Teure Modernisierungen: Berliner Freibäder werden temporär überdacht
Bis 2021 investieren die Bäderbetriebe rund 60 Millionen Euro in die Modernisierung. Drei wichtige Stadtbäder werden umfangreich saniert.
Traglufthallen sind meistens die Lösung, wenn schnell mal ein Dach her muss. Mehrere dieser aufgeblasenen Kunststoffhüllen dienten in Berlin schon als Flüchtlingsunterkunft, beliebt sind Traglufthallen auch als Winterdach für Tennisplätze. Jetzt melden die Bäderbetriebe konkrete Pläne an. Mehrere Standorte für solche Hallen würden geprüft, sagte Bäderchef Andreas Scholz-Fleischmann am Donnerstag. Eine davon soll das Sommerbecken am Kombibad Seestraße in Wedding überdachen, damit dort auch im Winter geschwommen werden kann, als Ausgleich für das Paracelcus-Bad in Reinickendorf, das wegen Sanierung zwei Jahre geschlossen wird.
Weil die Bäderbetriebe im Nachtragshaushalt von Rot-Rot-Grün 60 Millionen Euro erhalten haben, ist das laufende Sanierungsprogramm noch einmal aufgestockt worden. Drei wichtige Stadtbäder werden grundlegend instandgesetzt: Stadtbad Tiergarten, Paracelsus-Bad und das Kreuzberger Bad am Spreewaldplatz. Das bedeutet für viele Freizeitschwimmer, dass ihre Lieblingsbäder auf Jahre hinaus geschlossen bleiben. Auch das Vereins- und Schulschwimmen ist massiv betroffen. In diesem Jahr sollen auch viele kleinere Sanierungsprojekte umgesetzt werden.
Die Bäderbetriebe arbeiten an Ersatzlösungen für den Wegfall der Wasserflächen. Wo Traglufthallen aus baulichen Gründen nicht in Frage kommen, sollen feste Interimshallen errichtet werden. Als Ausgleich für das Bad am Spreewaldplatz, das ab Herbst ebenfalls für zweieinhalb Jahre schließen soll, ist auf dem Gelände des Prinzenbades eine aus Betonfertigteilen gebaute Schwimmhalle mit 25-Meter-Becken geplant. Ein Ingenieurbüro bereitet bereits die Ausschreibung vor, bis Ende des Jahres könnte die Halle stehen, hofft Scholz-Fleischmann. Die Halle soll auch längerfristig als Ausweichquartier fürs Schul- und Vereinsschwimmen dienen, wenn weitere Hallen saniert werden. Der Bäderchef sprach von einer Betriebsdauer von rund zehn Jahren. Zu den Kosten machte er keine Angaben.
Traglufthallen kosten in der Anschaffung rund 2,2 Millionen Euro. Weil die Hallen schlecht isoliert sind, sind die Heizkosten hoch. Für Brennstoff, Wartung und anderes musste das Berliner Flüchtlingsamt pro Halle und Monat rund 2000 Euro ausgeben. In Winterthur in der Schweiz wurde ein Tragluftprojekt für ein städtisches Schwimmbecken deshalb vom Gemeinderat abgelehnt.
Eine weitere Baustelle der Bäderbetriebe ist das knappe Personal. Dass Hallen bei hohen Krankenständen schließen müssen, soll künftig nicht mehr vorkommen. Das ist Teil eines Bädervertrages, den die Senatsverwaltung für Sport derzeit mit den Bäderbetrieben aushandelt. Der Vertrag soll ab 2020 gelten. Auch das Schulschwimmen soll dann neu organisiert werden. Bislang beansprucht die Schulverwaltung pauschal bestimmte Hallenzeiten für den Schwimmunterricht. Eine gesamte Halle wird für das öffentliche Schwimmen gesperrt, obwohl nur zwei Bahnen von den Schülern belegt sind. So war am Donnerstag auch das 50-Meter-Becken im Stadtbad Tiergarten nahezu leer, weil eine Klasse Schwimmunterricht hatte.
In den nächsten Wochen wollen die Bäderbetriebe 24 Rettungsschwimmer einstellen, es fehlen aber weiterhin vollwertige Fachkräfte. Ob das Personal reicht, um die Öffnungszeiten von Hallen besser abzusichern oder gar auszuweiten, ließ Scholz-Fleischmann offen. Die Vermietung von Bädern an Vereine, die auch öffentliches Schwimmen anbieten, sei wegen der Haftungsfragen problematisch. Dazu gebe es aber Gespräche mit dem Berliner Schwimmverband.
Der 60-Millionen-Plan
Stadtbad Tiergarten:
Grundsanierung und barrierefreier Ausbau, Kosten: Zwölf Millionen Euro. Baubeginn: Juni 2019, Dauer: zwei Jahre. Parallel baut der Bezirk Mitte ein 25-Meter-Außenbecken, Kosten: rund 2,7 Millionen Euro.
Paracelsus-Bad Reinickendorf: Umfangreiche Instandsetzung ab Juni für acht Millionen Euro, Dauer: zwei Jahre.
Bad am Spreewaldplatz, Kreuzberg: Grundsanierung und barrierefreier Ausbau, Modernisierung der Sauna, Kosten: 15 Millionen Euro. Beginn: Spätherbst, Dauer: 2,5 Jahre.
Halle Helene-Weigel-Platz, Marzahn: Auskleidung Schwimmbecken in Edelstahl, Kosten: zwei Millionen Euro. Bauzeit: Mai bis November 2019.
Stadtbad Schöneberg: Austausch der Lüftung, Reparatur Fliesenschäden, Wiederaufbau der Sauna. Kosten: 3,5 Millionen Euro. Bauzeit: Juni bis November. Sauna wird erst 2020 fertig. Schwimmbad bleibt während der Bauzeit offen.
Stadtbad Wilmersdorf: Technische Sanierung für 700 000 Euro, Bauzeit: Mai bis Ende September.
Stadtbad Märkisches Viertel: Sanierung der Lüftung, Erneuerung der Sprunganlage. Bauzeit Ende April bis Ende August.
Stadtbad Lankwitz: Betonsanierung, Bauzeit: 13. Mai bis Ende August.
Schwimmzentrum Landsberger Allee: Sanierung Wettkampfbecken. Bauzeit: Februar bis Ende Juni
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