Tourismus in der Coronakrise: Berlins Senat hat keinen Plan zur Rettung der Hotel-Branche
Ein Vorschlag zur Rettung der Hotellerie: eine „Corona-Abgabe“. Doch im Berliner Senat hadert man mit dem Konzept.
Es war ihm um nicht weniger als die Rettung der Hotel-Branche in Berlin gegangen. Vor sechs Wochen hatte Hotelmanager Michael Zehden seine Pläne zur Untersetzung der gebeutelten Branche in der Coronakrise präsentiert und sie mit einem markigen Satz begründet: „Die Autoindustrie Berlins ist der Tourismus.“
Inzwischen hat sich Zehden mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und den Fraktionsvorsitzenden Burkard Dregger (CDU) und Sebastian Czaja (FDP) ausgetauscht. Doch selbst der umtriebige frühere Aufsichtsratsvorsitzende bei Berlins Tourismus-Marketing-Gesellschaft Visit Berlin muss erfahren, dass in der Politik Geduld unerlässlich ist: „Ich habe schon das Gefühl, dass der Wille da ist, aber die Mühlen mahlen langsam.“
Unbestritten ist die Notlage, in der sich viele Hotels, Hostels und Herbergen in der Stadt befinden. Einige, wie das „Sofitel“ in Wilmersdorf, sind bereits insolvent. Die Zahl der Übernachtungen ist eingebrochen. Von März bis Ende August gab es laut dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) eine Belegung von rund 20 bis 40 Prozent, je nach Lage und Angebot. Verschlimmert wird die Situation durch die coronabedingte Absage von fast allen Messen und Tagungen. Eine Entwicklung, die auch im kommenden Jahr anhalten dürfte.
Doch dass Zehdens Vorschlag umgesetzt wird, ist nicht ausgemacht. Der Hotelmanager hatte ein Unterstützungsdarlehen von 700 Millionen Euro vom Land vorgeschlagen. Das Geld solle als Kredit vergeben werden, den die Hotels über eine sogenannte „Corona-Abgabe“ innerhalb von zehn Jahren zurückzahlen würden. Dabei sollten Gäste auf alle Leistungen drei Prozent mehr bezahlen, der Überschuss würde in die Rückzahlung laufen. Zehden ist dieser Punkt wichtig: „Das ist kein Geschenk, sondern wird zeitnah zurückbezahlt.“
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Genau das bezweifelt aber der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, Frank Jahnke. Er verweist auf die bereits bestehende Berliner City Tax, bei der fünf Prozent auf den Netto-Übernachtungspreis aufgeschlagen werden. 2018, also vor der Pandemie, hatte die Steuer rund 50 Millionen Euro eingebracht. „Ich glaube nicht, dass eine weitere Abgabe von drei Prozent angesichts der schwachen Übernachtungszahlen auch nur 50 Millionen Euro pro Jahr in die Kassen spült“, sagte Jahnke. Ein Darlehen über 700 Millionen Euro könne also keinesfalls innerhalb von zehn Jahren zurückbezahlt werden. In einem stimmt Jahnke jedoch Zehden zu: „Man sollte Hotellerie und Gastronomie noch umfassender unterstützen.“
In der Wirtschaftsverwaltung verweist man auf „umfangreiche existierende Hilfen“ von Bund und Berlin. Zudem habe man mit dem Kongressfonds – einem zehn Millionen Euro teuren Anreizmodell zur Wiederbelebung des analogen Tagungsgeschäfts – ein Instrument zur Wiederbelebung des Tourismus geschaffen. Eine Sprecherin sagte: „Wir begrüßen Vorschläge aus der Branche. Hilfen aus öffentlicher Hand müssen den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.“
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Auch Michael Müller, der sich bereits mehrfach zu dem Thema mit Zehden besprochen hat, hält sich zurück. „Der Regierende Bürgermeister freut sich über den interessanten Vorschlag, den Herr Zehden gemacht hat. Dieser muss allerdings von allen Akteuren getragen werden“, teilte Senatssprecherin Melanie Reinsch mit. Es müsse geklärt werden, ob der Vorschlag finanziell tragbar sei, der Regierende könne sich aber einen runden Tisch zum Thema Tourismus vorstellen.
IHK fordert Hilfen für die laufenden Fixkosten
Henrik Vagt, Geschäftsführer Wirtschaft und Politik bei der Industrie-und Handelskammer, sagt, die Unternehmen mit schlechter Perspektive würden auch in der nächsten Zeit nicht in der Lage sein, ihre Verluste aus der Lockdown-Zeit wieder auszugleichen. Man brauche nun Hilfsinstrumente , die einen Großteil der weiterlaufenden Fixkosten decken – zum Beispiel durch einen erweiterten Gewerbemietenzuschuss. „Und die Unternehmen müssen im Aufschwung handlungsfähig sein. Zu diesem Zweck haben andere Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg Maßnahmen in Form von Beteiligungsfonds gestartet“, sagt Vagt. Dort übernehme das Land stille Beteiligungen an systemrelevanten, mittelständischen Unternehmen. Über die Beteiligung entscheide ein Beteiligungsrat aus Politik und Branchenvertretern. „Ein solches Modell stellt aus unserer Sicht eine flexible und branchenoffene Lösung auch für Berlin dar.“
Der stellvertretende Dehoga-Hauptgeschäftsführer Gerrit Buchhorn appellierte, dass die Berliner Hotellerie „deutlich höhere Hilfen“ benötige. „Die Idee von Herrn Zehden wäre eine Option, um diese Krise zu überstehen. Wichtig wäre, dass es sich um eine staatlich angeordnete und zeitlich befristete Abgabe handelt. Denkbar ist, dass die Abgabe von allen Übernachtungsgästen zusätzlich zum Zimmerpreis gezahlt und vor Ort einbehalten wird, ähnlich einer Kurtaxe.“
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