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Viele Schulen werden so selten geputzt, dass die Schüler selbst mit anpacken müssten, wenn sie einen sauberen Klassenraum haben wollten. Unsere Kinderreporterin Sonja hat mal ausprobiert, wie das geht.
© Kitty Kleist-Heinrich

Friedrichshain-Kreuzberg: Kampfansage an Billigputzdienste in Schulen

Friedrichshain-Kreuzberg will keine Dumpingfirmen bei der Schulreinigung mehr. Doch eine berlinweite Regelung ist nicht in Sicht. Unter anderen Neuköllns SPD-Bürgermeister Heinz Buschkowsky erteilt seinem Parteikollegen Peter Beckers eine Absage.

Friedrichshain-Kreuzberg will aus den schlechten Erfahrungen bei der Schulreinigung lernen und Dumpingfirmen künftig den Weg in seine Schulen versperren: „Wir werden besser sein als beim letzten Mal“, verspricht Bildungsstadtrat Peter Beckers (SPD) im Hinblick auf die unzähligen Beschwerden über unhygienische Zustände in seinem Bezirk. Er kann allerdings nicht darauf hoffen, dass er bei der nächsten Ausschreibung Hilfestellung durch eine berlinweite Musterausschreibung erhalten wird. Nach Tagesspiegel–Recherchen ist bislang kein Bezirk bereit, dafür die Federführung zu übernehmen.

Die AG Schulreinigung wartet noch immer auf ihren Einsatz

„Ich halte die Idee einer Musterausschreibung nicht für zielführend. Sie würde das in einigen Bezirken bestehende offenkundige Problem auch nicht lösen“, erteilt Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) dem Ansinnen seiner Parteifreunde Beckers und Mark Rackles eine klare Absage. Bildungs-Staatssekretär Rackles hatte an die Bezirke appelliert, „federführend eine Musterausschreibung zu erarbeiten“. Die eigens dafür ins Leben gerufene Arbeitsgruppe aus Bezirks-, Gewerkschafts- und Innungsvertretern wartet allerdings vergeblich darauf, erneut zusammengerufen zu werden.

Auch aus dem Norden ist keine Hilfe zu erwarten: „Ich sehe mich nicht in der Verantwortung“, weist Reinickendorfs Bürgermeister Frank Balzer (CDU) die Aufgabe zurück. Dass er sich „nicht angesprochen fühlt“, hat damit zu tun, dass sein Bezirk – anders als Friedrichshain-Kreuzberg – keine Probleme mit schwarzen Schafen hat. Ebenso wie in Tempelhof-Schöneberg erhält in Reinickendorf nicht automatisch der billigste Anbieter den Zuschlag. Vielmehr entscheidet der Preis nur zu 70 Prozent. Zu 30 Prozent kann man Qualitätskriterien wie etwa die vom Anbieter veranschlagte Stundenzahl bei der Zuschlagserteilung mit hinzuziehen.

Wohin es führen kann, wenn die Ausschreibung ausschließlich über den Preis geht, war exemplarisch in Friedrichshain-Kreuzberg zu besichtigen. Dort unterbot eine Reinigungsfirma alle anderen Mitbewerber durch ein sensationell günstiges Angebot: Plötzlich kostete die Reinigung aller Schulen des Bezirks statt drei nur noch zwei Millionen Euro, wie eine Anfrage der Grünen Abgeordneten Gülten Alagöz im Bezirksparlament jetzt ergab. Das Ergebnis dieser über 30-prozentigen Einsparung konnte man vergangenes Jahr besichtigen, als 14 Schulen so lange auf die Barrikaden gingen, bis sie eine andere Reinigungsfirma bekamen.

Eine Musteranfrage der Grünen durchleuchtet die Lage in den Bezirken

Auch die grüne Bildungsexpertin im Abgeordnetenhaus, Stefanie Remlinger, ist alarmiert und hat daher in mehreren Bezirksparlamenten durch die bildungspolitischen Sprecher ihrer Partei Musteranfrage stellen lassen. Dabei kam nicht nur die oben genannten Millioneneinsparung in Friedrichshain-Kreuzberg ans Licht, sondern auch heraus, dass der Bezirk nur eine dreiviertel Stelle in die Kontrolle, das Beschwerdemanagement, die Sanktionen und die Rechnungsbearbeitung der Schulreinigung investiert. Für vergaberechtliche Fragen steht sogar "grundsätzlich kein Personal zur Verfügung", ließ Stadtrat Beckers wissen. Deshalb sei sein Bezirk auf die externe Unterstützung des Bezirksamtes Lichtenberg angewiesen.

Nicht nur Lichtenberg leistet sich Personal für diesen Bereich. Auch Spandau hat einen "absoluten Fachmann" mit der Vergabe betraut, berichtet Schul- und Sportamstleiter Horst Lorenz. Dieser Fachmann sorge dafür, "dass nicht der billigste, sondern der wirtschaftlichste Anbieter zum Zuge kommt". Lorenz hält es für richtig, dass die bundesweiten DIN-Vorgaben für die Schulreinigung derzeit überarbeitet werden.

Die Eltern in Friedrichshain-Kreuzberg fordern aufgrund der schlechten Erfahrungen in ihrem Bezirk eine Musterausschreibung für die Schulreinigung. Sie sehen es nicht ein, dass jeder Bezirk „sein eigenes Süppchen kocht“ und die Kinder und Lehrer dann dieses Süppchen auszulöffeln haben. Deshalb wünschen sie sich vom Senat, dass er – ähnlich wie beim Schulessen – die Verantwortung für eine berlinweite Musterausschreibung übernimmt. Das lehnt die Bildungsverwaltung allerdings ab, da die Bezirke als Schulträger eindeutig für ihre Gebäude und deren Reinhaltung zuständig sind. Die Bezirke brauchten keinen „Papa“, der sich um die Reinhaltung der Schulen kümmert, findet auch Reinickendorfs Bildungsstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU). „Wir haben gerade erst ausgeschrieben, uns würde eine Musterausschreibung nicht nutzen“, betont auch die Bildungsstadträtin von Mitte, Sabine Smentek (SPD).

Heinz Buschkowsky weiß, "wie man die Schlacht gewinnt"

Ohne eine wasserdichte Ausschreibung geht gar nichts

„Bezirksämter sollten mit ihrem fachkundigen Personal durchaus in der Lage sein, eine Dienstleistung auszuschreiben und einen wasserdichten Vertrag abzuschließen“, findet Buschkowsky. Er kümmert sich in seinem Bezirk Neukölln selbst um das gesamte Verfahren und setzt sich auch mit den Schulen auseinander, wenn es Beschwerden gibt. „Entscheidend“ seien die Kontrollen vor Ort, das Nutzerverhalten und die Sanktionen bei Schlechtleistung. „Werden die drei Punkte konsequent durchgehalten, ist die Schlacht gewonnen“, lautet Buschkowskys Erfahrung.

Kontrolle und Sanktionen sind allerdings nur dann ergiebig, wenn es eine wasserdichte Ausschreibung gibt, die nicht allzu viel Platz für Interpretationen lässt. Dies war in Friedrichshain-Kreuzberg allerdings nicht der Fall, so dass man dem kritisierten Anbieter nicht einmal kündigen, sondern sich nur im gegenseitigen Einvernehmen von ihm trennen konnte. Die Folge ist, dass er in keinem Verzeichnis für „Schlechtleister“ auftauchen kann und eben erst eine Ausschreibung in Steglitz-Zehlendorf gewonnen hat.

Die Eltern wollen sich nicht mehr alles bieten lassen

Falls sich das Desaster von Friedrichshain-Kreuzberg wiederholen sollte, werden Eltern und Schulen schnell die Geduld verlieren und sich zu wehren wissen. „Es ist bereits eine richtige Bewegung entstanden“ konstatiert Landeselternsprecherin Lieselotte Stockhausen-Döring. Die aus Friedrichshain- Kreuzberg hervorgegangene AG „Schulschmutz“ bekommt bereits berlinweit Unterstützung. Eines hat sie inzwischen erreicht: Ihr Bezirk will es bei der nächsten Ausschreibung so machen wie jene Bezirke, die bei der Ausschreibung auch die Qualität berücksichtigen. Aber die Federführung für eine Musterausschreibung will auch Bildungsstadtrat Beckers nicht übernehmen. „Wir haben dafür kein Personal“, wehrt er den Appell des Staatssekretärs ab, zumal Friedrichshain-Kreuzberg sich bereits als Modellbezirk beim Thema Schulessen personell engagiere.

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