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Berlin: Architektur und Städtebau: Stadtplanung geht alle an!

Gute Ideen für den Städtebau? Die sind in Berlin selten. Und wenn doch mal jemand eine hat, kommt die Architektenkammer und beansprucht die Deutungshoheit für sich. Das muss anders werden. Ein Plädoyer für eine offene Debatte.

Kürzlich meldete sich das Wirtschaftsnetzwerk „Arbeitsgemeinschaft City“ zu Wort. Sie regte an, den Hardenbergplatz – diese unselige Abstellfläche vor dem Bahnhof Zoo – durch ein Hochhaus am hinteren Ende, beim Eingang zum Zoologischen Garten, optisch zu fassen. Einen Architekten hatte die AG City auch gleich zur Hand, Christoph Langhof – oder soll man sagen, der Architekt hatte die AG City zur Hand? Jedenfalls ist auf Langhofs Homepage genau dargestellt, wie das auf 52 Stockwerke und 205 Meter Höhe ausgelegte Gebäude vorzustellen wäre.

So weit, so gut. Es gab die erwartbar missgelaunten Reaktionen aus den Reihen der Berliner Lokalpolitik, die es überhaupt nicht gerne sieht, wenn jemand Ideen äußert (man hat schließlich selber keine). Und es gibt: die Architektenkammer Berlin, Zwangsverein für 6500 ortsansässige Architekten und Planer, die Mitglied sein müssen, um ihren Beruf ausüben zu dürfen. Eben das besagt der altertümliche Begriff der „Kammer“.

Wer so viele Mitglieder vertritt, der will sich naturgemäß auch hin und wieder äußern. Eine andere Frage ist, ob sich ein Kammerpräsident oder, wie derzeit, eine Präsidentin äußern darf, wenn sie doch Mitglieder repräsentieren, die nur von Gesetzes wegen dabei sind und nicht aus eigenem Antrieb wie etwa beim elitären Bund Deutscher Architekten. Kammerpräsidentin Christine Edmaier jedenfalls grollte der ideenfreudigen AG City: „Niemand muss sich wundern, wenn die Arbeitsgemeinschaft hier mithilfe eines Architekten selbst aktiv wird.“ Wundern, wieso wundern?

Doch es kommt noch besser: „Berlin scheint nach wie vor ein planerisches Vakuum darzustellen, so dass sich immer wieder Akteure berufen fühlen, Planungen zu lancieren, die eigentlich durch die öffentliche Hand mit transparenten Verfahren (...) vorangetrieben werden müssten.“ So Christine Edmaier, die, als Repräsentantin einer Körperschaft öffentlichen Rechts, also einer durch Gesetz geschaffenen Quasi-Behörde, offenbar allein der Politik und der Bauverwaltung das Recht zugesteht, Ideen zu Städtebau und Stadtgestaltung äußern zu dürfen. Und natürlich sich selbst.

Hochhäuser zeichnen? Jeder kann es tun!

Bernhard Schulz ist langjähriger Redakteur im Kulturressort des Tagesspiegels.
Bernhard Schulz ist langjähriger Redakteur im Kulturressort des Tagesspiegels.
© Kai-Uwe Heinrich

Falsch, ganz falsch, Frau Edmaier! Stadtplanung geht alle an. Und jeder Bürger und jeder Architekt und jede Arbeitsgemeinschaft und selbstverständlich auch jede Kammer, alle, alle sind berufen, sich dazu zu äußern. Vorschläge zu machen, Änderungen anzumahnen, Ideen einzubringen. Hochhäuser zu zeichnen oder auch Freiflächen, Straßen, keine Straßen, einfach alles, was einem zur Stadt einfallen mag.

Darüber zu entscheiden, ist etwas anderes. Dafür haben wir ein Parlament, in Berlin sogar zahlreiche Parlamente, die leider häufig die Dinge schleifen lassen, aber das wiederum kann der Bürger am Wahltag zu korrigieren suchen. Auf jeden Fall darf sich jedermann „berufen fühlen“, um Edmaiers herablassende Formulierung aufzugreifen, so eine richtige Funktionärsformulierung.

Demnächst wird der seit 2011 als Bausenator geparkte Ex-SPD-Parteichef Michael Müller zum Regierenden Bürgermeister gewählt, dann wird sich zeigen, ob seine drei Jahre im Amt des fürs Bauen zuständigen Senators zu einem Auftrieb in Sachen Stadtplanung führen. Seines Vorgängers Wowereits Lieblingsgebiet war dieses nicht – abgesehen von dem mit aller Macht forcierten Wunsch, seinen Heimatbezirk mit dem Großbau einer Landesbibliothek zu beglücken. Was bekanntlich am Widerstand der Bürger gescheitert ist, die für „100 % Tempelhofer Feld“ stimmten. Ja, durften die denn das? Einfach „selbst aktiv“ werden?

Ja, das durften sie, ob einen nun das Ergebnis freut oder nicht. Und die AG City durfte auch, nämlich mal eine Idee zu dem seit Jahrzehnten vernachlässigten Hardenbergplatz äußern. Und Architekt Langhof darf zeichnen, 52 Stockwerke oder hundert oder keines, ganz egal. Ideen sind willkommen, Frau Edmaier! Denn nur über Ideen lässt sich reden und streiten, auf dass am Ende etwas herauskommt für die Stadt und ihre Zukunft. Ein Denkverbot mag sich auferlegen, wer will. Aber dann bitte auch stille schweigen.

Der Text ist als Rant in unserer Samstagsbeilage Mehr Berlin erschienen.
Hier steht er im Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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