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Köchin Nicole Graf serviert in der veganen Mensa auf dem Campus der Technischen Universität ein veganes Gericht mit Glasnudeln und Chinakohl.
© dpa

„Schmeckt trotzdem!“: Berlins erste vegane Mensa eröffnet

Schnitzel oder Currywurst: Solche Fleisch-Klassiker sind aus den Uni-Küchen kaum wegzudenken. Doch das Angebot wandelt sich, zeigt eine neue Mensa in Berlin.

Etwas irritiert lässt der junge Mann den Blick über die Theken schweifen. Wo ist das Fleisch geblieben? Er fragt die offiziell aussehende Frau - es ist die Sprecherin des Berliner Studierendenwerks, die gerade durch die neue Mensa führt. Jana Judisch erklärt ihm, dass es hier jetzt nur noch veganes Essen gibt, er Fleisch aber weiter in der großen Mensa im Obergeschoss bekommen könne. Mit Blick auf seinen vollen Teller versichert sie: „Schmeckt trotzdem!“

Seit Ende März läuft Berlins erste und Deutschlands wohl größte rein vegane Mensa im Testbetrieb. Offiziell eröffnet die Einrichtung auf dem Campus der TU Berlin an diesem Dienstag. Die ehemalige Cafeteria im Erdgeschoss der Hardenbergstraße 34 im Ortsteil Charlottenburg wurde dafür umgebaut. Von Mensa-Muff keine Spur: Viel Glas, hippe Lampen, Sessel - der Lounge-Bereich, wo Studis vor dem Laptop sitzen, ist eingerichtet wie eine teurere Coffee-Bar. Es brauche heutzutage eine andere Ästhetik, sagt Judisch. „Sonst kommen die Studierenden nicht mehr.“

Klar, dass das Studierendenwerk auch mithalten muss bei einem der größten Essenstrends der vergangenen Jahre unter gesundheits- und umweltbewussten jungen Städtern: pflanzliche Ernährung, teils sogar glutenfrei. Das sei gefragt, so Judisch. Die Studenten bekommen nun ein im Wortsinn buntes Angebot: zum Beispiel Kürbis-Chiasamen-Bratlinge, Asiatisches direkt aus dem Wok, Linsen-Grünkern-Curry, Salate und Süßes. Alles ohne Fleisch, Käse, Ei, Milch und andere tierische Zutaten.

Die nach eigenen Angaben bundesweit erste und bisher einzige vegane Mensa gibt es in Nürnberg, seit 2017 werden dort pro Tag bis zu 150, manchmal auch 200 vegane Essen ausgegeben. Seit 2010 gibt es zudem an der Freien Uni in Berlin die vegetarische Mensa „Veggie No. 1“, die laut Judisch überrannt wird. Der Name der neuen Mensa „Veggie 2.0“ knüpft daran an. 500 oder mehr Besucher werden täglich angepeilt. Damit ist sie im Vergleich zum Pendant im Obergeschoss mit täglich mehr als 4500 ausgegebenen Essen immer noch ein Nischenangebot.

Studenten besuchen die vegane Mensa auf dem Campus der Technischen Universität.
Studenten besuchen die vegane Mensa auf dem Campus der Technischen Universität.
© dpa

Schaut man sich sonst in Berlin um, ist vegane Gastronomie fast schon normal geworden: Portale im Netz zeigen zwischen 70 und 100 solcher Cafés, Imbisse und Restaurants an. Sie ballen sich vor allem im Prenzlauer Berg, in Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Von Pizza bis hin zu Donuts ist alles zu finden. Hinzu kommen Hunderte Adressen, wo zumindest vegane Optionen zur Wahl stehen. All das ist auch ein Tourismus-Faktor: Die Vegan-Szene passe zum nachhaltigen Lebensstil, den vor allem ausländische Gäste mit Berlin verbänden, so Christian Tänzler, Sprecher von Visit Berlin.

Zielgruppe der Vegan-Mensa seien nicht nur reine Veganer, sondern auch Vegetarier und Menschen, die kein Schwein essen wollen, sagt Köchin Nicole Graf. „Wir wollen niemanden bekehren.“ Grundsätzlich können auch Externe mit einer Mensakarte zur bargeldlosen Bezahlung in den Berliner Mensen essen - zu einem etwas teureren Preis. Primär sind die Einrichtungen aber zur Versorgung der Studenten da.

„Eine vegane Mensa ist immer noch etwas Besonderes, auch wenn der Trend allgemein hin zu mehr veganen Angeboten geht“, sagt Felicitas Kitali von der Tierrechtsorganisation Peta. Peta kürt seit einigen Jahren die vegan-freundlichsten deutschen Mensen. Nach Kitalis Einschätzung haben viele normale Mensen inzwischen zumindest eine vegane Option täglich im Angebot und sind dabei kreativer geworden.

Köchin Graf hat eine Art Weiterbildung in veganem Kochen gemacht und kennt nun Tricks, um zum Beispiel das Ei im Kuchen (mehr Öl oder Banane) und Proteine in herzhaften Gerichten (Hülsenfrüchte etwa) zu ersetzen. Umstrittener Fleischersatz wie Sojawurst kommt bei ihr vorerst nicht in die Pfanne: zu teuer schon im Einkauf, sagt Graf. Der Preis ist für Studis nach wie vor ein Faktor: Die Bratlinge mit Beilage und Soße kosten sie 1,75 Euro. Hungrige kommen da in Scharen.

Figurbewusste sollten die Bratlinge aber nicht unbedingt täglich essen, sagt Graf - vegan sei nicht zwangsläufig immer auch gesund. Sie selbst isst nicht rein vegan. Wie unideologisch sie an das Thema herangeht, zeigt ein Dessert, das sie kürzlich privat serviert habe: veganes Mousse au Chocolat (aus Seidentofu) - mit Eierlikör. (dpa)

Gisela Gross

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