Flüchtlinge in Berlin-Kreuzberg: Mahnwache harrt weiter vor Hauptmann-Schule aus
Eine Mahnwache, verstärkte Polizeipräsenz: In Kreuzberg stehen die Zeichen auf baldige Räumung der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule. Einen Termin nannte die Bezirksbürgermeisterin zwar nicht, es wird aber keine "künstliche Verlängerung" geben. Die Lage vor Ort ist aber ruhig.
In der Auseinandersetzung um die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg bereiten sich jetzt alle Seiten auf eine offenbar in Kürze bevorstehende Auseinandersetzung vor. Sowohl am Dienstag als auch am Mittwochmorgen war die Lage vor Ort angespannt, aber ruhig. Ein Polizeiwagen fuhr auf und ab - wie immer. Von Räumungskommandos war nichts zu sehen; nahe der Schule warteten Demonstranten.
Am Montagabend hatte sich spontan eine Gruppe von Flüchtlings-Aktivisten vor der Schule versammelt, um gegen die bevorstehende Räumung zu protestieren. Nach einem Gespräch mit der Polizei meldeten sie offiziell eine Mahnwache an, wie das Lagezentrum am Abend bestätigte. Während am frühen Abend noch von 150 Unterstützern die Rede war, gab die Polizei um kurz nach 22 Uhr an, dass sich bereits 200 Personen vor der Schule versammelt hätten. Zahlreiche zusätzliche Beamte waren im Einsatz, um die Zugänge zur Schule freizuhalten.
Bis 23.30 Uhr wurden mehrere Platzverweise ausgesprochen und kleine Gruppen von der Fahrbahn gedrängt. Dabei wurden Polizisten mit Pfefferspray attackiert. Gegen 1 Uhr beruhigte sich Lage. Insgesamt wurden neun Beamte verletzt. Eine Person wurde auf Grund eines bestehenden Haftbefehls festgenommen. Es wurden mehrere Strafverfahren, unter anderem wegen des Widerstandes gegen Vollzugsbeamte und gefährlicher Körperverletzung, eingeleitet.
Ein Räumungsersuchen des Bezirks lag aber laut Polizeisprecher bis zum späten Abend nicht vor.
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hatte tagsüber eine „zeitnahe Räumung“ der Schule angekündigt, sollten die 45 Flüchtlinge die Schule nicht freiwillig verlassen. „Es gibt keine künstliche Verlängerung“, sagte die Grünen-Politikerin. Einen konkreten Räumungstermin nannte Herrmann nicht. „Wenn alle Angebote abgelehnt werden, wird ein Amtshilfeersuchen bei der Polizei gestellt“, sagte Herrmann. Dafür gebe es einen Beschluss des Bezirksamtes.
Kritik an den Unterstützern
Bislang hat keiner der Flüchtlinge von dem Angebot des Bezirksamtes Gebrauch gemacht, einen Gutschein für die Unterbringung in einem Hostel für vier Wochen abzuholen. Dieses Angebot bestand auch an diesem Montag noch. Eine Frist nannte Herrmann auf Anfrage nicht. Die Flüchtlinge erklärten sich nicht bereit, das Gebäude freiwillig zu verlassen. Unterstützergruppen kündigten Widerstand gegen eine Räumung an. Herrmann kritisierte die Aktivisten scharf. Man habe oft miteinander gesprochen, wie das Gebäude genutzt werden könne. „Zu einem zielgerichteten Ergebnis ist es nicht gekommen. Wir waren offen für alle Vorschläge. Es ist viel gesagt worden, aber es ist nichts passiert.“ Was die Unterstützerszene jetzt unternehme, sei „suboptimal“.
Der Bezirk will die Schule in ein Flüchtlingszentrum umgestalten. Die Diakonie wurde im Oktober als freier Träger gefunden. Das Gebäude soll der Diakonie in Erbbaupacht überlassen werden. Die Baukosten in Höhe von fünf Millionen Euro will die Diakonie aus Krediten finanzieren.
Teurer Wachschutz
Refinanziert werden sollen die Kosten über die Tagessätze, die das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) dem Träger erstattet. Der Umbau soll bis Sommer 2016 dauern. Auf drei Etagen sollen verschiedene Gruppen von Flüchtlingen untergebracht werden. Im ersten Obergeschoss soll eine Etage für 48 Frauen eingerichtet werden. Die zweite Etage soll familiengerecht ausgebaut werden. Insgesamt können dort laut Pläne etwa 60 Personen untergebracht werden. Das dritte Geschoß soll ausschließlich für 42 männliche Flüchtlinge bestimmt sein.
Der Bezirk hat von Januar bis Juli diesen Jahres rund 500.000 Euro für die Schule aufbringen müssen: Strom-, Wasser-, Gaskosten, Schneebeseitigung und teilweise für den Wachschutz. Dieser schlage allein mit monatlich 130.000 bis 160.000 Euro zu Buche, sagte Finanzstadträtin Jana Borkamp (Grüne).
Sabine Beikler, Lars von Törne, Hannes Heine