Leser zeigen Fotos: Die vergessene Bahnstrecke in Berlin-Spandau
Hinterm ICE-Bahnhof scharf abbiegen, vorbei am größten Friedhof Berlins und hinein in den Wald. Newsletter-Leser zeigen ihre Bilder der "Bötzowbahn".
Diese Bahnstrecke liegt am stillen Stadtrand von Berlin. Die Schienen führen vorbei an den typischen Großsiedlungen der West-Berliner Jahre, kurven um Berlins größten Friedhof herum und werden dann im Wald des Spandauer Forsts verschluckt.
Diese Eisenbahnstrecke heißt: "Bötzowbahn". Sie führt durch Berlin-Spandau, also durch den Westen der Stadt. In Betrieb sind noch 6 Kilometer. Keine Berühmtheit, aber faszinierend - das zeigen diese Fotos.
"Sie haben eine neue E-Mail erhalten." Tagesspiegel-Leser haben in ihren privaten Fotoarchiven nachgeschaut und ein paar alte Eisenbahnbilder aus den 90er Jahren an den Spandau-Newsletter geschickt. Ein Leser ist die Strecke am Wochenende gleich entlangspaziert - auch seine Bilder finden Sie weiter unten in diesem Text.
Jetzt aber erst mal Basiswissen: Tagesspiegel-Leser Martin Müller hat noch eine alte Karte aus den 30er Jahren gefunden, die den Verlauf der Bötzowbahn zeigt. Hier ist sie.
Es sind kleine, große Fotoschätze aus einer Berliner Vergangenheit, die noch gar nicht so lange her ist.
Bis 1997 hielten die Fernzüge in Spandau nicht unter dem eleganten Glasdach des ICE-Bahnhofs, sondern auf der anderen Seite der Havel. Und so sah das aus. Heute heißt die Station S-Bahnhof Stresow. Das Bild schickte uns Tagesspiegel-Leser Martin Müller. Es entstand 1993 - hinten sind die alten Brücken über die Havel zu sehen.
Dieses Foto machte Tagesspiegel-Leser Ekkehard Kolodziej in den 80ern (ihn kennen Sie bereits aus dem Tagesspiegel mit diesen irren Bildern). Hinten der Rathausturm. Heute halten hier die Züge im S-Bahnhof Stresow.
In den Mails an den Spandau-Newsletter befanden sich aber auch andere seltene Fotos. Die nämlich von der Bötzowbahn.
Dort fahren nur ganz selten Züge. Sonderfahrten mit Dampfloks. Oder Güterzüge der Havelländischen Eisenbahn bis zum Güterbahnhof am Johannesstift. Aber das sehen wir heute alles - dank der privaten Aufnahmen der beiden Leser an den Spandau-Newsletter.
Hier der Güterbahnhof in Johannesstift, im Norden von Berlin-Spandau. Bahnsteige? Fehlanzeige.
Wo liegt diese Strecke in Berlin überhaupt? Die Reise beginnt hinter dem heutigen ICE-Bahnhof. Dort entstand dieses Foto im Herbst 2000 bei einer Traditionsfahrt. Hinten rechts ist der Rathausturm von Berlin-Spandau zu sehen.
Fotograf war Tagesspiegel-Leser Ekkehard Kolodziej. Er erinnert sich: "Besonders beliebt war die Zugverbindung vom Spandauer Güterbahnhof zum Johannisstift, was auf dem Bild vom September 2000 zu sehen ist.. Durch den Bau der Spandau Arcaden musste diese interessante Zugverbindung eingestellt werden."
Die Arcaden entstanden auf einem Güterbahnhof. Hier ein Bild aus den 80er Jahren - im Hintergrund befindet sich der alte S-Bahnhof Spandau-West und damit der heutige ICE-Bahnhof. Hinter den Bäumen ist die alte Stadtbibliothek an der Seegefelder zu erkennen.
Gar nicht lange her, da feiert der ICE-Bahnhof 20-Jähriges Bestehen. Wurde im Spandau-Newsletter gewürdigt mit diesem tollen Bild vom Architekturbüro gmp 1997. Achten Sie mal auf den Hintergrund: der ICE-Bahnhof ohne die Arcaden.
Wer aus dem ICE-Bahnhof nun nach Hamburg fährt, biegt am Spandauer Wasserturm scharf rechts ab. Den Wasserturm erkennen Sie hier gut auf dem Bild von Martin Müller, das 1998 entstanden ist.
Hier noch ein Foto von Newsletter-Leser Martin Müller aus dem Jahr 1998. Unten die Bötzowbahn, oben die ICE-Strecke nach Hamburg und Hannover. Das Wohnhaus hinten steht an der Wustermarker Straße. Das Foto taucht unten 20 Jahre später noch einmal auf.
Anschließen kurvt man durch die Kleingärten bis zum Spektesee. Dann geht es über die sechsspurige Falkenseer Chaussee, einmal rum um Berlins größten Friedhof (In den Kisseln), quer durch den Wald - bis Johannesstift.
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Dieser Güterbahnhof im Wald wurde auch mal als Abstellanlage für einen bekannten Zug genutzt. Spitzname: Donald Duck. Es war der gelb-weiße "Airport-Express" im Lufthansa-Design, der einst zwischen Köln und Frankfurt am Main fuhr und das Flugzeug auf kurzen Strecken ersetzte. Das Foto machte Tagesspiegel-Leser Ekkehard Kolodziej 2001.
Hier weitere Aufnahmen von dampfenden Sonderfahrten; im Hintergrund die Büros der Bahner am stillen Güterbahnhof.
Hier eine Aufnahme vom Johannesstift in den 30er Jahren. Unten am Bildrand ist gut die Eisenbahnstrecke zu erkennen.
Die Strecke führte früher noch viel weiter raus, über die Schönwalder Allee hinweg, zum Kraftwerk Spandau an der Havel und hoch nach Brandenburg. Endstation: Bötzow, daher der Name. Doch nach dem Krieg und dem Mauerbau war alles unterbrochen. Der nördliche Abschnitt im Wald wurde stillgelegt (ist aber auch heute noch zu erkennen).
Die Bahn und Senat prüfen, ob sie von Spandau hier eine S-Bahnstrecke bauen, also bis zur Falkenseer Chaussee. Damit ist das Falkenhagener Feld gemeint.
Tagesspiegel-Leser Martin Müller ist am Wochenende gleich mal zu einem Ausflug aufgebrochen und nimmt Sie, die Leserinnen und Leser des Spandau-Newsletters, mit auf eine Reise an die frische Luft. Er guckte über Zäune und Hecken und zeigt Ihnen die Strecke.
Los geht es an der Staakener Straße. Unten kreuzt das Gleis der Bötzowbahn die ICE-Strecke. Oben fährt ein Schnellzug gerade Richtung Hamburg oder Hannover. Die Häuser ganz hinten stehen an der Wustermarker Straße.
Hier dreht sich Martin Müller einmal um: Vor uns liegt die kleine Staakener Straße, die durch das Industriegebiet führt. Im Hintergrund ist das Gleis mit Oberleitung zu erkennen, auf dem Regios und ICE-Züge aus Hannover nach Spandau rollen.
Nächster Stop: Dieses Bild entstand auf der Seegefelder Straße in Berlin-Spandau und zeigt den Blick nach Norden. Die Bötzowbahn rollt jetzt über die Spektewiesen zum Kiesteich. Nebenan stehen Lauben und kleine Einfamilienhäuser.
Endstation Güterbahnhof Johannesstift: Bis hierhin rollen die Züge noch. Ein Prellbock ist das Ende. Das Foto macht Martin Müller im März 2020.
Hier noch mal ein paar Meter Entfernung: Ein Zaun versperrt den Zutritt zum Güterbahnhof. Martin Müller steht auf der Schönwalder Allee.
Einmal umdrehen, bitte. Noch immer steht Martin Müller auf der Schönwalder Allee. Hier endet der BVG-Bus M45 (Bahnhof Zoo-Johannesstift). Hier ist auch die Bötzowbahn zuende. Der Blick in den Wald sieht so aus.
Die Reise geht weiter: Holzbohlen und Schienen zeigen den Streckenverlauf durch den Spandauer Forst.
Wichernstraße in Berlin-Hakenfelde im März 2020: Bis vor einigen Jahren fuhren hier noch Züge hoch zum Kraftwerk - deshalb die gut erhaltenen Verkehrszeichen.
Weiter geht es nach Norden: Hier stand bis vor einigen Jahren das Berliner Kraftwerk Oberhavel direkt am Fluss. Das Kraftwerk ist abgerissen. Hier entstehen Einfamilienhäuser an der Havel. Die alten Zufahrtsgleise und das breite Tor sind noch gut zu sehen.
Stille im Spandauer Forst. Die Vergangenheit ist kaum noch zu erkennen. Das Foto machte Martin Müller auf Höhe der beliebten Badestelle an der Bürgerablage in Berlin-Spandau im März 2020.
Dieses Foto entstand am Niederneuendorfer Kanal, an der Grenze zu Brandenburg. Die Brücke ist weg, aber die Trasse ist sehr gut zu erkennen.
Hallo, Niederneuendorf. Schienen liegen noch auf dem Oberjägerweg. Die alte Trasse im Wald dient als Spazierweg. Und der alte Bahnhof ist jetzt ein hübsches Wohnhaus.
Und damit endet unsere kleine Reise mit dem Spandau-Newsletter durch den Berliner Westen. Vielen Dank, Martin Müller! Das war lehrreich und abgefahren.
Ich werde im Spandau-Newsletter noch mehr Fotostrecken veröffentlichen. Denn es haben sich ganz viele Leserinnen und Leser gemeldet, die noch Fotoschätze auf dem Dachboden haben - und die nicht nur in staubigen Fotokisten bleiben sollten.
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