Müll-Berge und Sauf-Gelage am Schlachtensee/Krumme Lanke: Zehlendorf, das stinkt zum Himmel!
Bis zu 70 Müllsäcke mit 60 Litern füllen Ein-Euro-Jobber nach warmen Tagen allein am Schlachtensee. Und es wird immer mehr Müll. Der Zehlendorf Blog hat im Grünflächenamt nachgefragt - dort ist die Lage zum Verzweifeln. Denn der Sommer kommt erst!
Die Frau lächelt, denn heute ist es recht entspannend am Schlachtensee. Es hat am Vortag nämlich geregnet, und deshalb geht das Müll-Einsammeln an diesem Montagmorgen ziemlich schnell. Die Frau und ihr Partner gehören zu den wenigen Ein-Euro-Jobbern, die dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf noch zur Verfügung stehen, und sie kann von ganz anderen Tagen reden. "Normalerweise schleppen wir hier bis zu 70 Müllsäcke mit 60 Litern Inhalt weg", sagt die Frau und erzählt, was alles an Müll zu finden ist: "Fleischreste, Flaschen, Zeltplanen, Babywindeln, kaputte Fahrräder, und natürlich jede Menge Papier und Zeitungen."
Tatsächlich gleicht der Schlachtensee und die Krumme Lanke an manchen Tagen einem Schlachtfeld, und der Sommer, wo es besonders heikel ist, kommt ja noch. Die Anwohner sind jedenfalls schon jetzt restlos bedient, weil sie seit Jahren auf das immer größer werdende Problem aufmerksam machen, aber statt weniger wird es immer mehr. Die Jugendlichen Partygänger, die meistens aus den Innenstadtbezirken an schönen Tagen im Rudel an den Seen auftauchen und die Grünanlagen zur Kneipenfläche umgestalten, sind nur ein Teil des Problems. Denn offensichtlich ist die gute Kinderstube von einst auch bei den Einwohnern von Zehlendorf längst nicht mehr mehrheitsfähig.
"Manchmal ist es in Zehlendorf wie in der Hasenheide"
Im Grünflächenamt ist man wegen der Müll-Problematik am Verzweifeln, weil trotz aller Aufklärung und vieler Appelle das Problem immer größer wird. Olaf Kurtz, 69, Gruppenleiter für Grünflächenerhaltung, arbeitet seit 1976 im Grünflächenamt, allerdings erst seit dreieinhalb Jahren in Zehlendorf, zuvor war er viele Jahre in Neukölln. Er sagt: "Wenn man aus Neukölln nach Zehlendorf kommt, dann hat man eine gewisse Erwartung. Man denkt, hier ist es anders. Aber das stimmt nicht. In bestimmten Bereichen ist es hier wie in der Hasenheide." Kurtz und seine immer weniger gewordenen Kollegen werden mittlerweile von den aufgebrachten Bürgern und Anwohnern regelrecht beschimpft, Kurtz möchte das nicht so genau ausführen, er sagt nur: "Die Leute sind schon sehr aufgebracht." Aber er sagt auch: "Es wird schon viel zu lange die Schuld auf uns geschoben, aber die Bürger selbst werden immer nachlässiger. Heutzutage guckt man ja schon, wenn einer mal etwas aufhebt, früher war es umgekehrt."
Die Zahlen und Fakten sprechen für die Verteidigungslinie des Grünflächenamts, und jeder, der sie liest, wird Verständnis für die Mitarbeiter dort aufbringen müssen. Für das Jahr 2012 hatte man mit 200000 Euro für die Müllbeseitigung kalkuliert, 45000 Euro standen zur Verfügung. Die Zahl der Mitarbeiter im Amt hat sich, wie in fast allen Bezirken, in den letzten Jahren halbiert. Vor allem die unteren Lohngruppen, die die Müllbeseitigung oder das Laubfegen verantwortet haben, sind weg. Deshalb arbeiten die Ämter mit Unternehmen zusammen, die die so genannten Ein-Euro-Jobber für "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung" (MAE) vermitteln. Die Unternehmen bewerben sich beim Bezirk, wenn der Bezirk sie ausgewählt hat, werden sie vom Job-Center beauftragt. Im Jahr 2005 hatte Steglitz-Zehlendorf für solche Arbeiten noch bis zu 20 Maßnahmen mit jeweils 15 Teilnehmern für zwölf Monate zur Verfügung, 2009 waren es noch vier bis sechs Maßnahmen, und 2013 sind es, wie Kurtz ausführt, "noch zwei mit jeweils 15 Leuten". Die eine Gruppe für Zehlendorf, die andere für Steglitz.
"Wir arbeiten auf Verschleiß"
Die eigentlichen Mitarbeiter im Amt sind für die Grünflächenerhaltung und ihre Pflege zuständig, es sind höher qualifizierte Fachleute, die mit ihrer eigenen Arbeit schon nicht mehr hinterher kommen, denn da sind die Friedhöfe, die Straßenbäume, die Straßenbegrünung, die kleinen Grünflächen und so weiter und so fort. "Wir arbeiten auf Verschleiß", sagt Kurtz. Beispielsweise muss der Rosengarten in Steglitz demnächst reduziert werden, weil die Pflege vom Personal nicht mehr zu leisten ist. Der Bezirk fährt hier eine strikte Linie, um damit auch gegen die Senatspolitik zu demonstrieren. "Es kann nicht sein, dass sich das Land Berlin komplett dieser Aufgabe entzieht und uns hier verhungern lässt", sagt ein hoher Mitarbeiter aus dem Bezirksamt. Die zuständige Stadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) sagte dem Tagesspiegel: "Die Mittel, die uns das Land Berlin zugesteht, reichen nicht einmal für Nachpflanzungen".
Das Grünflächenamt selbst schreibt in seinem Jahresbericht 2012 deutlich, was Sache ist. Es heißt: "Da die Verringerung der bewilligten Maßnahmen einschließlich der Teilnehmerzahlen parallel zum Personalrückgang im Fachbereich Grünflächen auf Grund der Altersstruktur verläuft, sind die Konflikte in Bezug auf Abfallbeseitigung, Vermüllung u.ä. vorhersehbar..." Und weiter: "Es ist absehbar, dass sich das Erscheinungsbild der Grünanlagen aufgrund des Personalmangels und begrenzter Unterhaltungsmittel weiter negativ verändern wird." Im Bezirksamt haben sie die Flucht nach vorne angetreten, was durchaus mutig ist, anstatt prioritär das wenige Geld für Müllbeseitigung auszugeben, versucht es das zuständige Referat lieber mit Bildung, beispielsweise werden Stadtspaziergänge mit Jugendgruppen gefördert oder andere Projekte dieser Art. Es ist neben der eigenen Ohnmacht und dem Protest gegen die Senatspolitik auch ein kräftiges Pfeifen im Walde, das signalisiert, wir haben die Hoffnung auf den gesunden Menschenverstand noch nicht aufgegeben.
Olaf Kurtz sieht jedenfalls ein "gesellschaftliches Problem", das wir hier im Amt nicht lösen können. Er hat selbst gesehen, wie beispielsweise am Schlachtensee vor der Breisgauer Straße auf der Böschung alles voller Müll war - und gleichzeitig die vorhandenen Papierkörbe fast leer. "Es sprengt wirklich die Grenzen der Vorstellungskraft, was wir hier manchmal erleben."
Anhang: Müll ist ein Thema, Alkoholprävention ein anderes
Der Müll ist ein Thema, ein anderes der exzessive Alkoholkonsum vor allem unter Jugendlichen. Auch hier sind Schlachtensee und Krumme Lanke Orte des Geschehens, weil hier viele Partys mit viel Alkohol und Drogen stattfinden. Die Schüler-Reporter des Zehlendorf Blogs haben sich mit dem Thema bereits beschäftigt.
Am Samstag, dem 1. Juni, ist die AG Mobile Jugendarbeit von 12 bis 16 Uhr am Schlachtensee präsent, um mit vielen Aktionen auf das Thema aufmerksam zu machen. Alles im Rahmen der bundesweiten Suchtpräventionswoche. Verschiedene Träger wie Zephir oder Kijub, das Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf, werden vor Ort sein und auch ein paar Cocktails schlürfen - alkoholfrei versteht sich.
Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und lebt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.