Grüner Landesparteitag: Berlins Grüne wollen Wohnungsunternehmen legal enteignen
Die öffentliche Hand solle die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt entschärfen, wenn Wohnungsunternehmen ihrer Verantwortung nicht nachkommen.
Berlins Grüne haben sich am zweiten Tag ihres Landesparteitags mit breiter Mehrheit hinter die Ziele des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ gestellt. Dem Landesvorstand gelang es, schon vor der Debatte am Samstag einen Kompromiss zu finden. „Wir würden uns wünschen, dass die Umstände uns nicht zwingen, die Vergesellschaftung als letztes Mittel anzuwenden, um den verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen zu können.
Wenn Wohnungsunternehmen sich jedoch weigern, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen, wird die öffentliche Hand, auch durch ein Volksbegehren gestützt, die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt mit diesem Schritt entschärfen“, steht jetzt im Wahlprogramm. Die Diskussion um rein quantitative Kriterien wird kritisch gesehen, stattdessen müssten qualitative Kriterien erarbeitet werden.
Die Initiative, die einen Volksentscheid parallel zur Abgeordnetenhauswahl anstrebt, will alle Konzerne ab 3000 Wohnungen vergesellschaften.
Die Grünen wollen dagegen diskutieren, wie Vergesellschaftungen rechtssicher möglich wären. Wichtig ist deshalb ein zweiter Abschnitt im Wahlprogramm: „Da der Artikel 15 im Grundgesetz noch nie praktisch angewandt wurde, ist es umso wichtiger, eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Gesetzes zeitnah zu erarbeiten.“ Der Artikel regelt, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ gegen eine Entschädigung vergesellschaftet werden könnten.
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Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin, Katrin Schmidberger, sagte dem Tagesspiegel: „Wir können nicht den Volksentscheid abwarten. Wenn wir eine Vergesellschaftung fordern, ist mein Anspruch, auch zu erklären, wie das gehen kann.“ In der Debatte um das Kapitel wurde die Begriffe „Enteignungen“ und „Vergesellschaftung“ vermieden.
„Wir holen uns die Stadt zurück – und zwar Haus für Haus“
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek sagte: „Wir holen uns die Stadt zurück – und zwar Haus für Haus.“ Als Mittel zählte sie das Deckeln der Mieten, Ankäufe von Wohnungen, Neubau und Vergenossenschaftlichung und Wohnungskataster auf. zu einem Volksentscheid, der bei einem erfolgreichen Volksbegehren womöglich zeitgleich mit der Abgeordnetenhauswahl ansteht, sagte sie nichts.
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Zuvor hatte der Immobilienentwickler Thomas Bestgen, der die Genossenschaft DieseEG mitfinanziert hat, die Grünen ermutigt, in den Wohnungs- und Bodenmarkt einzugreifen. Dem im Grundgesetz festgeschriebenen Leitsatz „Eigentum verpflichtet“ müsse Geltung verschafft werden, heißt es im Wahlprogramm.
Zentral sei es, Mieter zu schützen und Spekulationen Einhalt zu gebieten
Zentral sei, Mieter zu schützen, Spekulationen Einhalt zu gebieten und den Anteil des gemeinwohlorientierten Wohnungsbestands „schnellstmöglich“ auf 50 Prozent zu erhöhen.
Der Grünen-Beschluss offenbart einen Konflikt in dieser Frage innerhalb der rot-rot-grünen Koalition und könnte eine Belastung für mögliche Verhandlungen zur Fortsetzung des Bündnisses nach der Wahl sein. Die Linke ist zwar für Enteignungen und unterstützt aktiv die Unterschriftensammlung, die SPD hingegen ist strikt dagegen.
Selbstkritisch äußerte sich Bettina Jarasch in einer Rede zu Anti-Diskriminierung über „unreflektierte Kindheitserinnerungen“. Zuvor hatte sie gesagt, sie wäre früher gern „Indianerhäuptling“ geworden. Dass sie das Wort in den Mund nahm, hatte Teile der Partei empört. „Auch ich muss noch dazu lernen“, sagte Jarasch.
In der Diversität der Bundestagsliste sieht die Spitzenkandidatin Verbesserungspotenzial: „Ja, wir haben noch Luft nach oben“, sagte Jarasch. Ändern wird sich an der Liste nach Tagesspiegel-Informationen aber wohl nichts mehr. Die Kandidaten werden am Sonntag gewählt.