Container für Flüchtlinge in Berlin-Zehlendorf: "Wir erfahren alles aus zweiter Hand"
Ein neues Containerdorf für Flüchtlinge in Zehlendorf - und die Anwohner sind nicht informiert worden? Das sagen zumindest die Anwohner, der Bezirk wiederum sagt: Ging nicht früher. Heute sprechen die Betroffenen erstmals miteinander.
Im August werden die ersten Flüchtlinge in eine Containerunterkunft an der Potsdamer Chaussee 101 in Zehlendorf einziehen. Vorausgesetzt der Aufbau läuft nach Plan. Das teilte Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) auf Anfrage von Tagesspiegel Zehlendorf mit. Die Entscheidung für dieses Grundstück sei erst vor kurzem gefallen. Und entsprechend kurzfristig wurden auch die Anwohner informiert. Darunter Christian Eggert, der speziell die Informationspolitik des Bezirkes kritisiert. „Wir erfahren alles aus zweiter Hand“, sagt er.
Anstatt vom Bezirk habe er vom Verein Mittelhof einen Brief mit einer Einladung zu einem Informationsabend für Anwohner erhalten. Bei dieser Vorgehensweise werde Eggert das Gefühl nicht los, dass der Bezirk auf Tauchstation gehe. Das Vertrauen der Anwohner könne man jedoch nur mit einer offenen Kommunikation gewinnen. Immerhin verändere sich deren Wohnumfeld.
Norbert Kopp erklärt, dass er zwar verstehen könne, dass sich manche Anwohner überrumpelt fühlten: „Aber bevor es nicht in trockenen Tüchern war, dass die Einrichtung für Flüchtlinge dorthin kommt, hätte es keinen Sinn gemacht, die Anwohner zu informieren.“ Denn die Entscheidung des Senates habe lange auf wackeligen Beinen gestanden. Der Grund seien Mehrkosten in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro, die durch die Verlagerung der Containerunterkunft zur Potsdamer Chaussee 101 entstünden. Ursprünglich war die Unterkunft am Osteweg 53 in Lichterfelde geplant.
Im Oktober letzten Jahres hatte die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mitgeteilt, dass von den berlinweit geplanten sechs Containerunterkünften zwei in Steglitz-Zehlendorf gebaut werden sollen – am Ostpreußendamm für circa 300 traumatisierte und kranke Menschen und am Osteweg für circa 340 Menschen
18 000 Quadratmeter können genutzt werden
Doch nach eigenen Angaben zeigte sich der Bezirk damals hinsichtlich des Grundstückes am Osteweg überrascht, weil er den Ort für nicht geeignet hielt. „Das Grundstück ist mit 5000 Quadratmetern zu klein und außerdem hätte das eine Konzentration von Flüchtlingsunterkünften in Lichterfelde bedeutet“, wiederholt der Bezirksbürgermeister noch einmal seine Argumente. Deshalb habe der Bezirk dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das in Berlin für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig ist, das Grundstück an der Potsdamer Chaussee vorgeschlagen.
Auf diesem Gelände können etwa 18.000 Quadratmeter für die Containerunterkunft genutzt werden. Derzeit finden dort bereits erste Erdbauarbeiten statt. „Der Boden wird ausgetauscht, weil er sauer war“, erklärt Kopp weiter. Denn das Grundstück sei zuletzt als Wirtschaftsplatz vom Straßen- und Grünflächenamt genutzt worden. Mit dem Senat sei vereinbart, dass perspektivisch gesehen das Gelände an ein Wohnungsbauunternehmen verkauft werde. Während der Zeit, in der dort Flüchtlinge lebten, erstelle der Bezirk einen entsprechenden Bebauungsplan. Laut Bürgermeister sei die Containerunterkunft für maximal zehn Jahre vorgesehen.
Die zuständige Senatsverwaltung hat indessen den Verein Mittelhof beauftragt, die Integration der neuen Flüchtlingseinrichtung in ihre Umgebung an der Potsdamer Chaussee Ecke Hohentwielsteig zu begleiten. „Wir möchten die Bürger dazu einladen, das freundlich und kritisch mit zu gestalten und sich für ein gutes Miteinander zu engagieren“, sagt der Leiter der Villa Mittelhof, Gerald Saathoff. Das schließe auch das Äußern sachlicher Kritik ein. Gemeinsam mit dem Bezirksamt wird am heutigen Mittwochabend (6. Juni) die erste Informationsveranstaltung vor allem für die Anwohner stattfinden. Dort gebe es Gelegenheit, über Fragen und Sorgen zu sprechen.
Wer die Containerunterkunft künftig betreiben wird, ist indessen nicht bekannt. Nach Informationen des Tagesspiegel Zehlendorf steht eine Entscheidung vom Lageso noch aus. Die Neue Treberhilfe, kurz NTH Hilfe in Berlin genannt, eine Tochtergesellschaft des Evangelischen Diakonievereins Berlin-Zehlendorf, habe aber bereits Interesse angemeldet. Die NTH wird auch die Flüchtlingseinrichtung am Ostpreußendamm betreiben.
Dort auf dem Grundstück in Lichterfelde haben die Arbeiten inzwischen begonnen. „Da es ein recht hügeliges Gelände ist, sind umfassende Erdarbeiten notwendig“, sagt die NTH-Sprecherin Melanie Wagner. Parallel werde das Streifenfundament für die Container vorbereitet. Sobald diese Arbeiten beendet seien, könnten die Container mit einem Schwerlastkran platziert werden. Anschließend starte der Innenausbau. Etwa Anfang August sollen die Container bezugsfertig sein: „Dann kommen die Möbel“, so Wagner.
Die ersten Bewohner können voraussichtlich am 24. August am Ostpreußendamm einziehen. Ursprünglich war allerdings geplant, die Unterkunft bereits Anfang April zu eröffnen. Das hügelige Gelände habe alle Beteiligten jedoch vor große bauliche Herausforderungen gestellt. Es sei problematisch gewesen, geeignete Standorte für die Container zu finden, ohne Mehrkosten durch Aufschüttungs- und Erdarbeiten zu verursachen. Hinzu komme der spezielle soziokulturelle Hintergrund der künftigen Bewohner. „Für die traumatisierten und kranken Flüchtlinge mussten wir besondere bauliche Voraussetzungen berücksichtigen“, fügt die Sprecherin der NTH Hilfe in Berlin hinzu.
Wenn im Sommer die beiden Containerunterkünfte in Betrieb gehen, werden in Steglitz-Zehlendorf einschließlich der Unterkünfte in Klingsorstraße und Goerzallee knapp 1000 Flüchtlinge wohnen – ausgenommen der Notunterkünfte in den Turnhallen, die laut Norbert Kopp bis dahin geräumt sein sollten. Im kommenden Jahr werden jedoch nach einer Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Berlin etwa 20.000 Flüchtlinge erwartet. Rund acht Prozent davon müssten hier im Bezirk untergebracht werden, sagt Kopp, macht insgesamt rund 1600 Plätze. „Im ehemaligen Krankenhaus Heckeshorn sind etwa 400 Plätze fest eingeplant“, sagt der Bürgermeister. Weitere Grundstücke und Gebäude seien im Gespräch, die er aber noch nicht öffentlich nennen könne.
Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.