Nach Deckel-Desaster: Berliner Senat berät am Dienstag über staatliche Hilfen für Mieter
Ein neues Gesetz soll Haushalten helfen, die nach dem Mietendeckel-Aus wirtschaftlicher Not stecken. Die Zeit drängt – erste Vermieter fordern bereits Geld ein.
Derzeit wird im Ressort von Wohnen-Senator Sebastian Scheel (Linke) mit Hochdruck an einem neuen Gesetzesentwurf gearbeitet. Der soll festlegen, unter welchen Voraussetzungen Mieter:innen einen Anspruch auf staatliche Hilfsgelder zur Zahlung ihrer Mietschulden infolge des Mietendeckel-Desasters haben.
Der Entwurf soll am kommenden Dienstag in den Senat eingebracht und nach Möglichkeit beschlossen werden. Die Zeit drängt, da erste Vermieter:innen bereits die ausstehende Differenz zwischen gesenkter und nun illegaler Deckel-Miete sowie der zuvor und nun wieder gültigen Vertragsmiete einfordern.
Zur Absenkung berechtigt waren nach frühen Schätzungen des Senats 350.000 Haushalte. Der größte Wohnungsverband BBU hatte laut Umfragen unter seinen Mitgliedern bis zu 80.000 Haushalte ermittelt. Hinzu kommen die Senkungen bei vielen nicht organisierten Vermieter:innen.
Da der Senat aber ohnehin nur jenen Haushalten helfen will, die in „wirtschaftlicher Notlage“ stecken, wird in Verwaltungskreisen mit etwa 40.000 begünstigten Haushalten gerechnet. Zumal Großvermieter:innen wie die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften, aber auch Konzerne wie Vonovia, Heimstaden und andere keine Rückzahlungen verlangen wollen.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatten sich Vertreter aller Koalitionsfraktionen sowie der CDU für finanzielle Hilfe für notleidende Mieter:innen ausgesprochen.
Berliner Bund der Steuerzahler gegen staatliche Hilfen
Gegen staatliche Gelder für betroffene Mieter sprach sich hingegen der Berliner Landesverband des Bunds der Steuerzahler aus. „Im Vorwahlkampf das Politikversagen mit Steuergeld zu korrigieren, um die Menschen zu besänftigen, wäre ein fatales Signal“, sagte der Vorsitzende Alexander Kraus.
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Keinen rechtsfreien Raum wird es trotz der „Nichtigkeit“ des Mietenwohngesetzes geben bei der Ermittlung von Mieterhöhungen, weil auf Betreiben der Grünen-Fraktion ein neuer Mietspiegel rechtzeitig fertig wird zum Auslaufen des zurzeit noch gültigen, nämlich zum 13. Mai.
Aus Kreisen von Vermietern ist zu hören, dass diese den neuen Mietspiegel nicht unterschreiben werden. Dabei hatten die Vermieter an der Ermittlung der darin festgelegten ortsüblichen Miete mitgearbeitet. Der Mietspiegel wird auch rechtlich „qualifiziert“ sein.
Mietexperten fürchten mehr Attacken auf den Mietspiegel vor Gerichten
Da die staatlich festgelegten Mieten vorübergehend galten, konnten aber keine Marktmieten erhoben werden. Stattdessen wird die ortsübliche Miete aus dem Mietspiegel 2019 zur Grundlage genommen und anhand der Inflationsrate der letzten Jahre erhöht. Eine solche „Indexmiete“ ist gesetzlich zulässig.
[Was Mieter jetzt wissen müssen: Sechs Fragen und Antworten nach dem Aus für den Mietendeckel lesen Sie hier auf Tagesspiegel Plus.]
Mietexperten befürchten allerdings, dass es aufgrund dieses bisher unüblichen Verfahrens noch mehr Attacken auf den Mietspiegel vor Berliner Gerichten geben wird. Zumal bei der Ermittlung der neuen ortsüblichen Mieten Verträge herangezogen wurden, die in den letzten sechs Jahren verändert worden waren, bisher umfasste der Zeitraum nur vier Jahre. Dieser „ausgeweitete Betrachtungszeitraum“ wirkt dämpfend auf die so ermittelten Mietspiegel-Mieten, was nicht im Sinne der Vermieter ist.
Mehr Rechtssicherheit könnten bundesweit einheitliche Kriterien für die Erstellung von Mietspiegeln bringen. Einen entsprechenden Entwurf der Bundesregierung diskutierte der Bundestag am Freitag. Ob dieser noch vor der Wahl in Kraft tritt, ist nicht sicher.