Sanierungsstau in Berlin: Bezirke brauchen 375 Millionen Euro
Bei Volkshochschulen, Bibliotheken und anderen Kulturbauten herrscht Sanierungsstau. Dessen Beseitigung kostet und droht an Personalnot zu scheitern.
In Pankow die Brotfabrik, die Zitadelle in Spandau, in Mitte die Musikschule Fanny Hensel, das Haus am Wannsee in Steglitz-Zehlendorf, Bibliotheken, Volkshochschulen und Freilichtbühnen – überall bröckeln Fassaden, ist die Technik veraltet oder staut sich sonst wie der Sanierungsbedarf. Für die Auffrischung der Münze in Mitte versprach Kultursenator Klaus Lederer (Linke) am Mittwoch im Parlament 35 Millionen Euro. Weitere 375 Millionen Euro braucht das Land, um den Verfall der bezirklichen Kultureinrichtungen aufzuhalten, geht aus einer Aufstellung der Senatsverwaltung für Finanzen hervor. Aber auch das wäre nur eine Anzahlung.
Eine halbe Milliarde Euro ist realistischer, denn einige Bezirke machten gar keine Angaben, und das reißt Löcher in die Bilanz. Erst im zweiten Anlauf hatte Grünen-Kulturexperte Daniel Wesener überhaupt die lückenhafte Übersicht des „Sanierungsstaus“ bekommen, zwei Mal bat der Parlamentarier den Senat um Auskunft.
„Und drei Bezirke haben ja offenbar überhaupt keinen Überblick über ihre Sanierungsbedarfe“, sagt Wesener. Weil viele Dutzend Kulturbauten betroffen sind und der Finanzbedarf gewaltig ist, fordert er ein „eigenständiges Investitionsprogramm des Landes für öffentliche Verwaltungsgebäude und kommunale Einrichtungen“. Und Personal.
Neue Stellen nur auf dem Papier
Wegen der Sparpolitik hatten viele bezirkliche Bauämter Personal abgebaut. Inzwischen gebe es zwar auf dem Papier neue Stellen aber keinen echten Ersatz, weil die Öffentliche Hand keine Chance im Wettbewerb mit privaten Firmen um Fachkräfte hat, wie zuletzt auch der Chef der Fachgemeinschaft Bau bestätigte. „Die Bezirke müssen wieder konkurrenzfähig gemacht werden“, sagt Wesener. „Wir erleben gerade eine Kannibalisierung der öffentlichen Verwaltungen im Wettlauf um Bauingenieure und Architekten, zu Lasten der Bezirke.“
Erklärt der Personalmangel auch die lückenhafte Aufstellung des Sanierungsbedarfs? Dass es um Neuköllns Kulturbauten und Bildungseinrichtungen so gut bestellt ist, dass gerade mal 800 000 Euro investiert werden müssen, ist kaum zu glauben. Auch Lichtenberg meldet einen bescheidenen Bedarf von gerade mal 600 000 Euro an.
Dagegen führt der Bezirk mit dem umtriebigen Baustadtrat Ephraim Gothe mit Abstand die größten Sanierungs- und Baupläne auf bei seinen Kulturbauten: 169 Millionen Euro wäre nötig. Offensichtlich macht nicht nur die „Klosterruine“ in Mitte ihrem Namen alle Ehre, auch die sechs Bibliotheken müssen modernisiert werden, die Musikschule Fanny Hensel an mehreren Standorten, Volkshochschulen sowie die Galerien „Wedding“ und „Weisser Elefant“.
Bibliotheken und Kulturflächen in Kreuzberg
Kreuzberg sieht den höchsten Investitionsbedarf von 9,5 Millionen Euro bei der World Music Academy an der Bergmannstraße, obwohl das keine bezirkliche Einrichtung ist. Auf der Sanierungsliste auch die Bibliothek Dudenstraße und Kulturflächen im Fachvermögen des Schul- und Sportamtes: jeweils 2,5 Millionen Euro.
Pankow hat bereits Geld für einige Sanierungsprojekte zur Verfügung: für das „Kulturareal im Ernst-Thälmann-Park“, wo eine Komplettsanierung für 13,5 Millionen Euro bis 2022 läuft. Die Brotfabrik bekommt ebenfalls eine „Komplettsanierung“ für knapp vier Millionen Euro. In diesem Jahr kommt erst mal ein neues Dach aufs Gebälk. Ebenfalls vier Millionen Euro fließen in die Sanierung der Volkshochschule Pankow.
Spandau nimmt sich die Instandsetzung der Zitadelle vor und braucht dafür erst mal 22 Millionen Euro. Weitere „Grundsanierungen“ plant der Bezirk unter anderem bei seinem Kulturhaus, bei Musikschule und Volkshochschule, für jeweils mehr als vier Millionen Euro.
Sorgenfrei ist nur Lichtenberg
Eher übersichtliche Investitionen sind bei Kulturbauten in Steglitz-Zehlendorf geplant: 2,6 Millionen Euro für die Gottfried-Benn-Bibliothek. Volks- und Musikschulen müssen zudem saniert werden.
Der Bezirk Neukölln hat einfach mal pauschal 800 000 Euro angemeldet und führt acht Kulturbauten mit Sanierungsbedarf auf, darunter das Naturtheater Volkspark Hasenheide, der Gutshof Britz und den Saalbau Neukölln. Wie der Bezirk mit dem geringen Betrag für die vielen Vorhaben auskommen will, ist unklar.
Einen besseren Überblick bietet Tempelhof-Schöneberg, wo rund 50 Millionen Euro fehlen zur Sanierung von dem „Haus am Kleistpark“, dem „Gedenkort SA-Gefängnis an der Papestraße“ sowie fünf Stadtteilbibliotheken. Genauer führt auch Marzahn-Hellersdorf Buch: Kulturforum Hellersdorf und Kulturgut Marzahn zählen zu den größeren Sanierungsvorhaben, das Theater am Park mit zehn Millionen Euro und das Freizeitforum mit acht Millionen ebenfalls.
So gut wie sorgenfrei ist Lichtenberg. Von kleineren Investitionen in der Paul-Junius-Straße (500 000 Euro) oder in der Oberseestraße (50 000 Euro) abgesehen ist der Bezirk fein raus: Ein knappes Dutzend anderer Kultureinrichtungen hat er schlicht „angemietet“ – die Sanierung trägt der private Eigentümer.