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Berlin, meine Bühne. Lili Sommerfeld hat gerade noch rechtzeitig einen Produzenten für ihre Dance-Nummer gefunden – eigentlich verdient die 26-Jährige mit Soul-Musik ihr Geld.
© Jörn Hartmann

Kreuzberg siegt im Gesangswettbewerb: Lili Sommerfeld gewinnt Berlin Song Contest

Britz gegen Weißensee, Buch gegen Mitte – Berlins erster Song Contest ist entschieden. Im Gesangswettbewerb der Ortsteile wählte das Publikum im Schwuz Lili Sommerfeld aus Kreuzberg auf den ersten Platz.

Der kurze glitzernde Rock fliegt in die Luft, als Lili Sommerfeld in die Arme ihres Backgroundtänzers springt. Doch das schwarz-goldene Tanzoutfit darunter sitzt und wackelt auch nach der Hebefigur im Gleichschritt der beiden Backroundtänzer hin und her. „ Freedom Is The Only Chance / The War Is Over When We Dance“ singt die 26-Jährige ins Mikrofon. Ein Song, der nicht mehr aus dem Ohr geht, zum Tanzen einlädt. Das Publikum erkennt das schnell und wippt begeistert mit.

Was so aussieht wie ein typischer Beitrag beim Eurovision Song Contest, ist auch fast einer – nur dass beim ersten Berlin Song Contest (BSC) nicht europäische Staaten gegeneinander antreten, sondern Berliner Ortsteile. Statt Italien, Aserbaidschan und Finnland 12 Points, heißt es hier Schmöckwitz, Fennpfuhl und Gropiusstadt 12 Points. Beim ESC-Gucken im vergangenen Jahr hatte Organisator Chris Rudolph die Idee für den BSC. „Schönefeld – douze points, das wäre doch lustig“, dachte Rudolph und entschied: „So etwas brauchen wir auch in Berlin.“

Von Herbst bis Dezember gingen nach einem Aufruf mehr als 50 Songvorschläge aus den Berliner Ortsteilen ein. Voraussetzungen für Profis und Laien gab es nicht viele: Ein eigener Song, den man live performen kann – und natürlich ein Wohnsitz in Berlin! Eine sechsköpfige Jury aus Musik und Medien wählte die 20 besten Einsendungen aus. Bei den beiden Halbfinalen am 10. und 11. April konnten sich zehn Finalisten durchsetzen, die am Ostersamstag gegeneinander antraten.

Lili Sommerfeld für Kreuzberg

Lili Sommerfeld hat es geschafft. Mit Abstand holte die Kreuzbergerin am Sonnabend im „Schwuz“ die meisten Punkte für ihren Ortsteil. Die Location passte perfekt. Denn genau in diesem Club, damals noch am Mehringdamm, entstand im vergangenen Sommer ihr Wettbewerbssong. „Mir ging es nicht gut und dann habe ich im Schwuz einfach getanzt.“ Plötzlich ging ihr diese Zeile durch den Kopf: The war is over when we dance. „Durch das Tanzen waren meine Sorgen einfach verschwunden.“

Sommerfeld erzählt von ihren durchgemachten Nächten, die nötig seien, um Probleme auch mal zu vergessen, in dem man sich die Nacht um die Ohren schlägt und dabei die Lust am Leben wiederfindet und einfach mal unvernünftig ist. All das möchte die Kreuzbergerin in ihrem Song vermitteln, den sie innerhalb weniger Tage nach dem Schwuz-Besuch am Klavier komponierte. Zwei Wochen später erfuhr Sommerfeld zufällig vom BSC und dachte: Dieser Song Contest ist wie für mich gemacht.

Fast hätte es trotzdem nicht geklappt. Denn Lili Sommerfeld fand erst zwei Wochen vor Einsendeschluss einen Produzenten, der aus der Akustiknummer die heutige Version als Elektro-Pop-Song mischte. Tanzbar sollte er sein, so wie der Song auch entstand.

Unter ihren Freunden fand die Sängerin schnell begabte Schneider für das schwarz-goldene Outfit und Tänzer. Seit Anfang des Jahres wurde geprobt – am meisten Schwierigkeiten bereitete die Hebefigur: „Ich habe noch nie auf der Bühne getanzt, das war eine große Herausforderung für mich“, sagt Sommerfeld, die sich sonst Soul-Musik macht.

Bezirk mit internationalem Flair

Kreuzberg, das ist für die Sängerin nicht nur der Ortsteil, für den sie antritt, sondern auch ihre Heimat: „In Kreuzberg kann jeder so sein, wie er ist. Deswegen lebe ich hier“, sagt Sommerfeld im Einspieler, der kurz vor ihrem Auftritt gezeigt wird. Das internationale Flair schätzt die Kreuzbergerin an ihrem Kiez und bringt selbst eine internationale Vergangenheit mit: In Charlottenburg geboren, wuchs die Halb-Israelin in Rom und München auf, studierte in Boston und Tel Aviv Musik – und lebt heute davon.

Im Finale waren neben Sommerfelds Elektro-Pop-Nummer auch Soul, Hip Hop und Folklore zu hören sein. Auch Rockballaden und hausgemachte Akustikmusik schafften es in die Top Ten des BSC. Neben Organisator Rudolph wird Gisela Sommer durch den Abend führten, die schon bei den Halbfinals in der vergangenen Woche das Publikum mit ihrer Berliner Schnauze zum Lachen gebracht hatte.

Abgestimmt wurde mit Votingkarten, mit denen das Publikum zwölf, acht und vier Punkte vergeben kann. Am Ende entschieden jeweils zur Hälfte Zuschauer und Jury. Die Karten gab es nicht gratis, ein Euro – freiwillig mehr – kosteten sie, die Einnahmen spendet der BSC an den Verein Quarteera, der russischsprachige Lesben und Schwule in Berlin unterstützt.

Rudolph möchte nächstes Jahr gern in die zweite Runde gehen. Doch dafür muss erst ein Sponsor gewonnen werden. Den diesjährigen BSC zahlten die Organisatoren aus eigener Tasche.

Und das sind die anderen Gewinner:

Jury-Gewinner:  "Stay" (Carmen Underwater) für Gropiusstadt.

Die Top 3 des Publikum-Votings:

Platz 1: "The war is over is over when dance " (Lili Sommerfeld) für Kreuzberg mit 1192 Punkten

Platz 2: "I don't know" (Maitri) > Friedenau mit 756 Punkten

Platz 3:  "Ich Seh Dich" (Naëma) > Fennpfuhl mit 728 Punkten

Katharina Fiedler

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