Wohnungsnot in Berlin: Berlins Bauwirtschaft verzweifelt an Senatorin Lompscher
Die Mieten steigen, beim Neubau hapert es. Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher sucht die Verantwortung bei privaten Unternehmen – und erntet dafür Kritik.
Verblüffung, Bestürzung und je nach Gemüt auch Empörung löste ein Aufruf von Berlins Senatorin für Stadtentwicklung, Katrin Lompscher (Linke), aus. Sie appellierte vor dem Hintergrund erneut sprunghaft gestiegener Mieten und Wohnungspreise, dass alle einen Beitrag zur Entspannung des Marktes leisten müssten – dabei nannte sie ausdrücklich auch die privaten Unternehmen. Ausgerechnet die Privaten, die sich vom Senat aus öffentlichen Siedlungsvorhaben herausgedrängt fühlen?
Markiert die Überschreitung der 10-Euro-Marke bei den Wohnungsmieten zugleich eine Kehrtwende in der Senatspolitik? Die Chefin des Berliner Landesverbandes privater Wohnungsunternehmen BFW, Susanne Klabe, sagt: „Ohne die Privaten hätte der Senat längst einpacken können und trotzdem nutzen die Verwaltungen das Planungsrecht, um den Neubau von Wohnungen zu verhindern.“
Da hat sich etwas aufgestaut, aber es ist wohl auch das Gefühl, hier werde einer ganzen Branche Unrecht getan. Klabe jedenfalls legt mit Fakten nach: Von den rund 13.400 Wohnungen, die im Jahr 2016 fertig wurden, hätten die Privaten 10.000 gebaut, rund 2000 seien Einfamilien- oder Doppelhäuser und „die etwa 780 städtischen Wohnungen haben landeseigene Firmen nicht selbst gebaut, sondern von uns gekauft“.
Auch Neubauzahlen werden einbrechen
Es fehle nicht die Bereitschaft „für den Mittelstand Wohnungen zwischen acht und 12 Euro zu bauen“, sondern schlicht die Voraussetzungen. Bereits beim ersten Gespräch kurz nach Dienstantritt der Senatorin hätten BFW-Verbandsmitglieder Lompscher auf die alarmierende, um 34 Prozent eingebrochene Zahl von Grundstücksverkäufen hingewiesen und gewarnt: Wo kaum noch Bauland angeboten wird und das zu horrenden Preisen, da werde auch wenig gebaut: Spätestens in zwei Jahren würden deshalb auch die Neubauzahlen einbrechen.
„Damit neben den städtischen Unternehmen auch Genossenschaften und private Unternehmen endlich so viel bauen können, wie sie gerne würden, braucht es bezahlbares Bauland, Änderungen bei den Verwaltungsstrukturen Berlins und eine Willkommenskultur für Neubau“, sagt auch Maren Kern, Chefin des größten Wohnungsverbandes BBU. Doch daran fehlt es, und in ihrer Not hatten die Chefs der landeseigenen Wohnungsunternehmen einen Brandbrief an Katrin Lompscher geschrieben. Der BFW hatte sich aus ähnlichen Gründen an SPD-Fraktionschef Raed Saleh gewandt, im Namen von sechs der zehn größten Berliner Bauträger.
Großer Mangel an Bauland
Lompscher selbst sagt, die Privaten seien „von Anfang an Gesprächspartner gewesen“, nur lege der Senat eben den „politischen Schwerpunkt auf die landeseigenen Firmen“. Andere Bauvorhaben „behindern wir deshalb aber nicht“. Dies seien „pauschale Behauptungen“. Wie groß der Mangel an Bauland ist, zeigte passenderweise der Senatsbeschluss vom Dienstag: Weil es bis zu 15 Monate dauert, bis landeseigene Grundstücke bisher sogar an die politisch begünstigten eigenen Wohnungsfirmen übertragen werden, ist nun eine „Beschleunigung“ geplant. 171 Flächen zum Bau günstiger Mietwohnungen wurden bisher übertragen und mindestens ein weiterer Schub mit bis zu 30 Grundstücken soll in Kürze folgen. Allerdings geht auch diese Reserve zur Neige, das jedenfalls hatte die Staatssekretärin der Finanzverwaltung vor wenigen Wochen gesagt.
Auf die geballte Kritik der Wohnungsunternehmen hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bereits mit der Einrichtung eines Steuerungsausschusses unter Beteiligung der Senatskanzlei reagiert. In Senatskreisen ist nun zu hören, dass dabei auch der Neue in der Senatskanzlei, Frank Nägele, als „Baustaatssekretär“ bald die Fäden ziehen könnte. Die Kompetenz dafür bringt der Mann mit aus seiner Zeit im niedersächsischen Wirtschaftsministerium. Zweimal hat das Gremium bisher getagt, für eines der blockierten Bauvorhaben fand das „Supergremium“ eine Lösung, der zweite Problemfall wurde vertagt.
„Lompscher selbst hat doch das Neubaubündnis mit den Privaten aufgekündigt, indem sie das Berliner Modell einseitig so änderte, dass sich Wohnungsbau für sie auf diesen Flächen kaum noch rechnet“, sagt CDU-Generalsekretär Stefan Evers. Die meisten privaten Firmen bauten deshalb Wohnungen im Umland. Eine weitere Verschärfung der Regeln, die zu mehr Aufwand und höheren Kosten führe, sei die Novelle der Bauordnung in diesem Jahr gewesen. „Politik ohne Taschenrechner“ nennt Evers das – wer das auf dem Felde der Wirtschaft versuche, der stehe schließlich „allein auf weiter Flur“.