Milliarden-Projekt für Berlin: Das große Geheimnis der Siemensstadt 2.0
Wenig bekannte Details, aber große Erwartungen und viele Forderungen: Was bisher über den Siemens-Campus und die Siemensbahn bekannt ist.
Noch liegt das Industrieviertel abgeschirmt hinter Zäunen, die S-Bahnstrecke ist eine Wildnis. Doch das soll sich bald ändern. Am Mittwoch, 17 Uhr, stellt der Siemens-Konzern in Berlin-Spandau seine ersten Pläne vor, wie die Zukunft des Areals aussehen wird. Projektname: "Siemensstadt 2.0".
[Meine Top 10 zum Siemens-Campus: ein 150 Meter Hochhaus, eine S-Bahn im Biber-Quartier, eine neue Europa-Schule Englisch, eine Mama aus Siemensstadt... hier 10 schnelle Fakten zu den neuen Campus-Plänen im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel. Unsere Bezirksnewsletter: konkret, persönlich, kostenlos und in voller Länge: leute.tagesspiegel.de]
Es ist ein Milliarden-Projekt für die Stadt. 600 Millionen Euro allein will der Siemens-Konzern an seinem alten Heimatstandort in Berlin-Siemensstadt investieren und diesen bis 2030 auffrischen. Er spricht vom "Kiez der Macher".
Geplant ist dort ein urbaner, offener Siemens-Campus, auf dem Forscher arbeiten und auch Start-ups ihren Platz finden. 2800 Wohnungen sollen dort entstehen - zum Beispiel für Studenten, die auf dem Campus arbeiten. Die Zäune rings um das Gelände sollen fallen.
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„Die Architekten haben Ideen entworfen und uns gezeigt. Jetzt liegt es am Preisgericht, im Januar einen Sieger zu benennen", hatte Spandaus Baustadtrat Frank Bewig, CDU, im Herbst dem Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel gesagt. "Vor 2021 wird da aber kein Bagger rollen.“
18 Architekturbüros haben ihre Ideen entworfen
18 Architekturbüros haben ihre städtebaulichen Ideen für diesen Campus entwickelt, die nun am Mittwoch in Berlin vorgestellt werden. Die Jury besteht aus einem großen Fach-Team, zu dem auch Berlins Baudirektorin Regula Lüscher gehört.
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Neben dem Regierenden Michael Müller lassen auch Fachleute wie Kultursenator Klaus Lederer (Linke, wegen des Denkmalschutzes), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), aber auch Bezirkspolitiker wie Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) oder Baustadtrat Frank Bewig (CDU) ihr Wissen einfließen. Der Rest ist bislang streng geheim.
"Head of Siemensstadt 2.0": Projektchefin ist Karina Rigby
Projektleiterin der Siemensstadt 2.0 ist Karina Rigby. Eigenbeschreibung bei Linkedin: "Creating Siemensstadt 2.0 - a smart district in Berlin". Sie hat in den USA gelebt, dort die Highschool besucht und auch studiert, arbeitete für Siemens schon in Georgia (USA), später Erlangen, seit 2013 auch in Berlin. Seit März 2019 ist sie "Head of Siemensstadt 2.0 - Projekt to build a Smart City in Berlin".
Bürger konnten sich in der Vergangenheit auf der Plattform www.siemensstadt-dialog.de beteiligen und haben auch Ideen beigesteuert - genauso wie einfache Kiez-Wünsche: "Ich brauch 'nen Supermarkt".
Im Frühjahr soll es dann auch konkreter werden an der Siemensbahn, auf der 1980 die letzte S-Bahn fuhr. Den Anfang machen die Landschaftsgärtner, die die Strecke freischneiden müssen, damit die Statiker den Untergrund genau untersuchen können.
Die Strecke beginnt am S-Bahnring am Regionalbahnhof Jungfernheide und führt über die Spree nach Siemensstadt - die 1999 abgerissene Brücke wird vom Wasserschifffahrtsamt wieder aufgebaut. Die CDU in Spandau möchte die Brücke zusätzlich für den Radverkehr öffnen.
Neue Brücke über die Spree - auch für Fahrräder?
Auf einem Viadukt und auf einem hohen Damm geht es 4,5 Kilometer nach Nordwesten, über die S-Bahnhöfe Wernerwerk und Siemensstadt bis zum S-Bahnhof Gartenfeld. Dort entstehen in diesen Monaten hunderte Wohnungen. Und nebenan wird ganz aktuell im Januar 2020 eine große Laubenkolonie am Saatwinkler Damm für weitere 765 Wohnungen planiert.
Den Wiederaufbau dieser S-Bahnstrecke bezahlt die öffentliche Hand. Siemens-Projektchefin Karina Rigby rechnete neulich mit einer halben Milliarde Euro, die die Siemensbahn inklusive einer Verlängerung nach Hakenfelde kosten soll. Eröffnungstermin? Unbekannt, aber zuletzt wurde der Zeitraum 2026 bis 2028 genannt. 2029 steht das 100-Jährige der S-Bahnstrecke an.
Wird die S-Bahn vom Siemens-Campus weiter an die Havel verlängert? Tausende Bürger hoffen
Diskutiert wird seit langem, ob die S-Bahnstrecke verlängert werden kann und dann auch die großen Berliner Neubaugebiete am Ufer der Havel erschließt. Im Spandauer Norden entstehen neue Wohnungen für 20.000 Leute (und schon heute sind Busse und Straßen überfüllt). Berlin denkt deshalb an die Verlängerung der Siemensbahn – die Strecke könnte vorbei an den S-Bahnhöfen Gartenfeld (Insel), Wasserstadt (Daumstraße) bis nach Hakenfelde (Streitstraße, hier) führen.
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„Diese Verlängerung wird als zweiter Bauabschnitt bezeichnet und ist Gegenstand dieser Machbarkeitsstudie“, heißt es jetzt in der Bauakte. Geprüft wird der wirtschaftliche Sinn: Würden genug Menschen die S-Bahn nutzen? Und wo wäre überhaupt noch Platz für eine oberirdische S-Bahnstrecke in der Wasserstadt? Ende August 2020 soll die Studie vorliegen. „Wenn wir die Verlängerung jetzt aber schon mitdenken und vorbereiten, müssten wir den S-Bahnhof Gartenfeld 18 Meter in die Tiefe legen, um den Kanal und die Gartenfelder Straße später mal im Tunnel zu unterqueren", hatte Berlins Bahnchef Alexander Kaczmarek dem Spandau-Newsletter im Sommer gesagt.
Durch die Siemens-Millionen kann auch Spandau profitieren
Zehntausende Anwohner im Spandauer Norden sind schlecht an den Nahverkehr angebunden - ausschließlich per BVG-Bus. Das reicht für den Alltag nicht aus. Durch die Siemenspläne können aber auch sie hoffen - bis vor wenigen Jahren galt der Wiederaufbau der Siemensbahn als chancenloses Projekt. Der Senat steht dem nicht mehr so ablehnend wie noch vor zwei Jahren gegenüber.
Im 10-Minuten-Takt zum Berliner Hauptbahnhof
Die S-Bahn wird später im 10-Minuten-Takt von Siemensstadt über den S-Bahnring ins Untergeschoss des Berliner Hauptbahnhofs rollen. Der neue Siemens-Campus ist so schneller an den neuen Berliner Flughafen BER angeschlossen - das war eine der Voraussetzungen des Konzerns, um groß in Berlin zu investieren.
Die Siemensstadt entstand 1897 im grünen Niemandsland zwischen den Städten Spandau und Berlin. In den Museen der Zitadelle Spandau wird an den berühmtesten Konzern (neben BMW und Osram) eher bescheiden erinnert - mit einer Mini-Vitrine. Das steht aber auf der Agenda der Museumsmacher.