zum Hauptinhalt
Von Baukränen umgeben: Einen Tag vor der offiziellen Eröffnung.
© picture-alliance / dpa

20 Jahre neuer Potsdamer Platz: Berlins geliebtes Scheusal

Vor zwanzig Jahren wurde der neue Potsdamer Platz eröffnet: mit Reden, aber auch mit Kritik und Unkenrufen.

Null Uhr, taghell. Und das soll bis morgen fertig werden? Ungläubiger Blick auf die behelmten Bauarbeiter, die in der Nacht vor der feierlichen Eröffnung des Potsdamer Platzes vor zwanzig Jahren noch Pflastersteine in den Sand klopften. Das Lied vom „Fertig werden“ lag in der Luft zwischen kreischenden Fliesenschneidern und holpernden Schubkarren und die offene Frage, wie sich der Platz mit Leben füllen wird. Und ob überhaupt?

Unkenrufe gab es genug, dass hier an der einstigen Schnittstelle zwischen Ost und West, im früheren Niemandsland der unmittelbaren Mauerumgebung eine neue Ödnis entstehen würde, dass aus diesem gigantischen 68.000 Quadratmeter großen Sandkasten niemals ein Ort werden würde, an dem das Leben wuselt, an dem Menschen Filme und Musicals sehen, shoppen und essen, flanieren und genießen. Zu nah war vielen noch die Erinnerung an Schreie und Schüsse und Scheinwerfer, an Vopos, bellende Hunde und das ganze Elend der unmenschlichen Grenzbefestigung mitten in einer sinnlos geteilten Stadt.

Aber dann kam alles doch ganz anders. Nach dem ersten Spatenstich am 11. Oktober 1993 ging es zügig voran. Vom Dach des Weinhauses Huth wanderte 1995 noch ungehindert der Blick auf den damals verhüllten Reichstag. Ringsum lag das wüste Land der aufgewühlten Erde, aus dem bald zügig die Bauten empor wuchsen, deren Namen noch unvertraut über die Zungen gingen, hier Piano, dort Kollhoff. Wie es sich gehört in Berlin. sparte man nicht mit Kritik.

Zwar mussten für die Eröffnungsfete die schweren Baugeräte vorübergehend im Tiergarten-Tunnel versteckt werden, um von der Tatsache abzulenken, dass der Platz tatsächlich noch nicht wirklich fertig war. Aber wen sollte das stören an einem Ort, wo der Berliner Spirit mit Nervenstärke nonchalant und ein bisschen kaltschnäuzig die Winde der Veränderung zelebrierte, das Echo noch im Ohr von Bill Clintons „Nichts wird uns aufhalten“ beim ersten Gang eines amerikanischen Präsidenten durchs Brandenburger Tor vier Jahre zuvor.

Um die Jahrhundertwende herrschte auf dem Platz so viel Verkehr wie sonst kaum irgendwo in Europa.
Um die Jahrhundertwende herrschte auf dem Platz so viel Verkehr wie sonst kaum irgendwo in Europa.
© dpa
Zerstörung des Platzes im Zweiten Weltkrieg.
Zerstörung des Platzes im Zweiten Weltkrieg.
© Imago

Die Berliner und ihre Gäste kamen dann tatsächlich in Scharen in die Arkaden, die Einkaufslustigen aus Ost und West. Sie eroberten das Musical-Theater, die Bars, die Kinos. Natürlich gab und gibt es Flauten. Hier, wie überall sonst auch. Die sind gut fürs Adrenalin und werden überwunden. Im Blitzlichtgewitter der Berlinale errang der Platz Weltruhm als Glamour-Ikone, eine leuchtende Patina, mit der niemand so gerechnet hatte. Plötzlich war hier alles zu sehen, was Berlin angeblich nie aufbringen konnte, Abendroben, Smokings. Grandezza. Eleganz. Wunder.

Die Feier der Zukunft auf einem bislang unveröffentlichten Bild von der Eröffnung.
Die Feier der Zukunft auf einem bislang unveröffentlichten Bild von der Eröffnung.
© Vincent Mosch

Zur Startseite