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Draußen essen macht Spaß, aber das Einweggeschirr bereitet viele Probleme.
© Thilo Rückeis

Vermüllte Parks: Berlins Senat unterstützt EU-Pläne zum Verbot von Plastikgeschirr

Die EU-Kommission will Plastikgeschirr verbieten. Senat und Umweltschützer begrüßen das – und manche Griller sehen es gelassen.

Das Picknick-Grill-Familienfest unter einem großen Baum im Schlesischen Busch soll noch auf 20 Personen anwachsen. Die beiden Frauen, Mitte 30, mit vier kleinen Kindern sind am Sonnabend nur die Vorhut. Salate, Fleisch, Fladenbrote und Getränke, in diversen Plastiktüten und Körben verstaut, Stühle und Tische von Ikea, und einen wackligen Alu-Grill haben sie mitgebracht.

„Wir nehmen aber alles wieder mit“, sagt die Frau mit den langen Haaren, aus denen das Blond langsam rauswächst. Bis auf den Müll, der komme natürlich in die dafür vorgesehenen Mülleimer. „Sie können später gerne vorbeikommen und kontrollieren.“ Dass Andere ihre Grillreste, Flaschen, Chipstüten, verschmutzte Pappteller und Plastikbecher einfach auf den Wiesen liegen lassen, „finden wir scheiße“, sagt ihre Freundin.

BSR sammelte 12.000 Kubikmeter Müll ein

Zum Auftakt der Grill- und Partysaison in den Berliner Parks wird wieder deutlich, dass politische Appelle zur Müllvermeidung, NGO-Kampagnen für Mehrweg, Müllsammelaktionen von Schulen und Vereinen oder dramatische TV-Dokus über Plastikmüll in den Weltmeeren nur begrenzte Wirkung auf das konkrete Handeln entfalten. Der mündige Bürger erlaubt sich, seine Zigarettenkippen wegzuschnipsen und die Reste seiner Mahlzeit am Lieblingsplatz zurückzulassen.

In den zwölf Grünanlagen, um die sich seit 2016 die BSR kümmert, wurden bis Ende vergangenen Jahres 12 000 Kubikmeter Müll eingesammelt. Ab Juni schickt der Senat die BSR in 34 weitere Parkanlagen, Spielplätze und Grünflächen der Stadt (siehe Kasten). Die Straßenfeger in Orange kehren, anders als ihre Kollegen von den Grünflächenämtern, auch an Wochenenden den Abfall anderer Leute zusammen. Wo viel gefeiert und gegrillt wird, wie im Görlitzer Park, werde eben öfter gereinigt, sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Auf Kosten aller Steuerzahler und der öffentlichen Moral. Müllsünder können schließlich argumentieren, die BSR mache ja eh bald sauber.

Auch eine Steuer auf Plastik wird geprüft

In diese Gemenge aus menschlichem Versagen und gesellschaftlicher Ohnmacht schlägt die EU-Kommission mit einem Entwurf eine Bresche, der sinnvoll erscheint, zumindest auf den ersten Blick. In einer neuen Richtlinie soll wie bereits kurz berichtet der Verkauf von Einweggeschirr aus Plastik verboten werden. Außerdem plane EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger eine Steuer auf Plastik, schreibt die „Wirtschaftswoche“. Die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt begrüßt das Vorhaben. „Ein Verbot von Einweggeschirr aus Plastik könnte die Verschmutzung durch Kunststoffe und deren schädliche Auswirkungen auf unser Leben und die Umwelt mindern“, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. Auch das Bundesumweltministerium plädiert dafür.

Wieviel Einweggeschirr in Berlin verbraucht und weggeworfen wird, ist nicht bekannt. Bislang konzentrierte sich die Verwaltung zusammen mit der BSR und Umweltverbänden auf den riesigen Abfallberg aus Kaffee-Einwegbechern. Stündlich würden nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe 20 000 Einwegbecher in Berlin verbraucht, das sind 170 Millionen Becher pro Jahr oder ein Abfallvolumen von 2400 Tonnen.

2580 Bäume für 170 Millionen Becher

„Für ihre Herstellung wird das Holz von 2580 Bäumen verbraucht, außerdem 1320 Tonnen Rohöl und 85 Millionen Liter Wasser“, heißt es – eine gigantische Ressourcenverschwendung. Mit der Initiative „Better World Cup“ sollen Coffee-to-go-Kunden auf Mehrweg umgeschult werden. Auf einer interaktiven Karte (betterworldcup.de) sind 641 „Refiller“ verzeichnet, also Cafés oder Backshops, die für einen mitgebrachten Kaffeebecher einen Rabatt von 10 bis 20 Cent geben, oder einen Keks. 82 Refiller akzeptieren das Mehrwegsystem ReCup.

Ob die EU-Kommission auch die Kaffeebecherflut eindämmen will, ist unklar. Für die Grill-Frauen vom Schlesischen Busch wäre das Verbot von Plastikgeschirr „nicht so schlimm“. Dann würden sie eben richtiges Geschirr mitbringen. Ohne diesen Zwang bleibe es bei den bequemen Plastikgabeln.

Vielleicht sollte in den BVG-Bussen Coffee to go ausgeschenkt werden. Da können sie mit der teuren Tasse nicht weglaufen.

schreibt NutzerIn base51

Biologisch abbaubar ist keine Alternative

Auf öffentlichen Märkten und Großveranstaltungen ist Einweggeschirr bereits tabu. Die Bezirke verbieten das einfach per Auflage. Auch in Kantinen und Mensen wird nicht von Plastiktellern gegessen. Das Problem sind eher die Essens-Lieferdienste und die Schnellgastronomie. Alle To-go-Verpackungen – ob Plastik, Alu oder Pappe – landen im Restmüll oder in der Umwelt. „Ordnungspolitisch muss was gemacht werden“, sagt Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Verbote sind sinnvoll, aber was ist die Alternative?“ Wenn die Hersteller auf biologisch abbaubare Kunststoffe ausweichen, wäre das kaum ein Gewinn. Diese verrotten nur unter optimalen Klimabedingungen. In der Umwelt könnten sie ähnliche Schäden in der Nahrungskette anrichten wie nicht verrottbare Kunststoffe. Mehrweg- oder Pfandsysteme sind aus Sicht des Umweltbundesamtes „allen Einweglösungen“ deutlich überlegen.

Verbote will die rot-rot-grüne Senatskoalition eigentlich vermeiden, besonders die Grünen möchten nicht mehr als Verbotspartei wahrgenommen werden. Käme das Verbot jedoch aus Brüssel, hätte die Ökopartei damit weniger Probleme. „Ich finde es gut, wenn es auf europäischer Ebene geregelt wird“, sagt Silke Gebel, Fraktionschefin der Berliner Grünen. Der Senat sollte sich parallel dazu stärker für Mehrwegsysteme einsetzen. „Da ist noch nicht alles ausgeschöpft.“

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