Aussiedler-Sprecher der Berliner CDU: Georg Dege ist Spandaus Anti-Putin
Aus Kasachstan über Kaliningrad nach Berlin: Georg Dege kümmert sich für die CDU um Aussiedlerfragen und wirbt für Vertrauen in die deutsche Politik.
Die deutschstämmigen Spätaussiedler aus der früheren Sowjetunion gelten als weitgehend integriert. Dennoch zeigte die Aufregung um den „Fall Lisa“ – eine 13-Jährige täuschte vor, von Migranten entführt und vergewaltigt worden zu sein -, dass mancher eher der russischen Propaganda glaubt, als Vertrauen in die hiesigen Verhältnisse zu haben. Schlagzeilen. Aufsehen erregten lediglich die Demonstrationen nach dem von russischen Medien aufgebauschten Fall Lisa. Ein Wahl-Spandauer soll den Aussiedlern in Berlin jetzt die deutsche und vor allem die christdemokratische Kommunalpolitik nahebringen. Georg Dege wurde zum Sprecher des kürzlich gegründeten Netzwerks Aussiedler der Landes-CDU berufen.
Der 29-Jährige ist ein klassisches Beispiel für das Schicksal der Deutschen, die einst von Zarin Katharina II. nach Russland gelockt wurden. Seine Großmutter väterlicherseits stammte aus Baden. Stalin ließ die Familie – wie viele andere auch - nach Kasachstan deportieren, wo Dege geboren wurde. Als er sieben Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Kaliningrad, dort legte er das russische Abitur ab. 2004 kam der junge Mann als Spätaussiedler nach Berlin, lernte die deutsche Sprache, machte drei Jahre später das deutsche Abitur, 2011 den Bachelor in Betriebswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften und 2014 den Master in Verwaltungswissenschaften.
Seitdem arbeitet Dege, der verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat, als Referent im Wahlkreisbüro des Spandauer CDU-Abgeordneten Matthias Brauner. Mitglied der Christdemokraten ist er bereits ein Jahr nach seiner Ankunft in Deutschland geworden. Nicht zuletzt wegen der Geschichte, sagt Dege und verweist auf die Politik von Konrad Adenauer sowie den von Helmut Kohl und Michail Gorbatschow geschlossenen, deutsch-sowjetischen Vertrag. Aber auch die christlichen Werte hätten bei seiner Entscheidung eine Rolle gespielt.
Seit 2011 in der Politik aktiv
Seit dem Wahlkampf 2011 engagiert sich Georg Dege auch aktiv in der Politik, ist stellvertretender Bürgerdeputierter im Integrationsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung und Mitglied im Arbeitskreis junger Integrationspolitiker der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2013 wurde er als Beauftragter für Aussiedlerfragen in den Kreisvorstand der Spandauer CDU berufen und jetzt zum Sprecher des von der Landespartei neu gegründeten, bezirksübergreifenden Netzwerks Aussiedler.
Anlass für dessen Gründung sei nicht erst der von russischen Staatsmedien aufgebauschte Fall der 13jährigen Aussiedler-Tochter Lisa aus Marzahn gewesen. Deren Behauptung, sie sei von Migranten entführt und vergewaltigt worden, hatte sich zwar als falsch erwiesen, aber zu Demonstrationen von Russlanddeutschen geführt. Schon seit 2013 habe man auf das Netzwerk hingearbeitet, sagt Dege. Es gelte, den Spätaussiedlern mehr politische Heimat zu bieten.
Wie der integrationspolitische Sprecher der CDU-Abgeordnetenhausfraktion, Burkhard Dregger, bei der Gründung des Netzwerkes gesagt hatte, soll damit auch der Einfluss, den der Kreml auf die Russlanddeutschen auszuüben versucht, gebremst werden. Es müsse deutlich gemacht werden, dass nicht die russische Regierung die Interessen von deutschen Staatsbürgern vertritt.
Die meisten Aussiedler leben in Marzahn und Spandau
Die größte Kolonie von Spätaussiedlern in Berlin gibt es in Marzahn-Hellersdorf, wo geschätzt 30.000 bis 35.000 von ihnen leben. Spandau folgt rund 20.000 vor Lichtenberg mit etwa 15.000. Den Grundstein für diese Konzentration legten einst die günstigen Mieten in diesen Bezirken, erläutert Dege. Wer später kam, zog dorthin, wo bereits Verwandte und Freunde wohnten. Dann eröffneten hier die ersten russischen Läden und Arztpraxen. Und schließlich spielte die Sprache eine Rolle, denn die meisten Aussiedler konnten bei ihrer Ankunft kein Deutsch.
„Es stimmt nicht, dass viele Spätaussiedler rechtes Gedankengut in sich tragen“, sagt Dege. Gerade in Marzahn seien viele Russlanddeutsche an Hilfsprojekten für Flüchtlinge beteiligt. Diverse Vereine bemühen sich um die Integration. So riefen „Vision“ (Marzahn) und „Lyra“ (Lichtenberg) nach den „Lisa“-Demonstrationen zu einem friedlichen Miteinander auf und warnten vor rechten Gruppen die versuchen würden, „dieses Thema für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und so eine gesellschaftliche Destabilisierung Deutschlands herbeizuführen.” In einer gemeinsamen Erklärung hieß es: „Wir dürfen und werden uns auf diese Provokationen und Hetze nicht einlassen.”
In Spandau betreibt die Berliner Gesellschaft für Förderung interkultureller Bildung und Erziehung (BGFF) unter anderem eine Kita in Haselhorst und eine Integrations- und Begegnungsstätte im Falkenhagener Feld. Der Verein „Baum“ organisiert Musik- und Tanzprojekte im dortigen Klubhaus und der Verein „Harmonie“ engagiert sich in Staaken in der Jugendarbeit mit Spätaussiedlern. Handlungsbedarf sieht Dege hier insbesondere noch im Bereich der Heerstraße Nord, wo rund die Hälfte der etwa 7000 Bewohner mit Migrationshintergrund aus Russland stammt.
Politische Integration ist nötig
Gerade bei der politischen Integration der Spätaussiedler ist noch viel Arbeit zu leisten, sagt der Netzwerk-Sprecher. Viele misstrauen auch hier den Behörden, weil sie es als Deutschrussen aus der ehemaligen Sowjetunion so gewohnt sind. Und viele wollen über ihre Probleme nur im vertrauten Russisch sprechen.
„Gerade jüngere Aussiedler fühlen sich nicht mehr politisch vertreten“, hat Dege außerdem festgestellt. „Man braucht Menschen mit Aussiedlerhintergrund, um die Partei auch für andere Aussiedler attraktiv zu machen.“ Deshalb sei es wichtig, mehr Personen mit Migranten in den Kreisverbänden zu etablieren. In der CDU-Fraktion der BVV-Marzahn-Hellersdorf gibt es mit Sergej Henke bereits einen Russlanddeutschen. In Spandau kandidiert Dege bei den Wahlen im September, wenn auch nur auf dem 26. Platz.
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