Berlin: Gerhart-Hauptmann-Schule: Flüchtlinge wollen besetzte Schule nicht verlassen
Hin- und her in der Ohlauer Straße: Senat und Bezirk wollten mit den Flüchtlingen verhandeln. Die wiederum luden zur Pressekonferenz auf dem Schuldach - was untersagt wurde. Langsam wird auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann ungeduldig.
Für 15 Uhr hatten die verbliebenen Flüchtlinge aus der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule zu einer Pressekonferenz auf dem Schuldach geladen. Journalisten standen am Freitagnachmittag vor den Absperrgittern am Eingang zum Schulgebäude, etwa 200 Aktivisten sammelten sich an der Ecke Ohlauer Straße/Reichenberger Straße. Schließlich trat eine dreiköpfige Flüchtlingsdelegation auf die Ohlauer Straße hinaus. Auf offener Straße teilten sie mit, dass sie das Gesprächangebot von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) und Innenstaatsekretär Bernd Krömer (CDU) ablehnen. Hinterher kehrte die Delegation in das Schulgebäude zurück. Sie hatten sich zuvor freies Geleit zusichern lassen.
Die Pressekonferenz unter freiem Himmel war nötig, weil die Polizei den Pressevertretern unter Verweis auf die prekäre Sicherheitslage seit mehreren Tagen den Zutritt zur Schule verwehrt. Sascha Langenbach, Sprecher des Bezirksamts Kreuzberg, verteidigte die Entscheidung: "Sechzig Journalisten auf einem ungesicherten Dach mit traumatisierten Flüchtlingen - das funktioniert einfach nicht", so der Sprecher. Nach stundenlangen Beratungen einigte man sich dann darauf, die Pressekonferenz vor der Schule stattfinden zu lassen.
Gesprächsangebot von Bezirk und Senat
Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) und Bernd Krömer (CDU), Staatssekretär in der Senatsinnenverwaltung, hatten den Flüchtlingen am Donnerstag ein Gesprächsangebot unterbreitet: Demnach sollten sich beide Parteien am Freitagnachmittag auf dem "neutralen Boden" der Heiligkreuzgemeinde in der Zossener Straße treffen. Die Bedingung für die Gespräche war, dass alle Flüchtlinge das Schulgelände endgültig verlassen. Seit drei Tagen halten sich etwa 40 Flüchtlinge und Unterstützer auf dem Dach der Schule auf.
Die Flüchtlinge standen dem Gesprächsangebot von Bezirk und Senat von Anfang an skeptisch gegenüber. In einer am Donnerstagabend verbreiteten Erklärung forderten die Flüchtlinge nach wie vor ein Bleiberecht für alle Besetzer in der Schule. "Wir sagen klar: wir werden das Gebäude nicht verlassen bevor wir Papiere für alle bekommen, die sich in der Schule aufhalten. Sobald wir das Recht bekommen, in Deutschland zu bleiben, werden wir die Schule friedlich verlassen", schreiben die Flüchtlinge.
Skepsis gegenüber Senatsangebot
Nach Aussagen einer Sprecherin, die seit Tagen auf dem Schuldach ausharrt, glaubt die Mehrheit der Flüchtlinge nicht daran, dass das Angebot der Politik ernst gemeint sei. Im Wesentlichen ist es das gleiche Angebot, dass auch den Flüchtlingen vom Oranienplatz gemacht wurde - eine individuelle Prüfung ihres Aufenthaltsstatus durch die zuständige Ausländerbehörde. Nach Aussage der Flüchtlingsanwältin Beatrice Böhlo lehne die Berliner Ausländerbehörde allerdings alle Prüfungen von Flüchtlingen ab, für die eine Ausländerbehörde eines anderen Bundeslands zuständig ist. Die Flüchtlinge werfen der Politik deshalb Wortbruch vor. "Die Leute vom Oranienplatz wurden betrogen. Wir wollen weiter verhandeln, aber nur im Beisein unserer Anwälte und der Presse", so die Sprecherin.
Vertreter des Landesbeirats für Integration und Migration: Angebot ist "Farce"
Unterstützung erhalten die Flüchtlinge von mehreren Mitgliedern des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen. In einem am Freitagnachmittag veröffentlichten Eilbrief an Henkel und Herrmann schreiben die Verfasser: "Wir betrachten das gestern Abend gemachte "Angebot", dass die Geflüchteten die Schule verlassen müssen, um auf "neutralem Boden" überhaupt erst in Verhandlungen zu treten deren Gegenstand noch nicht einmal bekannt ist, als Farce." Die Verfasser fordern, dass auf dem Schulgelände "ernstzunehmende und verbindliche Gespräche" über die Forderung der Flüchtlinge aufgenommen werden.
Künstler unterstützen Anliegen der Flüchtlinge
Auch mehrere namhafte Künstler sprachen sich für das Anliegen der Flüchtlinge aus. Unter anderem mischte sich Matze, Sänger und Gitarrist der "Ohrbooten" am Freitag unter die Menge, um seine Solidarität zu bekunden. Er mahnte einen respektvollen Umgang zwischen Demonstranten, Flüchtlingen, Polizei und Journalisten gleichermaßen an. Der künstlerische Leiter des Grips-Theaters, Stefan Fischer Fels, las einen offenen Brief vor: "Wir können nicht von Menschenrechten auf der Bühne erzählen, ohne hier zu sein (...) Die Flüchtlinge sind hier willkommen und kein Problem, weil sie Teil dieser Gesellschaft sind."
Verwirrungen ums Hausrecht
Zwischenzeitlich kam es am Freitag zu Verwirrungen darüber, wer nun das Hausrecht über das bezirkseigene Schulgelände ausübt. Der flüchtlingspolitische Sprecher der Berliner Piraten, Fabio Reinhardt, twitterte, dass sich der Bezirk nicht mehr die alleinige Entscheidungsbefugnis darüber hat, wer auf das Gelände der Schule darf und wer nicht. Die Polizei reagierte umgehend: "Das Bezirksamt übt weiterhin das Hausrecht über Schule und Grundstück aus." Nach Angaben der Kreuzberger Sozialstadtrates Peter Beckers sei das Hausrecht dem Bezirk nicht entzogen worden - "allerdings können wir es nicht mehr hundertprozentig durchsetzen." Unter Verweis auf die prekäre Sicherheitslage auf dem Gelände könne die Polizei in begründeten Fällen den Zugang zum Gelände verweigern.
Aktivisten übergeben Brief an Henkel
Auch die Senatsinnenverwaltung bekam am Freitagnachmittag Besuch von Unterstützern. Wie die Sprecherin Tatjana Pohl mitteilte, kamen zehn bis 15 Aktivisten gegen 13.45 Uhr in das Gebäude der Senatsinnenverwaltung in der Klosterstraße vorbei, um einen Brief an den Innensenator Frank Henkel (CDU) zu überreichen. Offenbar wollten sie den Brief persönlich zustellen, das gelang aber nicht. "Die Personen sind nicht bis zum Büro des Senators gekommen", sagte Pohl. Die Aktivisten hätten den Brief an den Innensenator hinterlegt und seien gegen 14 Uhr wieder gegangen. Auseinandersetzungen gab es nicht: "Alles lief ganz friedlich", so Pohl. Über den Inhalt des Briefes war zunächst nichts bekannt.
Langsam wird auch Monika Herrmann ungeduldig
Bürgermeisterin Monika Herrmann äußerte sich am Freitagabend skeptisch, ob die Situation am Verhandlungstisch gelöst werden könne. "Am Donnerstag haben die Flüchtlinge zwei Forderungen gestellt: Sie wollten einen politisch Verantwortlichen als direkten Verhandlungspartner und ein Bleiberecht für alle." Die erste Forderung wurde erfüllt - Staatssekretär Krömer erklärte sich zur Teilnahme bereit. "Wenn sie ihre zweite Forderung beibehalten, wird es schwierig. Die Flüchtlinge haben keine Exit-Strategie, das erschwert die Verhandlungen", so Herrmann.