Berlin-Charlottenburg: Die Auferstehung an der Gedächtniskirche
16 Monate lang wurde die Kapelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche saniert. Am Donnerstag öffnet sie nun wieder.
Die Kapelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz ist viel weniger bekannt als die alte Turmruine oder das neuere Kirchengebäude mit den markanten blauen Glasmosaikscheiben – dafür aber sticht der einstöckige Flachbau nun plötzlich mit seiner helleren Farbe hervor. Denn im Rahmen einer denkmalgerechten Sanierung der Kapelle wurden die Betonwaben der Außenwand restauriert und erhielten ihre Originalfarbe zurück. Das Grau an den drei anderen Kirchenbauten, die der Architekt Egon Eiermann in den 1960er Jahren gestaltet hatte, ist durch Verwitterung immer noch recht dunkel.
16 Monate lang war die Kapelle für die Bauarbeiten geschlossen und durch eine schützende „Einhausung“ nicht sichtbar. Rund 1,5 Millionen Euro hat die Wüstenrot-Stiftung investiert und auch das Bauprojekt geleitet. Bei einer Besichtigung am Donnerstag freute sich Stiftungsgeschäftsführer Philip Kurz über den herzlichen Dank von Gemeindepfarrer Martin Germer, blieb aber bescheiden: Solche Instandsetzungen seien „der Job einer gemeinnützigen Stiftung“.
Am Donnerstag wird die Wiedereröffnung gefeiert. Von 16 bis 18.30 Uhr gibt es sechs Vorträge in der Kapelle, der Eintritt ist frei. Germer spricht über den einstigen „Streit um die Platzmitte“ nach dem Zweiten Weltkrieg, als heftig um Eiermanns moderne Neubauentwürfe gerungen wurde. Die Instandsetzung der Kapelle erläutert der Architekt Steffen Obermann. Restauratoren erzählen, wie kompliziert die Reparatur der Betonwaben war. Außerdem geht es in den Vorträgen unter anderem um Egon Eiermanns „Relevanz für die Gegenwart“.
Die vermeintliche Fassade ist die Wand des Gartens
Für geladene Gäste folgen ein Gottesdienst mit dem evangelischen Landesbischof Martin Dröge und ein Festakt. Am Sonntag um 11.30 Uhr lädt Pfarrerin Katharina Stifel zum Familiengottesdienst in die Kapelle ein. Während des evangelischen Kirchentages soll das Gebäude, das sonst nur bei Veranstaltungen öffnet, tagsüber als „Raum der Stille“ inmitten des Trubels in der City zur Verfügung stehen.
Endlich wirke die Kapelle wieder „hell und freundlich“, findet Pfarrer Germer, sie sei „ein Raum mit ganz eigenem Charakter“. Tatsächlich birgt das Gebäude eine Überraschung für Besucher, die es noch nicht kennen: Die Wand aus Betonwaben mit dicken farbigen Gläsern, auf die man vom Breitscheidplatz aus blickt, ist gar nicht die Fassade. Vielmehr begrenzt die Wand den schmalen Garten, der rund um die Kapelle führt. Deren Fassade besteht aus Stahl und hohen Fenstern, weshalb Architekt Obermann sich etwas an die Neue Nationalgalerie in Tiergarten erinnert fühlt.
Die Kirche bleibt eine Dauerbaustelle
Der Garten sei im Grunde ein klosterähnlicher und nach außen „umgestülpter Kreuzgang“, findet Obermann. Eiermann hatte die kleine Grünanlage nach japanischen Vorbildern gestaltet, aber auch Rosen und Wein pflanzen lassen, was eher zum Christentum passt. Am Mittwoch waren Arbeiter noch im Garten tätig.
Bisher wurde die Kapelle für Taufen, Trauungen, die Veranstaltungsreihe „Kapellengespräche“ und monatliche Familiengottesdienste genutzt. Die Erneuerung der Haustechnik sowie der Einbau einer Toilette und einer Teeküche im Keller erweitern die Möglichkeiten. Zum Beispiel kann es im Gebäude nun auch Treffen der Kirchengemeinde geben.
Gleich nach dem evangelischen Kirchentag soll draußen auch die etwa 1,8 Millionen Euro teure Reparatur des sogenannten Podiums beginnen, das die Kirchenbauten verbindet. Wann der ebenfalls von Eiermann entworfene Kirchturm saniert wird, ist dagegen noch unklar. Die Betonwaben sind stark beschädigt und müssen wohl ersetzt werden.
Die Gedächtniskirche ist eine Dauerbaustelle: Seit dem Jahr 2005 haben Sanierungen insgesamt fast 7,5 Millionen Euro gekostet. Und laut Germer „brauchen wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren weitere zehn Millionen Euro“.