Verkehr in der Hauptstadt: Berlins Mobilitätsgesetz kommt voran
Das Mobilitätsgesetz des Berliner Senats nimmt eine weitere Hürde – und löst zum Teil schon Euphorie aus. Aber den Kritikern dauert das Verfahren immer noch zu lang.
Für die Grünen ist es nichts anderes als eine Revolution – das bundesweit bisher einmalige Mobilitätsgesetz. Am Dienstag hat es zwar erst eine weitere Kurve geschafft, indem der Senat den – modifizierten – Entwurf „zur Kenntnis“ genommen hat, doch für die Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek war es schon ein „historischer Tag.“
Dabei geht der Entwurf noch Anfang des nächsten Jahres in den Rat der Bürgermeister und kann erst anschließend vom Senat und dem Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Termine dafür nannte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) „aus Respekt vor dem Parlament“ nicht. Sie wünsche sich aber eine lebhafte Debatte.
Unfallschwerpunkte sollen entschärft werden
Während das Gesetz nach Ansicht der Initiatoren des Volksentscheids Fahrrad viel zu langsam in Gang kommt, betrachtet Günther das bisherige Vorgehen als „Turbo-Verfahren“. Schneller sei es nicht zu schaffen, sagte sie. Am Entwurf war von Februar bis August gearbeitet worden, anschließend gab es sechs Wochen Zeit für Einwendungen und Anregungen, die dann abgearbeitet werden mussten. Rund 700 Hinweise waren eingegangen.
Gestrichen wurde danach nach Angaben von Günther unter anderem das Verbandsklagerecht. Dies habe die Mehrheit bei den Beratungen gewollt. Auch der Wunsch des ADAC, als gefährlich erkannte Kreuzungen zu entschärfen, selbst wenn bei Unfällen keine Radfahrer beteiligt waren, stehe jetzt im Entwurf.
Er sieht unter anderem vor, dass im ersten Geltungsjahr zehn solcher Knotenpunkte umgebaut werden, 20 sollen es im folgenden Jahr sein und anschließend dann jeweils 30. In diesem Jahr hat man gerade drei geschafft, was Günther unter anderem mit der Neuorganisation bei der Verkehrslenkung Berlin (VLB) begründete. Diese muss jeweils zustimmen.
Ziel des Gesetzes im allgemeinen Teil ist unter anderem, die Zahl der bei Unfällen getöteten oder schwer verletzten Menschen auf Null zu senken („Vision Zero“). In diesen Jahr gab es bisher 33 Verkehrstote; darunter waren neun Radfahrer.
Fahrradparkhäuser für Berlin
Der vorliegende Entwurf beinhaltet einen besonderen Teil für den Radverkehr. Nach wie vor soll es an Hauptstraßen möglichst geschützte Radstreifen geben, die vom Autoverkehr getrennt sind und Radfahrern ausreichend Platz zum Überholen anderer Radler lassen. In Nebenstraßen soll ein Netz von Radwegen entstehen. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, drei Fahrradparkhäuser zu bauen – an den Bahnhöfen Gesundbrunnen und Ostkreuz sowie am S-Bahnhof Zehlendorf. Früher war ein solcher Bau auch am Hauptbahnhof geplant. Bis 2025 sollen außerdem insgesamt 100 000 Abstellplätze geschaffen werden – je zur Hälfte an Haltestellen und im öffentlichen Raum.
Der dritte Teil des Entwurfs sieht den – barrierefreien – Ausbau des Nahverkehrs vor. Unter anderem sollen Bahnen und Busse verstärkt Vorrang bei Ampelschaltungen erhalten. Auch weitere Busspuren sind vorgesehen. Wie viele Parkplätze durch die Radstreifen und Busspuren stadtweit wegfallen, lasse sich noch nicht beziffern, sagte Günther.
Verhaltenes Feedback von Wirtschaft und Radfahrern
Im nächsten Jahr soll das Mobilitätsgesetz mit den Teilen zum Fußgängerverkehr und zur „Intelligenten Mobilität“ (Carsharing, autonomes Fahren) ergänzt werden. Auch für den Wirtschaftsverkehr kann es einen Extrateil im Gesetz geben – falls sich beim derzeitigen Erstellen des integrierten Wirtschaftskonzepts der Bedarf dafür ergebe, sagte Günther weiter.
Die Wirtschaft freut’s zum Teil schon jetzt: Für sie sei es beruhigend, dass sich die Bedeutung des Wirtschaftsverkehrs jetzt auch im Gesetz wiederfinde, erklärte die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer, Beatrice Kramm. Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck, erklärte, er hätte erwartet, dass die Bedürfnisse der Unternehmen stärker berücksichtigt würden.
Zurückhaltend bleiben die Initiatoren des Volksentscheids, dessen Erfolg das Mobilitätsgesetz auf den Weg gebracht hat. „Das Ziel, es in diesem Jahr zu verabschieden, wurde nicht erreicht“, sagte Kerstin Stark von der Initiative. Die Koalition müsse endlich Tempo vorlegen und dazulernen. „Sonst kommen wir nie an.“