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Helmut Kerch, Sprecher vom "Ökomenischen Willkommensbündnis Wannsee" (ÖWW) und pensionierter Jurist.
© Maike Edda Raack

Neue Unterkünfte in Berlin-Zehlendorf: Wannsee diskutiert über Zuzug von Flüchtlingen

9600 Einwohner und bald rund 1500 Flüchtlinge. Manche Anwohner in Wannsee machen sich Sorgen - das örtliche Willkommensbündnis kann diese sogar gut nachvollziehen. Am Mittwoch wird diskutiert.

Helmut Krech sagt diesen Satz sehr sachlich, aber er enthält auch eine Sorge: „Bei 300 Flüchtlingen läuft es gut. Ich kann aber nicht sagen, wie es bei 800, 1000 oder mehr Menschen aussehen wird." Helmut Krech ist Sprecher vom "Ökumenischen Willkommensbündnis Wannsee" (ÖWW), aber im Grunde ist er vor allem ein ehrenamtlich engagierter Bürger, dessen Aufgaben immer mehr anwachsen.

Zur Zeit sind zwei Heime in Wannsee bezogen, sagt er: Eine Sammelunterkunft für noch nicht registrierte Asylbewerber befindet sich in einem Waldstück am Ende der Straße Am Großen Wannsee, zurzeit sind dort 70 Menschen untergebracht. Im Bettenhaus der ehemaligen Lungenklinik am Heckeshorn leben seit dem 18. Dezember 229 Menschen zumeist syrischer Herkunft. „Derzeit laufen noch die Sanierungsarbeiten, so dass bis Ende des Frühjahrs dort insgesamt 330 Flüchtlinge wohnen sollen.“

Anfang Januar erhielt Krech eine Email vom Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), aus der hervorgeht, dass im Laufe des Jahres insgesamt 1500 Flüchtlinge in Wannsee angesiedelt werden sollen. „Wir waren bislang von einer Zahl um die 1000 ausgegangen. Diese Zahl war in einer Veranstaltung mit dem Bezirksbürgermeister am 18. Dezember genannt worden. Auf der Homepage des Senators für Soziales allerdings wurde damals schon die Zahl 1500 genannt, daher war das nicht so sehr überraschend für mich. Auch wenn wir eigentlich nicht von so hohen Zahlen ausgegangen waren.“

Die Email vom BIM macht nun differenzierte Angaben: Zwei ehemalige Schwesternwohnheime der ehemaligen Lungenklinik am Heckeshorn sollen saniert werden und dort insgesamt 100 Personen untergebracht werden, in den Häusern D und E des Klinikareals sollen insgesamt 350 Flüchtlinge Aufnahme finden. „Darüber hinaus sollen zwei so genannte Modularbauten errichtet werden, also Betonfertigbauten“, fügt Krech erklärend hinzu, „die Platz für jeweils 325 Menschen bieten.“ Macht insgesamt 1500 Flüchtlinge. Zum Vergleich: In Wannsee waren im Jahr 2014 laut Landesamt für Statistik gut 9600 Einwohner gemeldet.

Aufruf: Integration statt Massenunterkunft

Am morgigen Mittwoch (20. Januar) soll nun im Restaurant Sanssouci unweit der Flüchtlingsunterkünfte eine Anwohnerversammlung stattfinden. Dazu aufgerufen hat die Initiative „Wannsee 300“. Titel der Veranstaltung „Integration statt Massenunterkunft“. Laut Aushang sei das Ziel der Versammlung, sich auszutauschen über die geplante Unterbringung von 1500 Flüchtlingen und „Aktionen und Multiplikatoren zu definieren, um dann im Zusammenschluss unsere Forderungen bestmöglich durchzusetzen“.

Die Lungenklinik Heckeshorn in der Walterhöferstraße 11 in Berlin-Zehlendorf.
Die Lungenklinik Heckeshorn in der Walterhöferstraße 11 in Berlin-Zehlendorf.
© Thilo Rückeis

Die Initiatoren von Wannsee 300 selbst waren für den Tagesspiegel bislang nicht zu erreichen. Die Initiative hat sich aber, neben der direkten sozialen Flüchtlingshilfe vor allem um das Planungsrecht, den Bebauungsplan und die Verkehrsanbindung für die Flüchtlingsheime gekümmert, also um den behördlichen Teil der Flüchtlingsarbeit, wie Helmut Krech es nennt.

Das ÖWW kümmere sich direkt um die Menschen. „Wir teilen aber die Bedenken.“ Krech sagt, er verstehe, wenn Anwohner sich Sorgen machen und findet es daher „in Ordnung, dass Wannsee 300 zu der Anwohnerversammlung eingeladen hat. Sorgen sollen auch ausgesprochen werden, das ist doch im Sinne der Demokratie".

Denn gerade die hohe Zahl und die Art der Ansiedlung am Waldrand seien Faktoren, durch die ein sozialer Brennpunkt entstehen könnte: Wenn sehr viele Neuankömmlinge angesiedelt würden, die wenig Kontakte nach draußen haben und so nur unter sich bleiben. „Man kennt ja die Probleme aus anderen Ländern“, sagt Krech, der jahrelang in Frankreich gearbeitet hat. „Es wäre gut, wenn es gelingt, die Menschen besser zu verteilen und in kleinen Gruppen anzusiedeln. Dann kann die Integration gelingen.“ Schließlich werde die Integration umso schwieriger, je mehr Leute es zu integrieren gilt. „Wenn Tausende zusammen kommen, wird es immer schwierig. Man muss auf jeden Fall Instrumente finden, um Zustände wie in den Banlieues zu vermeiden.“

Auch im Zirkus waren sie mit den Flüchtlingen schon

Der gute Wille der Helfer in Wannsee sei jedenfalls sehr groß, „im Moment ist die Situation gut zu bewältigen. Es gibt eine friedliche Koexistenz. Wir wollen die Leute, die hier sind, ordentlich behandeln und uns um sie kümmern, damit sie sich in die Gesellschaft integrieren“.

So sammelt und verteilt das ÖWW Sachspenden, organisiert jeden Freitag ein Begegnungscafé, Sportaktivitäten und Sprachkurse. Auch im Zirkus waren sie schon mit Flüchtlingen, „um die soziale Behaglichkeit zu fördern“. 

Familie Krech wollte vor einigen Monaten selbst eine Flüchtlingsfamilie für ein halbes Jahr bei sich aufnehmen, aber ihr Vorhaben scheiterte daran, dass die Behörden dauerhafte Unterkünfte suchen. Aber nun galt Helmut Krech als eine Art „Flüchtlingsbeauftragter“ im Kirchenrat. Seine Tätigkeit für das ÖWW umfasst mittlerweile immer mehr Aufgaben: Beantworten der größer werdenden Zahl an Emails, Verfassen von Texten, das Organisieren von Anwohnerversammlungen sowie der Treffen der vier Arbeitsgruppen einmal im Monat.

Flur eines Gebäudes in der alten Lungenklinik Heckeshorn.
Flur eines Gebäudes in der alten Lungenklinik Heckeshorn.
© Thilo Rückeis

Drei Tage die Woche ist der eigentlich pensionierte, promovierte Jurist mit dem ÖWW beschäftigt, außerdem hat er noch zwei andere Ehrenämter und eine große Familie. „Der Umfang der Ehrenamtlichen ist kaum zu bewältigen.“ Auch wenn sich gerade jeden Tag neue Helfer melden, bis hin zur Übernahme von Patenschaften. „Man trifft hier tolle Leute, keine Naivlinge oder so genannte Gutmenschen. Dem Wannseer ist es wichtig, das Problem politisch an der Wurzel zu lösen, wir wollen den Menschen, die hier angekommen sind, aber auch helfen.“

Er wünscht sich für die Versammlung am Mittwoch, dass es gesittet zugehen möge, dass Sorgen vorgetragen werden, aber, dass „niemand an die Front geht“.

Termin: Anwohnerversammlung „Wannsee 300 – Integration statt Massenunterkunft“, Mittwoch, 20. Januar 2016, Restaurant Sanssouci, Am Großen Wannsee 60, 14109 Berlin, 19.15 Uhr.

Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint.

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