Enteignungsdebatte: Berliner SPD will Entscheidung verschieben
Die Linke will enteignen, die Grünen hadern noch. Und die SPD? Die sucht nach Auswegen aus dem Dilemma.
Die Linke sagt Ja zur Vergesellschaftung und unterstützt die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“. Die Grünen sind zurückhaltender, aber die Mehrheit sympathisiert wohl mit der Initiative. Mitte Mai will die Partei eine gemeinsame Position beschließen. Ob die SPD auf einem Landesparteitag am Sonnabend Farbe bekennt, ist noch ungewiss. An der Parteibasis wächst die Neigung, die Enteignungsinitiative „positiv zu begleiten“, wie aus dem Landesverband verlautet.
Um eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden, sucht der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller, der die Enteignungsforderung ablehnt, nach Ausweichstrategien. So will er versuchen, eine Beschlussfassung auf den Herbst zu vertagen. Bis dahin solle, so schlägt es die Antragskommission des SPD-Vorstands vor, „ein innerparteilicher Diskussionsprozess mit breiter Beteiligung unserer Mitglieder stattfinden“. Teile der Partei hoffen, dass in absehbarer Zeit ein zeitlich begrenzter, landesrechtlich geregelter Mietenstopp („Berliner Mietendeckel“) realisierbar ist.
So könne man sich Luft verschaffen, bis der Mietenmarkt in Berlin wieder entspannt sei, steht in einem Antrag für den Parteitag, über den parteiintern schon Konsens besteht. Betont wird in dem Antrag, dass die Wohnungs- und Mietenpolitik der Berliner Sozialdemokraten aus einem Dreiklang bestehe: „Bauen, kaufen, deckeln“.
Ob dies ausreicht, um die Enteignungsdiskussion im SPD-Landesverband auf den Herbst zu verschieben, ist aber offen. Vor allem die Jusos unterstützen das Volksbegehren, um den „kapitalistischen Wohnungsmarkt zu bekämpfen“.
Grüne: Vergesellschaftung als „ultima ratio“
Am 6. April startet die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ mit der Unterschriftenaktion als erste Stufe für ein Volksbegehren. Parallel dazu ruft ein Bündnis mit 200 Initiativen zur Großdemonstration ab 12 Uhr auf dem Alexanderplatz auf. Auch die Grünen haben an diesem Tag ihren Landesparteitag. Aber sie werden nicht über Mieten und Enteignung diskutieren. Stattdessen will die Partei unter anderem über selbstbestimmtes Leben, Antidiskriminierung und „Berliner Sonne - die Energie der Zukunft“, so der Titel eines Leitantrags, diskutieren.
Die Grünen lassen sich Zeit mit einer gemeinsamen Position. „Wir unterstützen die Ziele der Initiative, dass möglichst viele Wohnungen in kommunaler Hand oder in genossenschaftlichen Modellen sind“, sagte Parteichef Werner Graf. Nur „wild vergesellschaften“ wolle man nicht. Die Vergesellschaftung sei eine „ultima ratio“.
Graf gehört wie die Abgeordnete und mietenpolitische Sprecherin Katrin Schmidberger zum linken Parteiflügel. „Wir brauchen ein scharfes Schwert gegen renditeorientierte Unternehmen“, sagte Schmidberger. Sie will am 6. April nach zwei Stunden auf dem Parteitag zur Mietendemo gehen.
Vergesellschaftung hört sich anders als Enteignung an. Denn davor warnt Grünen-Wirtschaftssenatorin Ramona Pop. „Es sollte Politik und Wohnungswirtschaft zu denken geben, dass bei vielen Menschen das Grundgefühl vorherrscht, dass ihre Wohnung nicht mehr sicher ist. Dennoch warne ich davor, das Wort Enteignung leichtfertig in den Mund zu nehmen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Alle Instrumente müssten genutzt werden, um Mieter zu schützen. Der Dreiklang „Bauen, kaufen, regulieren“ sei essenziell. Auf Bundesebene müsse das Mietrecht zugunsten der Mieter geändert werden. Im Mai wollen die Grünen eine Position beschließen.
Die Linke wartet geduldig auf die Positionen von SPD und Grünen. „Wir haben noch Zeit“, sagte die Landesvorsitzende Katina Schubert. Ihre Position ist klar: Der Linken-Parteitag hatte sich im Dezember für die Unterstützung der Initiative ausgesprochen, zur Demo am 6. April wird mobilisiert. Was für Pop der „Dreiklang“, ist für Schubert der „Sechsklang“: Bodensicherung, Neubau bezahlbarer Wohnungen, Mietendeckel, intelligente Nachverdichtung, strategische Ankaufpolitik, Vergesellschaftung.
Dass die Initiative am 6. April viele Unterschriften sammelt, ist für Sprecher Rouzbeh Taheri klar. Aber so schnell wolle man damit gar nicht fertig werden. Zwei Monate lang soll gesammelt werden: Die Zielzahl liegt bei 50 000 Unterschriften. 20 000 Unterschriften müssen innerhalb von sechs Monaten gesammelt werden, um einen Antrag auf ein Volksbegehren zu stellen.