Wohnungsbaugesellschaften in Berlin-Pankow: "Die Wut der Mieter steigt"
Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in Pankow geraten immer stärker in Kritik. Mieter frühstückten aus Protest gegen geplante Sanierungsmaßnahmen sogar schon auf der Straße.
Mitten im Berliner Wahlkampf geraten die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in Pankow immer stärker in die Kritik. In der Knaackstraße in Prenzlauer Berg frühstückten Mieter kürzlich aus Protest gegen geplante Sanierungsmaßnahmen der Gewobag auf der Straße. Sie halten die Maßnahmen für überzogen und wollen die damit verbundenen Mieterhöhungen nicht akzeptieren. Auch die Gesobau liegt mit Mietern im Streit, weil diese Modernisierungen nicht dulden wollen. 37 ihrer Mieter in Pankow hat die Gesellschaft deswegen inzwischen verklagt, bei der Gewobag sind es 39. Kritik gibt es aber auch an der Vermietungspraxis der Wohnungsbaugesellschaften, die eigentlich dafür sorgen sollen, dass die soziale Mischung im Bezirk erhalten bleibt. Tatsächlich stehen aber kommunale Wohnungen lange leer, weil gerade Familien sie sich nicht leisten können. Und nun eskaliert auch noch der Streit um die in diesem Jahr eingeführten Mieterräte. Mietervertreter werfen den kommunalen Gesellschaften vor, kritische Mieter gar nicht erst als Kandidaten für die Interessenvertretungen zuzulassen.
"Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften erfüllen ihren Auftrag schlicht nicht. Sie agieren vielmehr wie private Immobilienunternehmen, die auf Gewinn ausgerichtet sind, und beteiligen sich aktiv an der Verdrängung sozial schwacher Mieter", sagt Oleg Myrzak vom Pankower Mieterforum. In dem Forum engagieren sich Mieter privater und kommunaler Hauseigentümer. 17 Hausgemeinschaften haben sich inzwischen angeschlossen. "Die Wut steigt", sagt Myrzak.
Vor allem energetische Gebäudesanierungen sind in Pankow, wie auch in anderen Berliner Bezirken, umstritten. Mieterverbände werfen den Vermietern vor, die staatlich geförderten Maßnahmen auszunutzen, um die Mietpreisbremse auszuhebeln. Die Kosten für energetische Sanierungen - Fassadendämmung, Heizungserneuerung, Austausch der Fenster - können zum Teil auf die Mieter umgelegt werden. Und da sie oft mit weiteren Modernisierungen, etwa neuen Bädern, verbunden werden, sehen sich viele Mieter mit deutlichen Mieterhöhungen konfrontiert. Die vorausgesagten Energieeinsparungen gleichen diese meist bei weitem nicht aus. Härtefallregelungen gibt es zwar, doch die greifen nicht immer. Ältere Menschen beispielsweise, die allein in einer großen Wohnung leben, können diese oft nicht in Anspruch nehmen.
Protest hat Erfolg
Die Gesobau, die fast 16.000 Wohnungen im Bezirk hat, und die Gewobag mit gut 14.000 Wohnungen stehen im Zentrum der Auseinandersetzungen. Die Gesobau hat seit 2014 elf ihrer Objekte in Pankow saniert, 20 sind in der Bauphase, wie das Unternehmen auf Nachfrage mitteilt. Bei der Gewobag sind drei Objekte durchsaniert, sechs energetische Sanierungsprojekte laufen gerade. In der Knaackstraße 60-68 stößt das Unternehmen allerdings auf massiven Widerstand. Auch hier sind neben der energetischen Sanierung weitere Modernisierungen geplant. SPD, Grüne und Linke im Pankower Bezirksparlament haben die Gewobag aufgefordert, die Modernisierungsankündigung "unverzüglich zurückzunehmen". Denn für einige Mieter ist diese mit erheblichen Mieterhöhungen verbunden. Nach Tagesspiegel-Informationen lotet die Gewobag inzwischen aus, ob sie zumindest auf die Dämmung der Hausfassade verzichten kann. Laut Energiesparverordnung können die zuständigen Behörden den Bauherrn von "den Anforderungen der Verordnung befreien", soweit die "die erforderlichen Aufwendungen (...) innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können". Ein entsprechender Befreiungsantrag läuft offenbar.
Nicht überall gibt es Konflikte
Für die Mieter wäre das ein großer Erfolg. "Viele Leute wehren sich aber erst gar nicht und ziehen resigniert weg", sagt Oleg Myrzak vom Mieterforum Pankow. So werde die Verdrängung sozial schwacher Mieter durch die kommunalen Gesellschaften noch gefördert. Dabei seien die doch eigentlich dazu da, genau das zu verhindern. Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) will das so nicht stehen lassen. "Die meisten Sanierungsprojekte der Wohnungsbaugesellschaften laufen völlig konfliktfrei", sagt er. Viele Mieter, auch ältere, freuten sich über Modernisierungen. Einen Verdrängungsprozess sieht er nicht. Und: "Wer es sich leisten kann, muss eine Mieterhöhung nach Sanierung nun einmal hinnehmen, gerade bei der energetischen Sanierung mit der Bundesrecht umgesetzt wird." Es gebe Mieter, so Kirchner, die zahlten noch immer 3,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, obwohl sie inzwischen ein Professorengehalt bezögen. "Da ist eine Mieterhöhung auf 7,50 Euro in Ordnung." Kirchner sieht außerdem durchaus Bewegung auf Seiten der Wohnungsbaugesellschaften. Vor allem die Gesobau habe dazugelernt und suche inzwischen den Dialog mit den Mietern.
Mietenbündnis mit Hintertür
"Man darf auch nicht vergessen, dass die Kommunalen viele Mieter versorgen, die es auf dem freien Wohnungsmarkt schwer haben", so Kirchner weiter. Tatsächlich hatten die Wohnungsbaugesellschaften schon 2012 in einem Mietenbündnis mit dem Senat zugesagt, die Zahl der Sozialwohnungen deutlich zu erhöhen. Mit dem Inkrafttreten des Wohnungsraumversorgungsgesetz Anfang des Jahres sind sie sogar verpflichtet, 55 Prozent aller frei werdenden Wohnungen als Sozialwohnungen neu zu vermieten. Dieses Ziel wollen sie einhalten, heißt es unisono bei Gesobau und Gewobag. Allerdings beziehen beide Gesellschaften diese Aussage auf ihren Gesamtbestand und nicht etwa auf einzelne Bezirke. Was das konkret bedeutet, musste kürzlich eine Familie aus Prenzlauer Berg erfahren. Das Paar mit vier Söhnen sah sich nach einem Eigentümerwechsel ihrer bisherigen Wohnung mit einer Eigenbedarfskündigung konfrontiert und suchte nach einer neuen Bleibe. Auch mehrere Objekte der Gesobau stießen auf ihr Interesse. Doch obwohl die Familie die formalen Voraussetzungen für eine sogenannte Bündnismiete, also eine vergünstigte Miete nach den Kriterien des Mietenbündnisses, erfüllt, sah sich die Gesobau zunächst nicht in der Lage, ihnen eine geeignete Wohnung im Bezirk Pankow anzubieten. Stattdessen empfahl man der Familie, ins Märkische Viertel zu ziehen.
Mitnahmeeffekte in Pankow
Für Michail Nelken, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, hat das System. "In Pankow wollen die Wohnungsbaugesellschaften verdienen, im Märkischen Viertel dürfen dann die wohnen, die weniger Geld haben." Für die sechsköpfige Familie aus Prenzlauer Berg immerhin fand sich am Ende überraschend doch noch eine bezahlbare Wohnung in Pankow - nachdem der Tagesspiegel bei der Gesobau Fragen zu dem Fall gestellt hatte. Andere Wohnungen der Gesobau stehen derzeit leer. Seit März etwa eine 5-Zimmer-Wohnung in einem sanierten Altbau in Niederschönhausen, für die die Gesobau knapp 2000 Euro warm haben möchte. Mit 159 Quadratmetern ist sie zwar sehr groß, doch sie liegt im Erdgeschoss. Auch in dem Neubau Dietzgenstraße/Ecke Blankenburger wurde seit März nur gut die Hälfte der Wohnungen vermietet. Die Gesobau verlangt hier für 75 Quadratmeter rund 1100 Euro warm, für 95 Quadratmeter 1400 Euro. In unmittelbarer Nähe einer vielbefahrenen Kreuzung wollen das offenbar nur wenige zahlen.
Streit um Mieterräte
Und als wäre das alles nicht schon Ärger genug, gibt es nun neue Vorwürfe gegen die Gesobau. Das Wohnungsraumversorgungsgesetz sieht auch die Bildung von Mieterräten bei den Wohnungsbaugesellschaften vor. Das Mieterforum Pankow wirft dem Unternehmen vor, die Kandidatur kritischer Mieter für die Räte zu verhindern. Formal entscheidet zwar eine unabhängige Wahlkommission über die Zulassung der Kandidaten. Doch die Gesobau prüft die Bewerber vorab und gibt eine Einschätzung ab. Das Ergebnis: Mehreren Bewerbern, darunter mindestens zwei, die sich im Mieterforum engagieren, wurde von der Gesobau mitgeteilt, die unabhängige Wahlkommission habe sie aufgrund "schwerwiegender Verstöße gegen das friedliche Zusammenleben oder gegen die Hausordnung oder nachhaltige Verletzungen der mietvertraglichen Pflichten" abgelehnt. "Das sind Mieter, die schon einen Rechtsstreit mit der Gesobau hatten, die also nichts anderes getan haben als ihre Rechte als Mieter wahrzunehmen", sagt Linkenpolitiker Nelken. Ihnen deshalb das passive Wahlrecht zu entziehen, sei dreist. "Ich hätte nicht gedacht, dass die Gesobau so plump vorgeht."