeschichte gebe es keine andere Quelle. „Kein anderer wird diese Arbeit machen“. „Verwundert“ äußerte sich auch der Spandauer FDP-Fraktionschef Matthias Unger. „Stadtrat Hanke muss endlich aufhören, die Zitadelle als sein Eigentum zu behandeln“, heißt es in einer Erklärung. „Es gibt keine rationalen Gründe für den Rausschmiss der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau aus der Zitadelle. Hier scheint einer eine Privatfehde zu führen. Das ist nicht nur unprofessionell, sondern passt zu dem Bild welches Spandau in den letzten Jahren abgegeben hat. Das muss aufhören!“
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Rainer W. During