Steglitz-Zehlendorf: Interview mit der Bildungsstadträtin: „Seit 25 Jahren leben wir auf Kosten unserer Infrastruktur“
Wenn wir nicht bald erhebliche finanzielle Mittel in die Hand nehmen, wird unsere Infrastruktur zusammenbrechen - das sagt die Zehlendorfer Stadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) im Interview mit dem Zehlendorf Blog. Und was sie sonst noch sagt, lesen Sie hier.
Cerstin Richter-Kotowski (CDU) ist in Berlin geboren und hat am Droste-Hülshoff-Gymnasium in Zehlendorf Abitur gemacht. Die Volljuristin studierte in Dahlem an der Freien Universität Berlin (FU) Rechtswissenschaft. Seit 25 Jahren engagiert sie sich in der Berliner Politik, ist Mitglied im Landesvorstand der CDU. Cerstin Richter-Kotowski war vor der Bezirksreform in den 1980er Jahren Bezirksverordnete in Steglitz und später über zehn Jahre Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus. Seit 2006 ist sie die Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Bürgerdienste in Steglitz-Zehlendorf, 2011 kam das Schul- und Sportamt hinzu.
Eva-Maria Birth vom Freundeskreis der Stadtbibliothek fragt, in wieweit sich der Bezirk dafür einsetzt, dass die in die Jahre gekommenen, maroden Bücherbusse der Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf überholt oder ersetzt werden?
Mir ist diese Situation bekannt und ich werde mich dafür einsetzen, dass sich die Bezirksverordneten in der BVV damit auseinandersetzen. Denn ich möchte, dass die Bücherbusse erhalten bleiben. Sie sind eine wichtige Ergänzung zu den festen Standorten der Stadtbibliothek, gerade in einem Flächenbezirk wie Steglitz-Zehlendorf. Beide Bücherbusse zusammen haben pro Jahr vergleichbare Ausleihzahlen wie die Bibliothek von Lankwitz. Das ist enorm. Die jetzigen Busse sind wirklich schon sehr alt, sozusagen Oldtimer.
Das Problem ist aber nicht so sehr die Reparaturanfälligkeit, sondern eher, dass es keine Ersatzteile dafür mehr gibt. Außerdem muss man wissen, dass so ein Spezialbus eine Einzelanfertigung ist und rund 400.000 Euro kostet. Das will erst einmal finanziert werden.
Bärbel und Thomas Schaufuß fragen, warum es vor der Villa Bernadotte am Jungfernstieg in Lichterfelde-Ost keine Informationsstele zu Ehren von Manfred von Ardenne gibt, denn er hatte hier sein Forschungslaboratorium für Elektronenphysik?
Das ist eine super Idee, die ich aufgreifen werde. Soweit mir bekannt ist, hatte bisher noch niemand diese Idee. Wir werden das in der BVV diskutieren und dann umsetzen. Allerdings wird das nicht von heute auf morgen geschehen, weil wir, also der Bezirk, nur maximal zwei Stelen pro Jahr finanzieren können. Eine Info-Stele kostet etwa 8000 Euro, bei einem einseitigen Druck sind es etwa 4000 Euro.
Der Zehlendorf Blog fragt, wie es zu erklären ist, dass der Bezirk Steglitz-Zehlendorf den größten Sanierungsstau an Schulen in Berlin hat?
Wir waren einfach ehrlich und haben dem Senat gemeldet, wie die Situation an unseren Schulen ist. Was die anderen Bezirke gemacht haben, kann ich nicht beurteilen. Das Problem ist, in Steglitz-Zehlendorf gibt es viele denkmalgeschützte Schulgebäude. Allein das sorgt für einen hohen Sanierungsaufwand. Dann müssen die alten Räume umstrukturiert und den neuen, modernen Lehrmethoden angepasst werden. Auch das ist teuer. Und wir sollten auch die sanierungsbedürftigen Außenflächen dem Senat melden, zum Beispiel die Schulhöfe. Insgesamt ergab sich dann die Summe von etwa 400 Millionen Euro, die wir bräuchten, um alle Sanierungen abzuarbeiten. Grundsätzlich finde ich, dass wir seit 25 Jahren in jeder Hinsicht auf Kosten unserer Infrastruktur leben, weil das Land Berlin spart. Wir sollten endlich die Augen öffnen und ehrlich sagen, wie hoch der Sanierungsbedarf ist. Wenn wir nicht bald erhebliche finanzielle Mittel in die Hand nehmen, wird unsere Infrastruktur zusammenbrechen.
Der Zehlendorf Blog fragt weiter, ob der Bezirk in Bezug auf die Schulsanierungspolitik falsch oder zu dezentral organisiert ist? In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, dass sich in dem Bereich mehrere Abteilungen im Bezirksamt und die Bezirksstadträte den Schwarzen Peter zuschieben.
Es gibt klare Vorgaben vom Senat, die besagen, für was der Bezirk im Bereich Bildung zuständig ist. Im Amtsdeutsch nennen wir das die äußeren Schulangelegenheiten. Diese sind auf verschiedene Ämter verteilt. So werden die Außenanlagen bei den Schulen vom Grünflächenamt betreut, Sanierungen vom Hochbauamt, Planungen zu Schulneubauten vom Stadtentwicklungsamt und alles andere vom Schulamt. Dass der Schwarze Peter hin und her geschoben wird, kann ich nicht erkennen. Wir arbeiten gut zusammen. Zum Beispiel habe ich das so genannte Baucontrolling eingeführt. Das heißt, dass sich Vertreter des Hochbauamtes einmal pro Monat mit dem Schulamt treffen, um die Sanierungen zu planen. So halten wir die Reibungsverluste vergleichsweise gering.
Elternvertreter der Peter-Frankenfeld-Schule, eine staatliche Förderschule mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ in Steglitz-Zehlendorf, fragen, warum die Schule nicht wirklich behindertengerecht ausgestattet ist? Es werde immer über Inklusion geredet, aber bei Kindern mit geistiger Behinderung, teils auch mit schweren Mehrfachbehinderungen, habe man das Gefühl, sie stünden ganz unten auf der Prioritätenliste.
Ich kenne die Probleme vor Ort im Einzelnen nicht, werde das aber überprüfen. Natürlich muss diese Schule behindertengerecht ausgestattet sein. Dass wir als Bezirk uns derzeit sehr für Inklusion stark machen, heißt nicht, dass die Förderschulen hinten angestellt werden. Mein Wunsch ist, dass Kinder mit Beeinträchtigung in eine Regelschule integriert werden könnten, dass es aber gleichzeitig auch weiterhin Plätze in Förderschulen gibt; je nachdem, was die Eltern möchten.
Katharina Meyer fragt, ob es schon einen alternativen Standort für die dringend benötigte und geplante Schule am Osteweg gibt? Auf dem Grundstück soll eine weitere Containerunterkunft für Flüchtlinge entstehen.
Auf dem Grundstück sollte ein Ersatzneubau für die Kopernikus-Oberschule entstehen. Die Planungen dafür wurden allerdings schon 2011 eingestellt, weil der Bau zu teuer geworden wäre. Stattdessen wird die Kopernikus-Oberschule künftig an ihrem derzeitigen Ausweichstandort an der Lepsiusstraße langfristig bleiben. Das Gebäude dort wird entsprechend ausgebaut. Die Planungen dafür laufen bereits auf Hochtouren. Trotzdem brauchen wir im Bezirk absehbar eine weitere Integrierte Sekundarschule mit gymnasialer Oberstufe. Das haben wir im Blick und wir werden uns dafür einsetzen. Zum Beispiel könnte die neue Schule am Ostpreußendamm entstehen, wo jetzt erst einmal die neue Unterkunft für Flüchtlinge gebaut wird. Das ist eine zeitlich begrenzte Nutzung, planungsrechtlich bleibt der Standort ein Schulstandort.
Der Zehlendorf Blog fragt, was das Bezirksamt tun kann, um den durch die neuen Honorarregelungen überlasteten, freiberuflichen Musikschullehrern der Leo-Borchard-Musikschule entgegen zu kommen?
Was die Musikschullehrer als bürokratischen Mehraufwand empfinden, ist im Grunde nicht ganz neu. Seitens der Musikschule bestand schon immer der Anspruch, die Stunden zu dokumentieren; vor allem, wenn eine ausfällt. Die neue Regelung mit dem Einzelstundennachweis - vorher bekamen die Lehrer eine Pauschale - ist allerdings tatsächlich aufwendig. Um das zu vereinfachen, entwickeln wir derzeit neue Formulare. Außerdem arbeiten sich die Mitarbeiter der Musikschule gerade in eine neue Software ein. Wenn das alles gut funktioniert, wird es für alle Beteiligte einfacher.
Wolfgang Steller fragt, was aus den Gebäuden der Dahlemer Museen wird, wenn die Sammlungen in die Stadtmitte ziehen? In wieweit hat der Bezirk Ansprüche auf die Gebäude und gibt es inzwischen konkrete Nutzungsideen?
Wir haben keine Ansprüche auf die Gebäude, denn diese befinden sich im Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Allerdings macht sich der Bezirk von Anfang an für eine kulturelle Nachnutzung stark. Denn wir dürfen nicht den Fehler von Paris begehen, dass Kultur im Zentrum stattfindet und die Außenbezirke kulturell veröden. Gerade Berlin ist für seine Vielfalt in den Kiezen bekannt. Fest steht, dass der Bezirk die Gebäude nicht übernehmen kann, schon allein deshalb, weil der Sanierungsaufwand der Häuser sehr hoch ist. Es gibt jetzt unterschiedliche Ideen für eine Nachnutzung, die jeweils in einem kulturellen Kontext stehen. Ich spreche darüber regelmäßig mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Andreas Scheele fragt, ob das Bezirksamt über kulturelle Alternativstandorte nachdenkt, wenn das Alliiertenmuseum nach Tempelhof zieht?
Die Situation ist ähnlich wie bei den Dahlemer Museen. Das Alliiertenmuseum gehört dem Bund. Auch hier können wir als Bezirk leider keine Entscheidungen treffen. Der Unterschied ist jedoch, dass es bis jetzt keine konkreten Umzugspläne gibt. Zwar habe ich gehört, dass es beschlossen sein soll, dass das Museum nach Tempelhof zieht, aber wann, ist offen. Wir müssen also erst einmal abwarten, bis das konkret wird und uns dann mit den Verantwortlichen zusammensetzen.
Der Zehlendorf Blog fragt, warum seit kurzem in den Bürgerämtern von Steglitz-Zehlendorf nur noch Kunden nach Terminvereinbarung bedient werden? Der Bezirksbürgermeister sagte kürzlich, dass er es richtig finde, nicht nur Termine zu vergeben, sondern auch Spontankunden anzunehmen.
Da sind wir einer Meinung. Wir erproben seit Anfang Dezember ein neues Modell und müssen sehen, ob sich das bewährt. Es gibt jetzt mehr Termine als bisher, die online buchbar sind. Wir haben zum Beispiel eine neue Zwölf-Minuten-Taktung entwickelt; vorher waren es 15 Minuten. Parallel gibt es aber weiterhin so genannte interne Termine für Kunden, die spontan in die Bürgerämter kommen.
Unser erster Leser-Fragen-Aufruf auf dem Zehlendorf Blog geht mit dem heutigen Interview zu Ende. Wir möchten Ihnen, liebe Userinnen und User für Ihre vielen, interessanten Fragen an die Bezirksstadträte danken und hoffen, dass Ihnen die Serie gefallen hat! Aus unserer Sicht war es ein erfolgreiches Experiment, das wir gerne fortsetzen würden. Das geht aber nicht ohne Sie! Geben Sie uns deshalb gerne eine Rückmeldung, ob Sie sich weitere Projekte mit Leserbeteiligung auf dem Zehlendorf Blog wünschen? Was würden Sie anders machen? Wir freuen uns auf Ihre Ideen und Anmerkungen. Schreiben Sie uns gerne entweder einen Kommentar hier unter das Interview oder eine E-Mail an zehlendorf@tagesspiegel.de.
Die Autorin des Interviews ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt seit Januar 2014 als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf-Blog des Tagesspiegels.