Tausende vom Havelausbau betroffen: In Spandau entsteht Berlins neue 10-Kilometer-Baustelle
Radfahrer, Feuerwehr, Restaurantschiff: Das Großprojekt des Bundes hat Auswirkungen auf Tausende Menschen und den ganzen Bezirk Spandau. Hier nennt der Chef die Pläne und Termine.
Gummistiefel und Bauhelm parat? Dann los, auf in den Berliner Westen - zur stolzen Havel, die einmal quer durch Spandau verläuft. Und Spandaus längste Baustelle ist 10 Kilometer lang und pitschnass.
Es geht um den Ausbau der Berliner Havel zwischen der Spandauer Schleuse und Scharfer Lanke, oder für die Kenner: Pichelsdorfer Gmünd. Die Havel soll saniert, vertieft, umgebaut werden. Und eigentlich sollte es im Frühjahr 2021 losgehen. Aber daraus wird nix.
Die neuen Terminpläne erklärte jetzt Rolf Dietrich am Telefon des Spandau-Newsletters vom Tagesspiegel. Er ist der Chef des „Wasserstraßenneubauamtes“ (eine Bundesbehörde): ein unaufgeregter Typ mit großem Portemonnaie - die Baustelle in Spandau kostet 57 Mio Euro.
Was wird am Fluss eigentlich gemacht? Neue Spundwände werden in den Boden gerammt. Das Ufer soll an vielen Stellen ökologisch verbessert werden – lose Natursteine sollen den Fischen Schutz bieten.
„Wir reden von 20 Kilometer neuer Uferwand“, sagt Dietrich dem Tagesspiegel-Newsletter für Spandau. „Wir werden diese ersten Bauleistungen jetzt im Frühjahr 2021 ausschreiben und wollen auch noch im Jahr 2021 mit der Bauausführung beginnen." Tendenz: Spätherbst.
Diese Baustelle betrifft Tausende. Güterschiffe, Sportboote, aber auch Rudervereine, Wassertourismus, natürlich alle Nachbarn, selbst die Berliner Feuerwehr. Die hat nämlich ihren Anleger fürs Berliner Löschboot am Südhafen. Auch das Ufer wird erneuert.
Und was macht das Restaurantschiff? Das soll das Ufer der Altstadt beleben - dort bekommt man sonst nicht mal einen Café. Für das Restaurantschiff soll eine Art Parklücke an Spree Ecke Havel gebaut werden, gleich neben der Charlottenbrücke. Und wann?
„Die durch den Bezirk geplante Liegestelle für ein Restaurantschiff vor der Geschützgießerei befindet sich im zweiten Baulos, für welches wir derzeit mit einem Baubeginn im Jahr 2023 rechnen.“ Vor 2025 wird es also nix mit dem Restaurantschiff in Berlin-Spandau. Im Rathaus hatten sie mal geträumt, dort 2021 die ersten Krabbensuppe zu servieren. Aber die schmeckt vielleicht auch kalt. Und ein Restaurantschiff muss auch erst einmal gefunden werden. Das letzte Boot aus Köpenick war durch den Tüv gefallen- auch das war schon Thema im Spandau-Newsletter.
[Sie interessieren sich auch für Berlin-Spandau? Den kompletten Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel gibt es hier von mir kostenlos: leute.tagesspiegel.de]
Die Havel wird von Pichelsdorf bis zur Altstadt um bis zu 30 Zentimeter ausgebaggert, damit die Fahrrinne immer eine Tiefe von vier Metern hat. Die ist ja kein romantisches Gewässer, sondern eine Nord-Süd-Autobahn für Riesenkähne. Und damit die Schubverbände auch von der Spree nach Norden in die Schleuse abbiegen können, wird das „Spandauer Horn“ abgebaggert: Das ist immer im Weg. Hier eine Grafik.
Das „Spandauer Horn“ wurde in der Vergangenheit schon massiv verkleinert. Schauen Sie mal diese Aufnahme von 1928 an. Tagesspiegel-Link.
Auch die Wasserbetriebe mit all ihren Zuflüssen sind involviert. Und auch die Berliner Behala, die ihren Südhafen in Spandau ab 2023 ausbauen möchte. Das Unternehmen plant neue Eisenbahngleise, ein neues Containerterminal und auch einen neuen Anleger an der Schulenburgbrücke. Die Behala wird vermutlich ihren Uferabschnitt selbst bauen und dafür Geld vom Bund erhalten.
Der Havelausbau soll 2028 abgeschlossen sein – als letztes Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“.
Havelruine: Bagger an der Geschützgießerei. Und es gibt noch mehr Neuigkeiten aus dem Berliner Westen. An einer der coolsten Ecken Spandaus wird jetzt geackert: An den Industriehallen der Geschützgießerei sind Bagger unterwegs und türmen Schuttberge auf – hier meine Fotos.
Die Fabrik döst seit 30 Jahren als Ruine am Fluss vor sich hin. 2018 hatte der Kölner Investor Bauwens die Industriebrache entdeckt. Im Kalten Krieg lagerte hier Getreide für den Notfall. Name des Millionen-Projekts: „The Foundry“, also „Gießerei“. Stadtrat Frank Bewig, CDU, wollte den Standort sogar mal Google schmackhaft machen, doch daraus wurde nix. Geplant sind dort Büros, Cafés, Terrasse und ein neuer Uferweg. Nebenan soll dann das Restaurantschiff liegen Hier ist der erste Entwurf: bauwens.de. Hier mein Mini-Video vom Wochenende: Twitter-Link.
Neuigkeiten auch zum Fuß- und Radweg an der Spree. Seit 1980 plant die Stadt den Bau eines Wander- und Radwegs von Charlottenburg parallel zur Spree. Auch unter Regine Günther, Grüne, sind keine Bagger zu sehen, aber die Planungen haben zumindest in der Theorie Fahrt aufgenommen.
Der neue Weg soll vom Schloss Charlottenburg zur Zitadelle führen – durch Kleingärten, vorbei an der Fleischerei „Mischau“ bis zur BSR-Müllanlage. Dann rüber über die Spree und am Ufer entlang bis zur Havel. Knackpunkt: die Brücke über die Spree und die Trasse am Ufer.
Der Chef des Wasserstraßenneubauamtes sagte mir jetzt: „Wir stehen in Kontakt mit den Berliner Planern der Infravelo und können helfen. Wir bauen an der Spreeschanze einen 200 Meter langen Anleger: eine Wartestelle mit Erschließungsstraße. Da kann der Radweg langführen.“
Und was macht die neue und 70 Meter lange Brücke über die Spree? Die soll etwa auf Höhe des BMW-Werks in Haselhorst entstehen.
„Ein halbes Jahr hat die europaweite Ausschreibung für die neue Spreebrücke am Sophienwerderweg gedauert. Das Berliner Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner konnte im Vergabeverfahren mit tollen Entwürfen für kleine und große Fuß- und Radbrücken überzeugen.“ Ob und wann die umgesetzt werden, teilte der Senat nicht mit.
In gut einem Jahr: Ab 2022 soll die 7 Kilometer lange Trasse gebaut werden. Der Haken findet sich wie immer im Kleingedruckten: Die Baustelle werde vor Sommer 2026 nicht fertig – wenn einer die Brücke finanziert.
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