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Lehrerin mit Kopftuch
© imago/epd

Berliner Neutralitätsgesetz: Berufsschulen wollen keine Kopftücher

Wann ist ein Schüler reif genug, um mit offensiven religiösen Bekenntnissen seiner Lehrer entspannt umgehen zu können? Dazu haben sich nun Berliner Schulleiter zu Wort gemeldet.

Berliner Berufsschulleiter protestieren dagegen, dass für ihre Schulen das Neutralitätsgesetz mitsamt Kopftuchverbot für Lehrkräfte nicht gilt. „Viele Schüler der berufsbildenden Schulen sind minderjährig und befinden sich in einer Phase jugendlicher Sinnsuche“, heißt es in einer Stellungnahme vom Freitag. Es leuchte also nicht ein, dass die Berufsschulen – anders als die allgemeinbildenden Schulen – vom Neutralitätsgesetz ausgenommen seien.

"Lehrer sind sehr prägend"

„Ich glaube, dass Lehrerpersönlichkeiten sehr prägend für Schüler sind“, bekräftigte der Vorsitzende der Vereinigung „Berufliche Bildung Berlin“ (BBB), Ronald Rahmig, auf Anfrage. Daher lehne es „die übergroße Mehrheit“ der Mitglieder ab, dass Lehrer ihr Verhältnis zur Religion oder einer Weltanschauung in der Schule „zur Schau stellen“ dürfen.

Bislang werden Lehrerinnen, die trotz Kopftuchs unterrichten möchte, von der Bildungsverwaltung an die Berufsschulen verwiesen. Argumentiert wird damit, dass Berufsschüler reif genug seien, um sich der religös-weltanschaulichen Beeinflussung durch Lehrer zu entziehen. Immer wieder kommt es zu Klagen von Lehrerinnen. Der letzte Fall stammt aus dem vergangenen Jahr und wurde vor dem Landesarbeitsgericht verhandelt.

"Im höchsten Maße kontraproduktiv"

Negativ wirkt sich nach BBB-Ansicht auch aus, dass sich unter unter den Lehrerinnen, die wegen ihres Kopftuchs zu ihnen kommen, viele Grundschulkräfte befinden, die für Berufsschulen nicht ausgebildet sind. Die Bildungsbehörde habe darum einzelnen Schulleitern empfohlen, diese Lehrerinnen in Willkommensklassen einzusetzen. Das hält der BBB „für im höchsten Maße kontraproduktiv“.

Wie berichtet, sammelt die Initiative "Pro Neutralitätsgesetz" aktuell Unterschriften für die Beibehaltung des Gesetzes, das Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) nach einem Richterspruch aus Karlsruhe für nicht haltbar hält. Gegen diese Auslegung wendet sich aber ein aktuelles Gutachten des Staatskirchenrechtlers Gerhard Czermak. Der Jurist hebt bei seiner Argumentation unter anderem darauf ab, dass das Bundesverfassungsgericht zwei gegensätzliche Beschlüsse gefasst habe. Es gebe keinen Grund, nur den zweiten von 2015 als wegweisend anzusehen.

Die Sache mit dem Schulfrieden

Auch der BBB ist nicht überzeugt von der Argumentation der Verfassungsrichter. Sie hatten zu Bedenken gegeben, dass das Kopftuch nur dann ein Problem sei, wenn es den Schulfrieden tatsächlich störe. Eine "abstrakte Eignung zur Begründung einer Gefahr" reiche nicht aus. Dazu sagte Rahmig: "Wenn der Schulfrieden gestört ist, ist es schon zu spät".

Ein Dissenspunkt zur Initiative "Pro Neutralitätsgesetz"

Seine Vereinigung ist also im Kern einer Meinung mit der Initiative "Pro Neutralitätsgesetz"; der Unterschied besteht aber darin, dass die Initiative nur für die allgemeinbildenden Schulen spricht und - wie der Berliner Gesetzgeber - davon ausgeht, dass die Berufsschulen mit den betreffenden Lehrern und ihren auffälligen religiösen Zeichen zurechtkommen. In der Folge argumentiert die Initiative, dass das Neutralitätsgesetz kein "Berufsverbot" für die betreffenden Lehrer bedeute, da sie ja an Berufsschulen arbeiten könnten. Genau dieser Punkt der Argumentation hat aber bei der BBB Verärgerung und Unverständnis ausgelöst.

Das Berliner Neutralitätsgesetz verbietet auch das Tragen auffälliger christlicher oder anderer religiöser Symbole. Zuletzt gab es Streit wegen eines Kreuzes und eines Fisches am Hals einer Lehrerin.

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