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Clemens Stromeyer ist jetzt Einzelkämpfer – seit rund einem Jahr führt er den Potsdamer Sauenhain allein.
© Andreas Klaer

Potsdamer Sauenhain: Besuch beim Schweinehirt

Der Potsdamer Sauenhain ist in aller Munde. Doch hinter den Kulissen hat sich bei der Schweinehaltung einiges geändert.

Der Bart ist etwas länger geworden, der Kleidung sieht man die jahrelange Arbeit im Freien an. Dreieinhalb Jahre ist es mittlerweile her, dass Clemens Stromeyer seinen Bürojob als Geograf an den Nagel gehängt hat und mit seinem Kollegen Axel Penndorf Schweinehirt wurde. Im Norden Potsdams pachteten die beiden eine ehemalige Apfelplantage und machten daraus den Sauenhain, eine der wenigen Schweine-Freiland-Haltungen Deutschlands. In der Gastro-Szene ist der Sauenhain mittlerweile in aller Munde, auch viele Potsdamer kennen das besondere Projekt im ländlichen Grube. Doch hinter den Kulissen ist seit dem Start viel passiert.

Zunächst einmal ist aus dem enthusiastischen Duo ein Einzelkämpfer-Betrieb geworden: Axel Penndorf hat vor rund einem Jahr das Handtuch geschmissen. „Der Grund war nicht die Dynamik zwischen uns“, sagt Stromeyer. Vielmehr sei die harte und zeitaufwendige Arbeit einfach schwer mit der Familie zu vereinbaren gewesen. Schließlich müssen die Schweine jeden Tag versorgt werden, auch am Wochenende und in den Ferien. Dann kam noch die lange Pendelei für Penndorf hinzu – im Gegensatz zu Stromeyer, der mit Freundin und Tochter in Potsdam-West lebt, musste sein Partner täglich von Berlin in das abgelegene Grube pendeln.

Dass das Familienleben leidet, merkt auch Stromeyer. Auch deshalb arbeitet er mittlerweile mit Aushilfen zusammen, die ihm im Sauenhain mit dem täglichen Füttern und Tränken der Schweine helfen. So kann er sich zwei Tage die Woche ein Familienleben „leisten“ – und den vielen Bürokram erledigen. Der ist nochmal deutlich mehr geworden, seit das Bestellsystem mehrmals komplett über den Haufen geworfen wurde – die nächste Neuerung beim Sauenhain.

Kunden können wählen, welches Stück sie wollen

So können die Kunden mittlerweile frei wählen, welches Stück vom Schwein sie haben wollen – und in welcher Form. Hackfleisch, Schweinebraten, Schnitzel, Oberschale, Bratwürste oder Knacker – die Palette ist groß. Die festgelegten Boxen, die es anfangs für rund 80 Euro gab, sind nur noch als Zusatz im Sortiment. Früher waren sie mit unterschiedlichen Produkten bestückt und konnten von den Kunden nicht variiert werden. So sollte sichergestellt werden, dass das ganze Tier verwertet werden kann und nicht nur die sprichwörtlichen Filetstücke.

Doch das Konzept ging nicht auf, sagt Stromeyer. Um mehr Kunden zu gewinnen, erhöhte er die Flexibilität – und erweiterte sein Sortiment, um trotzdem das ganze Tier zu verwerten. Neu sind zum Beispiel der Schinken und die verschiedenen Glas-Produkte wie Leberwurst, die sich länger lagern lassen. Und er hat mehr Kunden in der Gastronomie, doch dort werden schlechtere Preise gezahlt.

Im Potsdamer Sauenhain dürfen die Ferkel die ersten zehn Wochen bei den Muttertieren bleiben und Muttermilch trinken.
Im Potsdamer Sauenhain dürfen die Ferkel die ersten zehn Wochen bei den Muttertieren bleiben und Muttermilch trinken.
© Andreas Klaer

Dabei findet Stromeyer seine Kilopreise moderat – angesichts der aufwendigen, tierfreundlichen Haltung im Sauenhain. Offiziell biozertifiert ist er zwar nicht, weil er kein Biofutter für die Tiere kaufen kann und will. Aber im Gegensatz zu den Schweinen, die später beim Discounter als Bio-Schnitzel landen, dürfen seine Tiere das ganze Jahr über draußen sein und sich nach Lust und Laune im Matsch suhlen – während ein ausgewachsenes Schwein laut EU-Bio-Verordnung 1,3 Quadratmeter Stall zur Verfügung hat. Außerdem haben Stromeyers Schweine nicht nur ein schöneres, sondern auch ein längeres Leben. Sie werden erst geschlachtet, wenn sie 150 Kilogramm auf die Waage bringen, das tun sie meist mit rund einem Jahr – dann sind sie etwa doppelt so alt wie Schweine in der normalen Bio-Haltung.

Stromeyer brennt immer noch für sein Projekt

Da seine Tiere viel Platz brauchen, hat Stromeyer auch noch weitere Wiesen dazu gepachtet. Dort dürfen sich jetzt die „Halbstarken“ austoben und satt fressen, bevor sie zum Schlachter kommen. Der eigentliche Hain mit seinen Obstbäumen ist jetzt den Sauen und den Ferkeln vorbehalten. Die ersten zehn Lebenswochen dürfen die Kleinen mit den Muttertieren zusammen sein und Muttermilch trinken. Auch der Eber räkelt sich in einem abgesteckten Bereich unter den knorrigen Apfelbäumen – derzeit mit drei der insgesamt zwölf Sauen.

Stromeyer brennt immer noch für sein Projekt, das sieht man ihm an, wenn er mit seinen Stiefeln zwischen den Schweinen steht und erzählt. Jede neugierige Sau, die zum Schnüffeln angetrabt kommt, bekommt von ihm eine Streicheleinheit, noch immer kann er sich über die Ferkel amüsieren, die sich zwischen den Bäumen jagen.

Er ist motiviert, aber langfristig müssen die Verkaufszahlen besser werden, sagt er. Kürzlich hat er noch einmal den Mindestbestellwert gesenkt, um damit quasi die Hemmschwelle zu senken, jetzt liegt er bei 50 Euro. Zugleich ist das Bestellen verlässlicher geworden: Wer bis Sonntag unter www.sauenhain.de bestellt, hat am Freitag garantiert sein Fleisch. Je nach Bestellmenge kommen am Montag mehr oder weniger Schweine auf den Hänger zum Schlachten. Meistens sind es zwei oder drei. Mit ihnen fährt Stromeyer zum Gut Hirschaue bei Beeskow, mit dem er mittlerweile zusammenarbeitet. Dort werden die Tiere geschlachtet und – wenn sie abgehangen sind – gemäß der Bestellungen verarbeitet. Am Donnerstag fährt Stromeyer noch einmal hin und verpackt die vakuumierten Teile in speziell isolierte DHL-Boxen, die dann per Express-Versand an die Kunden geschickt werden. Sie müssen die Pakete dann am Freitag selbst entgegennehmen, können aber auch einen Nachbarn beziehungsweise Paketshop angeben.

„Jetzt habe ich alles mir mögliche getan, um den Kunden entgegenzukommen“, findet Stromeyer. „Jetzt müssen sie nur noch bestellen.“

Katharina Wiechers

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