Berlin-Spandau: Debatte um Neubauviertel droht zum Koalitionsstreit zu werden
Protest in Spandau gegen Stadtquartierpläne von Senatorin Katrin Lompscher: SPD-Politiker befürchten Vernichtung von Kleingärten und Gewerbe - die Senatsverwaltung reagiert mit Unverständnis.
Überlegungen von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) für ein neues Entwicklungsgebiet in der Spandauer Wilhelmstadt könnten für Knatsch in der rot-rot-grünen Berliner Koalition sorgen. Auf Initiative des SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, der auch Kreisvorsitzender seiner Partei in Spandau ist, wurde auf der jüngsten Senatssitzung die Beratung einer Lompscher-Vorlage vertagt. Die hatte mit den strittigen Planungen aber überhaupt nichts zu tun, so eine Sprecherin der Senatsverwaltung.
Bezirk plant Neubau von rund 1000 Wohnungen
Wie berichtet, will der Bezirk auf dem derzeit unter anderem als Flüchtlingsquartier genutzten, ehemaligen Kasernengelände an der Schmidt-Knobelsdorf-Straße ein neues Stadtquartier entwickeln. Unter anderem sollen hier rund 1000 Wohnungen entstehen. Die Senatsverwaltung habe nun gegenüber dem Bezirk angekündigt, dass sie vorbereitende Untersuchungen zur Prüfung einer wesentlich größeren Fläche für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme einleiten werde, sagte Baustadtrat Frank Bewig (CDU). Sie beabsichtige, bestehende Wohngebiete, Kleingewerbestandorte, Einzelhandelseinrichtungen sowie langfristig gesicherte Kleingartenanlagen in das Untersuchungsgebiet aufzunehmen. Betroffen ist der Bereich zwischen Seeburger Weg und Straße, Wilhelmstraße, Heerstraße und der Wohnsiedlung am Blasewitzer Ring.
Es dürfe nicht „brachial“ und „an den Menschen vorbei“ entschieden werden, sondern „mit Augenmaß“, sagte Raed Saleh dem Tagesspiegel. Eine Vernichtung bestehender Kleingärten komme für ihn nicht in Frage, die SPD trete seit Jahren dafür ein, die bestehenden Freiflächen als Wohnungsbaupotentiale zu nutzen. Spandau habe ein eigenes Interesse an der Entwicklung und komme seinen Verpflichtungen zum Wohnungsbau nach.
Bürgermeister befürchtet Vernichtung hunderter Kleingärten
Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) spricht von der drohenden Vernichtung von mehreren hundert Kleingärten und Naturschutzflächen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Problem-Großsiedlung Heerstraße-Nord, für die dringend Erholungsflächen benötigt werden. In dem Gebiet befinden sich unter anderem vier Schulen, ein Seniorenstift, ein Polizeiabschnitt, ein Baumarkt sowie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. „Flächen, die wir nie anfassen wollten“, wie Kleebank betont.
„Diese Nutzungen sind über eine Vielzahl an Bebauungsplänen baurechtlich festgesetzt“, so Stadtrat Bewig. „Da der Bezirk über ausreichend Wohnungspotentialstandorte verfügt wird keine Notwendigkeit gesehen, bestehende Kleingartenanlagen zu überplanen oder kleineres Gewerbe zu verdrängen. So hat sich das Bezirksamt einmütig gegen die Pläne der Senatsverwaltung ausgesprochen. Dass Senatorin Lompscher jetzt ohne weitere Absprache plötzlich eine diesbezügliche Senatsvorlage eingebracht habe, sei „kein Zeichen von ordentlicher Zusammenarbeit“, sagt Bewig. Bürgermeister Kleebank bezeichnete das Verhalten der Senatorin als „unverständlich“.
Senatsverwaltung versteht Spandauer Aufregung nicht
Bei der Senatsverwaltung versteht man dagegen die Aufregung nicht. Bei der Vorlage sei es nicht um das Entwicklungsbiet gegangen, sondern um die mit dem Bezirk abgestimmte Ausweisung von Teilen der Wilhelmstadt als Stadtumbaugebiet, bei dem es um soziale Komponenten gehe. Allerdings soll die Vorlage auch einen Passus enthalten haben, dass hier ein größerer Bereich betrachtet werden solle. Eine Vorlage zum Thema Entwicklungsgebiet sei noch in der internen Abstimmung und überhaupt noch nicht für eine Senatssitzung angemeldet.
„Hier werden Sachen zusammengeschmissen, die überhaupt nicht in einen Topf gehören“, so Lompscher-Sprecherin Petra Rohland. Das Kasernengelände sei auch nicht als Ersatz für das aufgegebene Entwicklungsgebiet Elisabethaue in Pankow zu sehen. Vorgesehen seien vorbereitende Untersuchungen und die Erarbeitung einer adäquaten städtebaulichen Rahmenplanung. Sollten diese stattfinden könnte anhand der Untersuchungsergebnisse entschieden werden, welches bauplanungsrechtliche Verfahren anzuwenden ist und ob und in welcher Größe ein städtebauliches Entwicklungsgebiet ausgewiesen sollte. Ein Abriss von Bestandswohngebäuden sei nicht vorgesehen.
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Rainer W. During