Berlin-Charlottenburg: Berlins ICC soll wieder Kongresszentrum werden
Fachleute, Messe-Aufsichtsratschef und Wirtschaftssenatorin Pop plädieren für eine Sanierung des ICC. Der Stadt gingen sonst große Kongresse verloren. Aber wer soll das bezahlen?
Gehen im Internationalen Congress Centrum (ICC) am Messedamm, das vor vier Jahren geschlossen wurde, doch wieder die Lichter an? Kongress- und Hotelfachleute drängen darauf, das „Raumschiff“ mit seiner inzwischen verstaubten Aluminiumhaut wieder in Betrieb zu nehmen. „Wir haben ganz eindeutig ein großes Konferenzzentrum zu wenig“, sagte Willy Kausch, Chef des weltweit agierenden Eventveranstalters K.I.T. Group, am Montag im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses.
Dort machte sich auch Christian Andresen vom Berliner Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dafür stark, das ICC zu sanieren und dem florierenden Kongressbetrieb in Berlin wieder zur Verfügung zu stellen. „Die Konkurrenz in Istanbul und Madrid, Paris und London rüstet auf, aber bei uns fehlen Kongressflächen, so gehen Berlin gute Geschäfte verloren“, sagte Andresen in einer Anhörung des Parlamentsausschusses.
Auch Wolf-Dieter Wolf, Aufsichtsratschef der landeseigenen Messe GmbH, die wegen des baulichen Zustands und der hohen Betriebskosten des ICC ihr Interesse am legendären Kongressgebäude weitgehend verloren hat, gestand ein: „Der Markt für zusätzliche Kongress- und Hotelflächen in Berlin ist da.“
Bisher ist die Messe nur bereit, in einem sanierten und modernisierten ICC 10.000 Quadratmeter Kongressfläche neu zu bespielen. Aber diese Zahl, so Wolf, sei nicht in Stein gemeißelt. „Wenn es 12.000 oder 15.000 Quadratmeter werden, um so besser.“ Ob er damit auch für die Geschäftsleitung sprach, blieb am Montag offen. Messechef Christian Göke blieb, obwohl eingeladen, der Sitzung des Ausschusses fern. Die Abgeordneten fanden das gar nicht gut.
Berlin ist laut Pop noch immer wichtiger Kongress-Standort
Die Haltung der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) war schon vor der zweistündigen Debatte im Abgeordnetenhaus klar. „Berlin braucht Flächen für Groß-Kongresse“, sagte sie und verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem die „Wiedernutzbarmachung des ICC als Messe und Veranstaltungsort“ festgeschrieben sei. Pop warnte aber auch vor Panikmache.
Berlin gehöre nach wie vor zu den wichtigsten Kongress-Standorten in der Welt, „wir sind nicht abgemeldet“. Damit es nicht wieder bei politischen Absichtsbekundungen bleibt, bereitet die Wirtschaftsverwaltung gerade eine Senatsvorlage vor, um ein Interessenbekundungsverfahren in Gang zu bringen.
Damit soll ab 2019 nach privaten Investoren gesucht werden, die bereit sind, in das marode ICC viel Geld zu stecken. Etwa um ein Hotel zu bauen. Auch „Einkaufsmöglichkeiten“ schließt Pop nicht aus, eine große Shopping-Mall will Rot-Rot-Grün aber nicht. Im Landeshaushalt stehen für das stillgelegte Kongressgebäude 200 Millionen Euro zur Verfügung. Das reiche für die geplante Schadstoffsanierung, die Suche nach Investoren und eine Untersuchung, ob und wie sich die ungünstige Innenarchitektur des ICC verändern lasse, so Pop.
Denn in einem waren sich die Fachleute am Montag einig: 11 Prozent nutzbare Fläche, die das ICC bietet, seien viel zu wenig. 35 Prozent sollten es schon sein, sagte Messe-Aufsichtsratschef Wolf. Und er erinnerte an das größte Problem, das seit über 15 Jahren ungelöst ist.
Schadstoffbelastetes, veraltetes Gebäude
Die öffentliche Hand ist allein nicht willens und in der Lage, viele Hundert Millionen Euro für eine Komplettsanierung des schadstoffbelasteten und technisch völlig veralteten Gebäudes zu bezahlen. Die Wirtschaftsverwaltung des Senats sprach Ende vergangenen Jahres von mindestens 500 Millionen Gesamtkosten.
Gustav Salffner, Dozent an der Hochschule für Wirtschaft und Technik, kam in einer Studie zum ICC gemeinsam mit seinen Studierenden sogar auf die gigantische, aber nicht lebensferne Gesamtsumme von 790 Millionen Euro. Zuzüglich Betriebskosten von jährlich 6 Millionen, denn solche großen Kongresszentren sind nirgendwo auf der Welt rentabel zu betreiben, sondern brauchen staatliche Finanzzuschüsse. Salffner warnte auch vor der Idee, das ICC abzureißen und an der Stelle einen Neubau hinzusetzen. Das wäre ein „sehr teurer Spaß“. Doch über Abrisspläne wollte im Wirtschaftsausschuss niemand reden.
Jetzt soll also erst einmal ein Investor gesucht werden, der Geld mitbringt. Parallel dazu sollen aus Landesmitteln die Schadstoffe beseitigt werden, das wird nach Schätzung der Wirtschaftsverwaltung 65 Millionen Euro kosten. Dann muss geklärt werden, wie die verschiedenen Bereiche des ICC künftig genutzt werden sollen und wer das sanierte Gebäude verwaltet und betreibt: Ein Privater oder eine kommunale Gesellschaft?
Außerdem haben die Denkmalschützer ein Wörtchen mitzureden und wahrscheinlich auch die noch lebende ICC–Architektin Ursulina Schüler-Witte. Das bestätigte im Ausschuss Wirtschafts-Staatssekretär Henner Bunde (CDU). Der Landesdenkmalrat hatte im Februar nach einer ausführlichen Beratung einen „besonnen, schrittweisen und behutsamen Sanierungsprozess“ empfohlen.