„Anstrengend, manchmal aber auch lustig“: Berliner Schüler ziehen ihre Corona-Bilanz
Für die einen war es purer Stress, die anderen fanden es entspannend: Schülerinnen und Schüler schauen vor den Sommerferien auf ein verrücktes Schuljahr zurück.
In dieser Woche endet das wohl ungewöhnlichste Schuljahr der jüngeren Geschichte. Berliner Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen erzählen, wie sie mit Unterrichtsausfall, Abstandsregeln und Homeschooling klarkamen - und wo die Coronakrise auch ihre guten Seiten hatte.
Theo Tretbar, 7, 1. Klasse, Evangelische Schule Pankow
„Wir haben an der Schule sehr viele Regeln: Abstand, nach der Pause Hände waschen, vor dem Mittagessen Hände waschen, nach dem Mittagessen Hände waschen. Eigentlich müssen wir die ganze Zeit Hände waschen. Wenn wir in der Pause spielen, vergessen wir den Abstand. Aber ich habe trotzdem nicht die Krankheit bekommen. Oft haben wir keine Schule. Dann muss ich zu Hause schon sehr viele Aufgaben machen. Zuerst dachte ich, ich kann mir was aussuchen. Doch dann kam: der neue Buchstabe, die neue Zahl. Nach den Sommerferien geht es richtig weiter, habe ich schon geklärt.“
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Noum Bouziane, 7, 2. Klasse, Arkonaplatz-Grundschule
„Ich passe auf wegen Corona. Ich gebe keine Küsse oder so. Früher waren in der Klasse alle unsere Tische zusammengeschoben. Jetzt stehen sie einzeln – mit 1,5 Meter Abstand. Wir sind nur noch zehn Kinder: Philipp kommt gar nicht mehr, weil er zusammen mit seinen Großeltern wohnt. Wir mussten in der Schule vor Kurzem Maschinen erfinden. Ich habe eine Corona-Auflöse-Maschine gezeichnet. Die ist wie ein Staubsauger, aber geht in die Luft und saugt das ganze Corona auf.“
Negar Golami, 10, 3. Klasse, Christoph-Ruden-Schule
„Ich gehe auf meine Neuköllner Schule, weil sie in der Nähe des Containers ist, in dem wir früher gewohnt haben. Ich habe montags, mittwochs und freitags Unterricht. Schlimm finde ich, dass ich dort zurzeit meine Freundinnen nicht umarmen darf. An den Tagen, an denen keine Schule ist, fange ich um neun Uhr mit den Hausaufgaben an. Ich mache alles alleine. Nur wenn ich nicht weiterkomme, helfen mir meine Eltern. Dann übe ich drei Stunden am Tag Tanzen. Das ist mein Hobby. Meine Schwester mag Hip-Hop, manchmal tanzen wir zusammen. Ich denke mir aber lieber selbst Tänze aus. Ich freue mich auf die Sommerferien. Da besuche ich einen Zirkuskurs und eine Filmwerkstatt.“
Jacob Taddeusz, 10, 4. Klasse, Pestalozzi-Schule
„Die Zeit hatte ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile. Erst habe ich mich darüber gefreut, dass wir keine Schule haben, aber das änderte sich bald. Ich konnte meine Freunde nicht sehen und das war blöd. Es war sehr schade, dass ich meinen Geburtstag in der Corona-Zeit feiern musste, da konnte ich nicht so viel Freunde einladen, weil das ja nicht erlaubt war.
Mit den Eltern Schulaufgaben zu machen, nervte auf Dauer. Es war aber trotzdem schön, die Eltern mehr zu sehen als sonst. Dass sie von zu Hause aus so viel arbeiten mussten, fand ich dann schon etwas anstrengend, manchmal aber auch lustig. Dafür habe ich zu Hause mehr Zeit zum Spielen gehabt, ich habe ein riesiges Harry-Potter-Schloss aus Lego aufgebaut. So schnell hätte ich das ohne Corona nie hinbekommen.“
Eleni Goetz, 11, 5. Klasse, Berlin Bilingual School
„Schwierig finde ich, dass man beim Homeschooling nicht sofort seine Fragen stellen kann. Wie als unsere Französisch-Lehrerin Lieder für uns eingesungen hat, die ich nicht komplett verstanden habe. Auch Gruppenarbeiten sind über Handy stressiger. Einmal wollte mir einer aus meiner Arbeitsgruppe ein Video schicken. Als es nach einer halben Stunde nicht kam, rief ich an. Er sagte, er habe nur kurz was gegessen. Dann habe ich ihn erst drei Tage später wieder erreicht. Er erklärte, er habe sein Handy verloren, und als er es wiederfand, war es leer. Es hat sogar gestimmt.“
Hiba Noubani, 12, 6. Klasse, Friedenauer Gemeinschaftsschule
„Den Laptop habe ich von der Schule bekommen. Montags gehe ich immer hin, um meine Hausaufgaben abzugeben und mir die neuen für die nächste Woche abzuholen. Zu Hause setze ich mich gleich hin und mache alle auf einmal. Sie sind nicht schwer. Das dauert ein paar Stunden, doch dann habe ich den Rest der Woche frei und kann mit meinen Freundinnen im Hof zum Beispiel Hoverboard fahren. Als man zu Hause bleiben sollte, haben wir uns in der Familie etwas einfallen lassen. Wir haben zum Beispiel eine Tür ausgehängt und auf unseren Tisch gelegt. Das war unsere Tischtennisplatte. Wir sind fünf Schwestern und ein Bruder. Da haben die Schläger nicht gereicht. Eine hat eine Pfanne genommen.“
Emilia Puchert, 13, 7. Klasse, Max-Beckmann-Oberschule
„Ich finde es so, wie die Schule jetzt ist, stressiger als normal. Zurzeit habe ich einmal in der Woche Unterricht: sieben Stunden ohne Pause. Wir haben einen großen Garten, sogar Hühner. Wenn keine Schule ist, bin ich oft bei denen. Nach dem Frühstück versuche ich mit Hausaufgaben anzufangen. Meine Mutter arbeitet, und wenn ich etwas nicht verstehe, muss ich warten, bis sie abends zurück ist. Ich habe auch schon mal meine Lehrer angemailt, und die haben mir die Aufgaben auch sehr gut erklärt. Aber das mache ich nur, wenn meine Freundinnen aus der Klasse sie auch nicht verstehen.“
Robin Tufte Kunsmann, 14, 8. Klasse, Wilma-Rudolph-Oberschule
„Ich fand die Corona-Zeit sehr gemütlich. Ich wache so um halb elf auf, bleibe bis elf im Bett, frühstücke und fange so um halb 12 mit meinen Aufgaben an. Wir arbeiten nach einem Wochenplan: drei Fächer pro Tag. Oft bin ich schon am Mittwoch fertig. Meine Eltern sind im Homeoffice, und manchmal backe ich mit meiner Mutter, die Norwegerin ist, nach norwegischen Rezepten. Meine Schulfreunde vermisse ich nicht . Wir haben seit ein paar Wochen wieder jeden Dienstag Schule. Da sehe ich sie ja. Ich gehe eine Woche in den Ferien auf die Sommerschule. Zuerst fand ich das eine extremst doofe Idee. Doch ich habe gehört, nächstes Jahr kommt der normale Stoff von der 9. Klasse, als hätte es Corona nie gegeben. Ich bin so schon schlecht in Mathe, da gehe ich besser hin.“
Maja Budimlic, 15, 9. Klasse, Gabriele-von-Bülow-Gymnasium
„Persönlich stört es mich nicht, nur einmal die Woche in der Schule zu sein, aber für das Lernen ist es sicher nicht besonders gut. Das merkt man jetzt schon: Da fehlt was. Dabei war an unserer Schule, anders als bei anderen, die ganze Zeit über ein bisschen Druck da, weil bei uns vieles noch bewertet wurde. Das Arbeiten zu Hause fand ich gewöhnungsbedürftig. Aber wenn man geschafft hat, sich selbst zu organisieren, war es einfacher. Weil man ja selbst entscheiden kann, wann man was macht.“
Pepe Hagemeister, 15, 10. Klasse, Freie Sekundarschule Peppermont
„Gut am Homeschooling war, dass der Schulweg weggefallen ist. Ich brauchte nur um 9 Uhr meinen Laptop aufzuklappen. Dann war Zoom-Konferenz. Manchmal habe ich mich im Bademantel davor gesetzt. Nach und nach haben wir Schüler unsere Kameras ausgeschaltet. Zuletzt waren nur die Lehrer zu sehen. Wir Zehntklässler mussten vor den anderen zurück an die Schule. Ich fand es nicht besonders schlau vom Senat, dass er die Schulen so schnell wieder aufgemacht hat. Natürlich haben wir uns umarmt und abgeklatscht, als wir uns nach Wochen wiedergesehen haben. Nicht in der Schule, aber davor. Wir begrüßen uns immer noch so.“
Luisa Stephan, 16, 11. Klasse, Barnim-Gymnasium
„Drei Wochen war ich insgesamt wieder zurück an der Schule. Wir haben unsere Klasse nach Alphabet aufgeteilt. Der eine Teil hatte vormittags, der andere nachmittags Unterricht. Dass wir so wenige waren, gefiel mir. Ich bin eher schüchtern, und so mache ich mehr mit. In den Wochen zu Hause behalte ich meinen Rhythmus bei. Ich stehe um halb neun auf, mache erst mal Sport: Muskelaufbau-Training. Nach dem Frühstück setzte ich mich an meine Schulsachen. Das Homeschooling läuft sehr gut bei uns: Unsere Lehrer bieten Zoom-Konferenzen an und sind auch ansprechbar. Schade ist nur, dass im Kunst-Leistungskurs die Zeit fehlt, das Kleidungsstück, das wir entworfen haben, auch zu nähen.“
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Miguel Góngora, 18, 12. Klasse, Hildegard-Wegscheider-Gymnasium
Ich habe kaum für die Abiprüfungen gelernt, weil ich voll damit beschäftigt war, sie zu verhindern. Als Landesschülersprecher bekam ich über hundert Anrufe pro Tag: von Schülern, die chronisch krank sind und um ihre Gesundheit fürchteten, wenn sie zum Abitur an die Schule müssten. Andere hatten die Sorge, nicht gut genug vorbereitet zu sein. Wir vom Landesschülerausschuss schrieben Protest-Briefe unter anderem an Michael Müller und Angela Merkel und klebten Plakate – ohne Erfolg. Ich habe einen Zweierschnitt im Abitur gemacht. Damit bin ich sehr zufrieden. Wir erhalten als Rückmeldung, dass das Abitur in diesem Jahr schlechter ausgefallen sein soll.
Oskar Friede, 19, 13. Klasse, Max-Bill-Schule
„Ich persönlich fand es sogar angenehmer, meine Abiturprüfungen in der Corona-Zeit geschrieben zu haben: Anstatt in einem riesigen Raum zu sitzen, waren wir nur zu acht in kleinen Zimmern. Da war die Atmosphäre zum Schreiben besser. Mein Eindruck ist, dass die Lehrer auch sehr rücksichtsvoll bei der Benotung waren. Was in Zukunft besser laufen könnte, ist, dass man sich einen Plan macht. Bei uns war vieles lange unklar. Erst zwei Wochen vor dem Prüfungstermin wussten wir, dass wir die Abiturprüfungen trotz Pandemie schreiben müssen. Und unser Abi-Ball wurde am Tag, bevor er stattfinden sollte, abgesagt – per Gerichtsbeschluss. Wir hatten uns sogar schon Anzüge gekauft.“