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Jugend-Vergnügen am Schlachtensee? So kann es dort aussehen, wenn Schüler Party machen.
© dpa

Drogen und Alkohol: Was Zehlendorfs Schüler nehmen: Zwölf Gäste, 120 Flaschen Bier - plus Hochprozentiges

Das bürgerliche Zehlendorf richtet sich gerne ein im Idyll. Unsere Autoren haben für den Zehlendorf Blog aufgeschrieben, warum 15- und 16-Jährige Alkohol und Drogen zum Teil exzessiv konsumieren. Ein Grund: Leistungsdruck von Schule und Eltern.

Er wollte seinen Partygästen mal etwas anderes bieten als Champagner, erklärte der Junge seiner Jugendrichterin Kirsten Heisig, die in ihrem Buch „Das Ende der Geduld“ diese Episode erzählt. Der Jugendliche bot Kokain im Wert von 2500 Euro an. Seine Eltern, beide Ärzte, „aus einem reichen Bezirk im Westen Berlins“, wie Heisig schreibt, erschienen nicht einmal zu der Gerichtsverhandlung. Ein Einzelfall? Das hätten die Zehlendorfer gerne, aber es entspricht nicht so ganz der Realität.

Unter der perfekten Zehlendorfer Familie, wie sie das Klischee vorsieht, und wir übertreiben hier bewusst, stellt man sich meistens gut verdienende Eltern vor, ein Einfamilienhaus und Kinder, die vorbildlich und mit Fleiß ein Gymnasium besuchen – natürlich ein Gymnasium! – und sich in ihrer Freizeit sozial engagieren. Oder mindestens sportlich. Später wird oft ein Medizin- oder Jurastudium angestrebt, ganz im Sinne der Eltern. Warum bekommen gerade Gymnasien, die eben von diesen bürgerlichen Kindern besucht werden, Beinamen wie „Kiffer-Schule“ oder „Drogen-Schule“?

Wir haben für den Zehlendorf Blog rund 30 Schüler befragt, die zwischen 15 und 16 Jahre alt sind, und eigene Beobachtungen einfließen lassen. Aus den Gesprächen ergibt sich, dass knapp die Hälfte der Befragten reine „Partyraucher“ sind. Nikotinabhängig sind mindestens acht der Befragten Personen, davon konsumieren – kiffen – sechs bis sieben regelmäßig Cannabis. Mehr als die Hälfte der Leute hat Erfahrungen mit weichen Drogen wie Haschisch gemacht oder übermäßig Alkohol konsumiert. Drei bis vier Jugendliche nehmen regelmäßig harte Drogen, wie Speed, Ecstasy, LSD und Kokain.

Für eine typische „Home-Party“, die bei den Jugendlichen zu Hause stattfindet, werden meistens die größeren Villen genutzt, wenn die Eltern mal über das Wochenende verreist sind. Abhängig von der Zahl der Gäste wird eingekauft: Bei rund zwölf Gästen werden mindestens sechs Kästen Bier mit jeweils 20 Flaschen gekauft. Dazu kommen ungefähr fünf Flaschen hochprozentiger Alkohol, wie zum Beispiel Jack Daniels, Jägermeister, Tequila oder Wodka. Auch wird für genug Zigaretten und Gras gesorgt.

Auch hochprozentiger Alkohol wie Wodka oder Tequila wird auf den "Home"-Partys gerne gereicht. Manche Jugendliche, die Geld haben und angeben wollen, bieten dazu harte Drogen an.
Auch hochprozentiger Alkohol wie Wodka oder Tequila wird auf den "Home"-Partys gerne gereicht. Manche Jugendliche, die Geld haben und angeben wollen, bieten dazu harte Drogen an.
© Kai-Uwe Heinrich

Bei den Mengen an Alkohol ist es nicht verwunderlich, dass sich mindestens ein Drittel der Gäste im Verlauf des Abends übergibt. Damit vor allem die anderen Eltern nichts mitbekommen, übernachten alle bei der Person, die die „Home“ ausrichtet. Man kann sich gut vorstellen wie das Haus am nächsten Morgen aussieht.

Worin die Gründe für diesen exzessiven Konsum liegen? Auszuschießen ist, dass die Jugendlichen es aus purer Unwissenheit über die Folgen nehmen. Zahlreiche Drogenpräventions-Veranstaltungen werden zu dem Thema organisiert, oftmals ist es sogar in den Unterricht als Themenbereich integriert. Sicherlich spielen Komponenten wie Neugier, Gruppenzwang und Langeweile eine wichtige Rolle. Klar ist auch, dass einem Großteil der Kinder sehr viel Geld für dieses teure „Hobby“ zur Verfügung steht. Wenn man schon keine Zeit für die Kinder hat, will man wenigstens dafür sorgen, dass es ihnen materiell gut geht.

Viele Eltern probieren, sich von ihren Schuldgefühlen frei zu kaufen.

Der ausschlaggebende Aspekt ist aber der enorme Druck, der von Schule und Eltern ausgeht. Das Kind soll perfekt sein: Gute Noten haben, außergewöhnliche, sportliche Leistungen erbringen und sich sozial engagieren. Das macht sich besonders gut im Lebenslauf. Dass die Schüler diesen Erwartungen nicht entsprechen können, liegt in der Natur der Sache. Und dann gibt es noch die „Problemkinder“, die sich ihre Probleme selber schaffen und diesen mit Drogen entfliehen wollen.

Wir wissen, dass Zehlendorf kein geheimer Ort des Drogenwahns ist, wir wollen hier nicht übertreiben, sondern nur einen Ausschnitt zeigen. Die meisten Jugendlichen im Bezirk sind klug genug, die Dinge einzuordnen und sich nicht in Gefahr zu bringen. Wir verallgemeinern nichts, wir warnen aber davor, dass man sich blind vor der Problematik im schönen Idyll versteckt. Unser Appell an die Eltern lautet: Macht Eure Augen auf, stellt euch der Realität, kümmert euch!

Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels. Wer selbst zum Thema schreiben oder mitdiskutieren will, bitte unter zehlendorf@tagesspiegel.de

Maresa Gorkan, Anna Kurzbehn

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