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SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat keine Lust auf eine weitere Groko.
© Mike Wolff

Auf dem Weg zur Großen Koalition: Berliner SPD-Politiker lehnen Sondierungsergebnis ab

Berlins SPD teilt die Kritik des Regierenden Bürgermeisters am Sondierungspaket. Sogar Konkurrent Saleh stimmt Müller zu.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh und der Regierende Michael Müller sind sich oft spinnefeind – doch die Aussicht auf eine zweite Groko im Bund schweißt die Kontrahenten zusammen. Raed Saleh bekräftigte auf Twitter seine „kritische Haltung“, Michael Müller forderte im Interview mit dem Tagesspiegel „entscheidende Veränderungen“ bei den weiteren Verhandlungen und sorgte damit für bundesweites Aufsehen.

Schon heute könnte sich der Landesvorstand der Berliner SPD die Ablehnung vieler Genossen zu eigen machen. Die Jusos wollen einen Antrag gegen das Sondierungsergebnis mit der CDU einbringen – nach Einschätzung führender SPDler stehen die Chancen nicht schlecht, dass er durchkommt. Am Samstag stimmte bereits der SPD-Landesparteitag in Sachsen-Anhalt gegen eine Neuauflage der Großen Koalition, ebenfalls auf Antrag der Jusos. Unter dem Twitter-Hashtag #NoGroKo kursiert eine „Berliner Erklärung“, in der die Delegierten des Bundesparteitags am 21. Januar aufgefordert werden, gegen eine Große Koalition zu stimmen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller fordert inhaltliche Veränderungen zum Ergebnis der Sondierungen.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller fordert inhaltliche Veränderungen zum Ergebnis der Sondierungen.
© Mike Wolff

Ungewöhnlich ist, dass Berliner SPD-Politiker bis weit in den rechten Flügel hinein das Sondierungspapier ablehnen. Die Bundestagsabgeordneten Swen Schulz und Cansel Kiziltepe äußerten sich enttäuscht, ebenso der Parlamentarische Geschäftsführer im Abgeordnetenhaus, Torsten Schneider. Oliver Igel, Bezirksbürgermeister in Treptow-Köpenick, twitterte, das Papier sei „uninspiriert“, sein Spandauer Amtskollege Helmut Kleebank brandmarkt es sogar als „neoliberalen Scheiß“. Der Lichtenberger SPD-Politiker Kevin Hönicke, der wegen des schlechten Abschneidens der SPD bei der Bundestagswahl ein Mandat verpasste, twitterte, dass er gegen eine Koalition mit der CDU stimmen werde.

„Die Sondierungsergebnisse sind eine Farce“

Die Jusos sind geradezu entsetzt über das Ergebnispapier der Sondierungen. „Die Sondierungsergebnisse sind eine Farce“, twitterte Annika Klose. „Absolut unsozial. Das sind höchstens ’hervorragende Ergebnisse’, um die Argumente der Jusos gegen eine Große Koalition noch mal fett zu unterstreichen“, ergänzte sie auf Facebook im Status „wütend“.

Erfahrene Politfüchse wie Swen Schulz halten ihre Wut im Zaun. „Ich weiß, wie es ist, mit der CDU zu verhandeln. Unsere Leute haben wohl das Optimum herausgeholt, aber das reicht mir nicht aus“, sagte Schulz dem Tagesspiegel. Ihm fehlen eine ganze Reihe von sozialpolitischen Anliegen der SPD im Ergebnispapier, „fast allein ausschlaggebend ist das weitgehende Fehlen einer sozialen Mietenpolitik“. Cansel Kiziltepe twitterte nur lakonisch: „Als Finanzpolitikerin tut mir das Herz weh: kein höherer Spitzensteuersatz, keine höhere Besteuerung von Höchstvermögenden, keine Umverteilung, keine Steuergerechtigkeit, kein Abbau der Ungleichheit.“

Saleh kritisiert Informationspolitik der Parteiführung

Raed Saleh hat sich mehrfach gegen eine Groko ausgesprochen, am Sonntag kritisierte er, die SPD habe ihre Leute nach den Sondierungen „nicht angemessen informiert. Zum Gesamtbild gehört: Was haben wir durchgesetzt, was ist an der CDU gescheitert und welche Kröten haben wir geschluckt.“

Für ein neues Bündnis mit der CDU sprach sich die Bundestagsabgeordnete Eva Högl aus Mitte aus. Sie hat bei den Sondierungsgesprächen mitverhandelt. Der Pankower Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup erklärte, eine „Verweigerungshaltung“ bringe weder die Republik noch die SPD voran. „Damit die SPD-Mitglieder einem Koalitionsvertrag zustimmen können, muss es im Bereich Mieten, Bauen und Wohnen deutliche Verbesserungen geben.“ Auch der Neuköllner Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu sieht in diesem Bereich eine große Baustelle bei möglichen Koalitionsverhandlungen.

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