Gleichberechtigung: Berlins Parteien stehen vor der Frauenfrage
Berliner Genossinen haben protestiert: Sie glauben, in der SPD gebe es keine Gleichberechtigung. Mancher politischer Wettbewerber schmunzelt - andere Parteien entsenden kaum Frauen ins Parlament.
Strippenzieherei und Kungelei unter Männern: Das werfen viele Sozialdemokratinnen ihren Genossen vor, nachdem wie berichtet die stellvertretende SPD- Landeschefin Iris Spranger in der Fraktionsabstimmung über das Amt des Parlamentspräsidenten gegen ihren Parteifreund Ralf Wieland eine Niederlage erlitten hatte. Die Frauen sehen die von der SPD propagierte Geschlechtergerechtigkeit nicht mehr umgesetzt und sind aus der gleichnamigen parteiinternen Arbeitsgruppe ausgetreten. In der Tat hat der gesamte Frauenanteil im neu gewählten Abgeordnetenhaus im Vergleich zur vorigen Legislaturperiode wenn auch geringfügig um 1,3 Prozent auf 34,9 Prozent abgenommen. Am schlechtesten schneiden die Piraten ab: Unter 15 Fraktionsmitgliedern gibt es nur eine Frau.
Der Protest der SPD-Frauen wird auf der geschäftsführenden Landesvorstandssitzung am heutigen Freitag thematisiert. Auch andere der 17 SPD-Frauen in der 47-köpfigen Fraktion können den Ärger ihrer fünf Genossinnen nachvollziehen, wollen aber nicht namentlich erwähnt werden. Die Frauenquote beträgt rund 37 Prozent. Neben der Forderung, alle Senatsposten der SPD paritätisch zu besetzen, gibt es auch Druck auf die Besetzung des Fraktionsvorstands. „Wir haben sehr gute Frauen, die für die erste und nicht für die zweite Führungsriege infrage kommen“, sagte Spranger, die selbst nicht für den Fraktionsvorstand antreten will. Bisher ist der geschäftsführende Fraktionsvorstand mit drei Frauen und drei Männern besetzt. „Die SPD müsste fortschrittlicher sein“, sagt auch eine andere Berliner SPD-Spitzenpolitikerin. „Es zeichnet sich ab, dass die Posten für den Fraktionsvorsitz und im Senat unter Männern ausgehandelt werden“, sagte Eva Högl, Landeschefin der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und Bundestagsabgeordnete aus Mitte.
SPD-Fraktions- und Parteichef Michael Müller weist die Vorwürfe der Frauen entschieden zurück. „In der SPD haben Frauen wie Männer gleiche Chancen. Jede Frau kann kandidieren. Ich fordere die Frauen ausdrücklich auf“, sagte Müller dem Tagesspiegel. In der SPD gilt eine Frauenquote von 40 Prozent bei der Besetzung von Gremienposten. Der Landesvorstand will auf Bundesebene einen Antrag einbringen, die Quote in der SPD bundesweit auf 50 Prozent anzuheben. Dieser Antrag wird aber wohl wenig Aussicht auf Erfolg haben.
Über die „Frauenprobleme“ in der SPD dagegen können die Linke und die Grünen nur schmunzeln. „Die SPD erfüllt ihren eigenen Anspruch in den seltensten Fällen, Frauen nach vorne zu stellen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Sie nannte das Duo Wowereit und Müller eine „männerdominierte Achse“. Die Grünen haben eine Quote von 50 Prozent bei der Listenaufstellung. Frauen können dazu auch auf Männerplätzen kandidieren. 16 der 29 grünen Fraktionsmitglieder sind weiblich, also 55,1 Prozent.
Die höchste Frauenquote aller im Parlament vertretenen Parteien hat die Linke mit rund 63,2 Prozent: zwölf ihrer 19 Fraktionsmitglieder sind Frauen. Dem sechsköpfigen Fraktionsvorstand gehören drei Frauen und drei Männer an – mit Udo Wolf als Fraktionschef.
In der CDU-Fraktion gibt es unter den 39 Mitgliedern nur sechs Frauen, eine Quote von knapp 15,4 Prozent. „Das ist zu wenig“, sagte die CDU-Rechtspolitikerin Cornelia Seibeld. Politik sei aufgrund der Strukturen wenig familienkompatibel und für viele Frauen deswegen nicht attraktiv. Laut Satzung der Berliner CDU sollen Frauen an Parteiämtern in der CDU und an öffentlichen Mandaten mindestens zu einem Drittel beteiligt sein.
Quoten für Frauen interessieren die Piraten dagegen nicht. Susanne Graf ist die einzige Frau unter den 15 Abgeordneten. Damit bilden die Piraten mit einer Quote von 6,6 Prozent das frauenfeindliche Schlusslicht. „Wir haben uns gegen eine Quote ausgesprochen, weil viele Frauen in der Partei keine Quotenfrauen sein wollen“, sagte Graf. Sie habe als einzige Frau in der Fraktion keine Probleme. Und es gebe viele Frauen in der Partei, die „hinter mir stehen und mir ihre Hilfe anbieten“.
Sabine Beikler
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