Marode Schulen und Sanierungsstau in Berlin: Die Eltern sprechen von Scham und Schande
Die Opposition spart nicht mit starken Worten angesichts der maroden Schulen. Der Senat duckt sich weg. Hamburg hat längst die Konsequenzen aus dem Sanierungsstau gezogen. Und in Steglitz-Zehlendorf sind die Eltern wütend und machen ihrem Ärger Luft.
Das reiche Hamburg ist nicht besser dran: Auf „zwei bis drei Milliarden Euro“ wurde der Sanierungsstau der Schulen dort vor ein paar Jahren geschätzt. Die schwarz-grüne Opposition zog 2009 die Konsequenz und nahm der Schulbehörde die Zuständigkeit weg. Seither gibt es an der Alster den Landesbetrieb „Schulbau“, der sich um die Instandhaltung und den Neubau von Schulen kümmert. Wäre das ein Ausweg für Berlin? Muss die Zuständigkeit neu geregelt werden? Über diese Fragen zerbrechen sich nicht nur die Opposition, sondern auch die aufgebrachten Eltern den Kopf, seitdem fest steht, dass der Senat bei seiner Ausgabenpolitik nicht umsteuern wird. Im Gegenteil. Der neue Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat kurz nach seinem Amtsantritt Hoffnungen vieler Eltern auf neue Prioritäten zerstört: „Es trifft zu, dass der Senator für die kommenden Jahre besonderen Handlungsbedarf beim so genannten fahrenden Material für den ÖPNV sieht“, bestätigte sein Sprecher Jens Metzger entsprechende Andeutungen des Finanzsenators.
Gleichzeitig betonte Metzger aber, dass der Senat „auf Vorschlag des Finanzsenators“ die zusätzlichen Bafög-Mittel im Bildungssektor investiert und zwar „ganz wesentlich für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen“. Zudem gibt es ein zwölf Millionen– Euro-Programm für die Schultoiletten.
Heilmann: Keine Umsteuerung vor 2016
Wie wenig Eindruck die rot-schwarze Koalition mit der Ankündigung des Sanitärprogramms bei den Eltern gemacht hat, wurde am Montagabend bei einer Diskussion in Steglitz-Zehlendorf deutlich. Wütend reagierten sie auf die Versuche des SPD-Abgeordneten Michael Arndt, das aktuelle Dilemma zu erklären. Er war auf Einladung des Bezirkselternausschusses in der voll besetzte Aula der Johann-August-Zeune-Schule gekommen, um mit Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sowie Stefanie Remlinger von den Grünen und Gerwald Claus-Brunner (Piraten) Weg aus der Misere aufzuzeigen. Nur Remlinger und Claus-Brunner trafen die Stimmung der Eltern, als sie von „Scham“ und „Schande“ angesichts der maroden Schulen sprachen.
Auch Heilmann, CDU-Kreischef in Steglitz-Zehlendorf, machte schnell deutlich, dass vor der Wahl im Herbst 2016 keine wesentliche Umsteuerung zu erwarten ist. So viel stehe fest seit den Koalitionsverhandlungen mit dem neuen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der letzten Klausurtagung der SPD in Leipzig. Dort war es um Krippenplätze gegangen, aber kaum um die maroden Schulen. Diese Weichenstellung trifft die Eltern von Steglitz-Zehlendorf besonderes hart. Denn in keinem anderen Bezirk gibt es zurzeit derart viele akute Fälle von Schulen, die marode, und Sporthallen, die gesperrt sind. Zu dem allgemeinen Finanzdilemma, das in allen Bezirken existiert, kommt im Südwesten noch das Problem, dass das Bezirksamt nicht gut kooperiert. Immer wieder wiesen die aufgebrachten Eltern während der Diskussion darauf hin, dass sie sich vom Bezirksamt schlecht informiert fühlten, zumal sich Schul- und Hochbauamt immer wieder gegenseitig die Schuld zuschöben.
Da half es auch nichts, dass Bildungsstadträtin Cordula Richter-Kotowski (CDU) auf die komplizierten Bauvorschriften und Baustadtrat Michael Karnetzki (SPD) auf die komplizierten Besetzungsverfahren im öffentliche Dienst hinwiesen: Andere Bezirke machen vor, dass es ihnen unter den gleichen Bedingungen gelingt, mehr für ihre Schulen zu tun. Allerdings gelingt es auch ihnen nicht, den Sanierungsstau aufzulösen, der sich auf gut zwei Milliarden beziffert wird. Die grüne Haushälterin Remlinger hat wenig Hoffnung, dass sich im bestehenden System etwas entscheidend verbessern lässt. Ebenso wie Michael Arndt von der SPD wollte sie nicht ausschließen, dass man – ähnlich wie Hamburg – ganz neue Weg gehen müsse. Als Beispiel wurde das Berliner Immobilien Management (BIM) genannt, das die übrigen öffentlichen Gebäude und die Berufsschulen verwaltet. Heilmann bezweifelt aber, dass sich ein derart grundlegender Wandel politisch durchsetzen lässt. Um dennoch etwas zum Guten zu wenden, votieren die Grünen ebenso wie die Piraten dafür, die Hochbauämter personell aufzustocken, damit zumindest das vorhandene Geld verplant und ausgegeben werden kann und nichts mehr verfällt. Auch dies hat es in Steglitz-Zehlendorf gegeben.
Am Mittwoch meldete sich Remlinger nochmals zu Wort. "Der Senat kann sich nicht länger aus der Verantwortung ziehen. Wir brauchen Transparenz über die notwendigen Gelder und ein professionelleres
Gebäudemanagement in einem eigenen, geschützten Finanzkreislauf", lautet ihre Schlussfolgerung aus dem akuten Sanierungsstau. Sie rief den Senat auf, "sich mit den Bezirken an einen Tisch zu setzen und das Thema
Schulsanierung endlich ernsthaft anzupacken". In Steglitz-Zehlendorf beunruhigen inzwischen neue Legionellenfunde die Elternschaft.