zum Hauptinhalt
Am frühen Donnerstagmorgen mussten die Flüchtlinge und ihre Unterstützer die Schlafsachen zusammenpacken und in einen Laster bringen.
© dpa
Update

Flüchtlingsdemo in Berlin-Kreuzberg: Schlaflager auf Oranienplatz beseitigt - Flüchtlinge wollen bleiben

Die Räumung des Schlaflagers am Oranienplatz verlief zunächst friedlich. Doch als die Polizei einen Flüchtling kurzzeitig festnahm, gab es eine spontane Sitzblockade. Die Flüchtlinge wollen auch weiterhin bleiben.

Seit 6.45 Uhr war die Polizei mit einer Hundertschaft am Oranienplatz im Einsatz, aktiv werden musste zunächst aber nur das "Kommunikationsteam". Die Beamten übergaben den Flüchtlingen ein Schreiben der mit Auflagen der Versammlungsbehörde. "Wir fordern die Demonstranten auf, einen Zustand wiederherzustellen, der einer Mahnwache entspricht", sagte der Pressesprecher der Polizei Stefan Redlich. "Für ein Schlaflager können sich die Demonstranten nicht auf das Versammlungsrecht berufen." Dazu sei eine Genehmigung nötig. Die Flüchtlinge und ihre Unterstützer könnten aber weiter dort demonstrieren, auch nachts. "Und wenn mal kurz jemand auf einer Bank einnickt, ist das auch kein Problem", sagte Redlich.

Seit der Räumung des Flüchtlingscamps auf dem Oranienplatz am 8. April hat eine Gruppe von Flüchtlingen auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes eine Mahnwache eingerichtet. Kurze Zeit später kam außerdem ein Schlaflager hinzu. Auf einer etwa 25 Quadratmeter großen Plane übernachteten die Demonstranten, und hatten sich mit Schlafsäcken und Matratzen auf einen längeren Aufenthalt eingerichtet.

Gegen 10 Uhr räumte die Polizei den Rest des Schlaflagers

Bis etwa 9 Uhr verlief die Räumung friedlich. Die Flüchtlinge hatten einen Teil ihrer Sachen, etwa 30 blaue Säcke voll, in einen Laster geräumt, der von der Polizei bereit gestellt wurde. "Wir haben den Flüchtlingen angeboten, die Sache an einen von ihnen gewählten Ort zu fahren", sagte Redlich. "Nichts wurde beschlagnahmt, sie können alles später wieder abholen." Jeder Demonstrant dürfe ein Sitzkissen, eine Decke oder einen Schlafsack gegen die Kälte und einen Regenschirm behalten.

Auch nachdem ihre Schlafplätze weggeräumt wurden, demonstrieren die Flüchtlinge am Oranienplatz weiter.
Auch nachdem ihre Schlafplätze weggeräumt wurden, demonstrieren die Flüchtlinge am Oranienplatz weiter.
© Sara Schurmann

Die Flüchtlinge fühlten sich überrollt vom unangekündigten Besuch am frühen Morgen. Sie wüssten selbst nicht, wo sie die Sachen auf die Schnelle hinbringen lassen sollten. Als die Polizei ihnen anbot, die Sachen irgendwo zwischen zu lagern, waren sie misstrauisch. Als es von Seiten der Polizei gegen zehn Uhr hieß, der LKW müsse jetzt los, alles solle schnell geräumt werde, beschlossen die Flüchtlinge, sich auf die Plane zu setzen und die Räumung zu blockieren, erzählen Unterstützer. "Da haben wir aufgehört zu diskutieren und uns dazu gesetzt."

Um kurz nach zehn hoben knapp 30 Polizisten etwa zehn Protestierer von der Plane und trugen den Rest in den Lastwagen, der wenige Minuten später zum Haus Bethanien losfuhr, um die Sachen dort abzuladen. Bis dahin blieb die Räumung weitgehend friedlich.

Dann nahm die Polizei einen Flüchtling fest

Für elf Uhr hatten die Flüchtlinge ohnehin eine Pressekonferenz geplant, auf der sie über ihr Gespräch mit den Integrationsbeauftragten des Bundes und des Senats, Aydan Özoguz und Monika Lüke, berichten wollten. Dieses hatte erst am Mittwoch stattgefunden. Sie hatten das Mikro gerade eingeschaltet, als aus dem Büschen am Legiendamm Schreie zu hören waren. Die Unterstützer rannten sofort in den Bereich, in dem vier Einsatzwagen der Polizei standen und gerade einer der Flüchtlinge festgenommen wurde. "Patrick hat nur in die Büsche gepinkelt, als sie ihn gewaltsam herauszogen und festnahmen", berichtet einer der Unterstützer, der auch gerade auf dem Weg in die Büsche war. Mehrere Polizisten hätten den Mann mit heruntergelassener Hose aus dem Gebüsche gezogen und geschlagen, berichtet dieser. Von Gegenwehr könne keine Rede sein. "Und das alles wegen einer geringen Ordnungswidrigkeit." Als sich der Wagen mit dem festgenommenen Flüchtling in Bewegung setzte, um ihn zur Gefangenensammelstelle zu bringen, ließen sich die Flüchtlinge und ihre Unterstützer spontan zu einer Sitzblockade nieder und versuchten, den Abtransport zu verhindern. Kurze Zeit später holten gut 15 Polizisten den Mann aus dem Einsatzwagen, brachten ihn in ein anderes Auto und verließen den Platz.

Die Polizei schildert die Situation ähnlich. Der Mann habe in die Büsche uriniert, sei aufgefordert worden, dies zu unterlassen und habe daraufhin die Beamten beleidigt und in ihre Richtung geschlagen. Daraufhin hätten Polizisten die Personalien des Mannes feststellen wollen, dies sei nicht möglich gewesen. Bei Asylbewerbern ohne Papiere ist dies bekanntlich schwierig. Daher sei der mit auf eine Polizeistation genommen worden. Mittlerweile sei er wieder frei. Die Polizei zeigte ihn wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung an.

Flüchtlinge wollen auf Oranienplatz ausharren

Gegen zwölf Uhr gaben die Flüchtlinge dann doch noch eine Pressekonferenz. Sie seien enttäuscht, wie die Räumung verlaufen sei und fühlten sich unter Druck gesetzt, sagte einer der Flüchtlinge. Im Gespräch mit Özoguz und Lüke, hätten sie drei Forderungen gestellt: Die Flüchtlinge wollen die Gerhart-Hauptmann-Schule nicht verlassen, sie bestehen auf das Infozelt - und sie wollen zwei Zelte zurück. Die ersten beiden Forderungen seien bereits erfüllt, bei der dritten habe Özoguz keine Handhabe.

Nun wollen sich die Flüchtlinge an Bundesinnenminister Thomas de Maizière wenden. Am Freitag komme ein Team der Bundesintegrationsbeauftragen vorbei, um ihnen zu helfen, einen Brief an den Innenminister zu formulieren und um ein Gespräch zu bitten. Auch seien weitere Gespräche mit Özoguz vereinbart. "So lange bleiben wir hier."

Nach einem ersten Gespräch mit Özoguz Ende April hatten die Flüchtlinge ihren Hungerstreik unterbrochen. Özoguz habe auch weiterhin ihre Hilfe angeboten, auszuloten, welche Möglichkeiten es für die Flüchtlinge gibt, aber auch die Grenzen dessen aufzuzeigen.

Die Durststreikenden am Alexanderplatz harren weiter aus

Die Flüchtlinge am Alexanderplatz wollen ihren Durststreik auch weiterhin durchziehen, "bis unsere Forderungen positiv beantwortet werden", sagte einer der Flüchtlinge am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. "Oder bis einer stirbt." Seit Samstag sind die Männer aus Afrika im Hungerstreik, seit Dienstag Mitternacht haben sie nichts getrunken. Vier der 14 Streikenden waren am Mittwoch ins Krankenhaus gebracht worden. Die Flüchtlinge hatten dies selbst entschieden: "Wenn einer von uns umkippt, rufen wir den Rettungswagen." Kurz nach 14 Uhr kam der erste von ihnen zur Gruppe zurück, auch die anderen drei wurden am Donnerstag zurückerwartet. Noch sei niemand von den Landes- oder Bundesbehörden zu ihnen gekommen, um sich ihre Forderungen anzuhören. Auf anderem Wege haben die Flüchtlinge nicht versucht Kontakt aufzunehmen: "Sie wissen, dass wir hier sind, unsere Forderungen sind öffentlich."

Zur Startseite