Organisierte Kriminalität: Berliner Staatsanwaltschaft will um Nutzung von Encrochat-Daten kämpfen
Nachdem das Landgericht sich gegen die Verwendung der Nachrichten aus dem Verschlüsselungsdienst entschieden hatte, wehrt sich nun die Berliner Staatsanwaltschaft. Das Kammergericht soll den Fall prüfen.
Die Berliner Staatsanwaltschaft will eine Entscheidung des Landgerichts gegen die Verwendung abgefangener Nachrichten aus dem Verschlüsselungsdienst Encrochat nicht hinnehmen. Die Staatsanwaltschaft Berlin werde mit Rechtsmitteln dagegen vorgehen und vor das Kammergericht ziehen, kündigte sie am Freitagabend über Twitter an.
Die Entscheidung des Landgerichts von Donnerstag stehe im Gegensatz zu allen bisherigen Entscheidungen von Oberlandesgerichten. Daher wolle man eine „Überprüfung durch das Kammergericht herbeiführen“. Das Landgericht hat am Donnerstag die Eröffnung eines Prozesses gegen einen Verdächtigen wegen Drogenhandels abgelehnt und die Anklage nicht zugelassen. Zugleich ordnete das Gericht die Freilassungen des Mannes aus der Untersuchungshaft an. Erstmals hat ein deutsches Gericht damit Encrochat-Verfahren gestoppt.
Eine Justizsprecherin bestätigte entsprechende Bericht von „Spiegel“ und „Welt“. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die abgefangenen Encrochat-Nachrichten nicht verwertet werden dürften.
Nach Ansicht des Gerichts sind die Daten ohne konkreten Tatverdacht abgeschöpft worden, daher seien die Erkenntnisse daraus nicht verwertbar. Zudem handle es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, weil das Handy des Beschuldigten heimlich infiltriert worden sei. Ferner hätten die französischen Behörden die deutschen Stellen darüber in Kenntnis setzen müssen, wenn Personen in Deutschland von den geknackten Daten betroffen sind.
Kryptohandys und Encrochatvor allem von Kriminellen genutzt
Oberlandesgerichte etwa in Hamburg, Bremen und Rostock sehen hingegen keine Hürde für die Verwertbarkeit der Daten. Doch aus Sicht der Berliner Richter müssen ein derartige Überwachungszugriff auf Chatdaten der Strafprozessordnung standhalten.
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Sogenannte Kryptohandys von Encrochat wurden vor allem von Kriminellen genutzt. Der Dienst galt wegen seiner aufwendigen Verschlüsselung als nicht zu knacken, die Kriminellen fühlten sich sicher. Doch der Polizei in den Niederlanden und Frankreich war es im vergangenen Jahr gelungen, mehr als 20 Millionen geheimer Nachrichten abzuschöpfen. 60 000 Teilnehmer hatten den aufwendig verschlüsselten Chatdienst genutzt.
Auch die deutschen Behörden haben die Daten aus Frankreich über das Bundeskriminalamt (BKA) bekommen, allein bei der Berliner Staatsanwaltschaft sind bis zu 40 Verfahren anhängig, wie eine Sprecherin dem Tagesspiegel sagte. Jetzt hängt es zunächst am Berliner Kammergericht, wie es weiter geht. Bestätigt es die Linie der Vorinstanz, dürfte das auch Folgen für anderen Verfahren haben.
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Ohnehin wird in der Justiz aber damit gerechnet, dass die grundsätzliche Frage der Verwertbarkeit der Daten in einem der zahlreichen Verfahren vor den höchsten Gerichten verhandelt wird – am Bundesgerichtshof (BGH), im Zweifel vor dem Bundesverfassungsgericht in Karslruhe.Selbst das Berliner Landgericht hatte bislang die Daten für verwertbar erachtet. Anfang Juni hatte eine andere Kammer einen Prozess gegen einen 38-Jährigen aus dem Rockermilieu eröffnet. Er soll großen Stil mit Drogen gehandelt haben, aber auch Waffen.
Der Mann soll für seine Geschäfte ein kryptierten Mobiltelefons des Anbieters Encrochat genutzt haben. Die Staatsanwaltschaft stützt sich auch in diesem Verfahren vor allem auf entschlüsselte Datensätze aus Frankreich. In diesem Verfahren ließ die Kammer die Anklage zu – auch hierbei hatten die Anwälte darauf gedrungen, dass die erlangten Chat-Daten nicht verwertet werden dürften. (mit dpa)
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