„Man weiß nie, wie dick das Eis ist“: Berliner Polizei versucht, zugefrorene Seen mit Hubschrauber zu räumen
Tagelanger Frost hat Flüsse und Seen in eine Winterlandschaft verwandelt. Viele sind am Wochenende voller Menschen – ein Wärmebild der Polizei zeigt die Gefahr.
Die junge Mutter hat ihren Oberkörper weit nach vorne gebogen, die Hände liegen auf dem Rücken und umklammern das Seil eines Schlittens. Sie kommt nur mühsam voran, ist ja auch nicht so einfach, gleich zwei Kinder zu ziehen. Und der spiegelglatte Untergrund macht die Sache nicht einfacher. Außerdem muss sie ja noch aufpassen, dass sie einen Zusammenprall vermeidet. Ist ja verdammt viel los an diesem Samstagnachmittag auf dem Eis des Lietzensees.
Junge Frauen kurven als Eiskunstläuferinnen in einem freigeschaufelten Quadrat, Jugendliche spielen Eishockey, Männer und Frauen spazieren übers Eis, Kinder haben Spaß. Und viele Mütter und Väter mit Kleinkindern sind auch da. Alles auf engem Raum. Auf vielen anderen Gewässern sieht es wohl ähnlich aus.
Genau die Szenen, die bei Polizei und Feuerwehr Alarmsignale auslösen. „Wir warnen seit Tagen davor, aufs Eis zu gehen“, sagt ein Sprecherin der Polizei. „Das ist lebensgefährlich, vor allem, wenn auf zu engem Platz zu viele Menschen sind. Man weiß ja nie, wie dick das Eis ist.“ Genau die gleiche Botschaft verkündet ein Sprecher der Feuerwehr.
Völlig zu Recht, am Samstagnachmittag sind an zwei Stellen des Schlachtensees jeweils zwei Menschen eingebrochen. Zwei Männer Mitte dreißig in einem Fall, ein Vater mit seinem einjährigen Kind im zweiten Fall. Der Vater und sein Kind wurden von der Feuerwehr in eine Klinik gebracht. Die beiden anderen Männer sind knietief eingesunken. Augenzeugen hatten die Helfer alarmiert.
Am Lietzensee ist die Atmosphäre zur gleichen Zeit entspannter. Sebastian Clauss war bis eben selber auf dem Eis. Jetzt steht er am Ufer, in Begleitung seiner Kinder, und blickt auf die Szenerie. Das Eis trage ja alle anderen Menschen auch, also, da könne er doch auch auf den See. Und die Kinder? „Bei denen mache ich mir weniger Sorgen. Wenn das Eis Erwachsene trägt, dann trägt es auch Kinder.“
Die Polizei hat das offenbar anders gesehen. „Vor einer Stunde hat sie Menschen von einem Teil des Eises heruntergebeten“, sagt Clauss. „Aber jetzt ist sie weg.“ Die Polizei, sagt einer ihrer Sprecher, „fährt mit Streifen Gewässer ab, aber wir haben keine Hotspots, an denen wir ständig sind.“ Am Freitag und am Samstag flog sie sogar mit einem Hubschrauber über den Müggelsee, die Rummelsburger Bucht und den Weißen See und forderten die Menschen über Lautsprecher auf, vom Eis zu gehen. Am Sonntag war der Hubschrauber bis zum frühen Nachmittag noch nicht im Einsatz.
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Am Sonntag twitterte die Polizei ein Wärmebild-Foto vom Weißen See, das am Samstag aus dem Hubschrauber am Samstag aufgenommen wurde. Zu sehen sind Menschen als helle Punkte, auch das Eis ist unterteilt in helle und dunkle Zonen. Die dunklen Flächen bedeuten, dass es dort kälter ist als in den hellen.
Allerdings kann es verschiedene Gründe für die wärmeren, hellen Flächen geben. Möglicherweise waren dort viele Menschen, die das Eis zerkratzt und durch die Reibung Wärme erzeugt haben. Es kann aber auch sein, dass dort Strömungen verlaufen, das Eis also dünner ist als in den dunklen Bereichen.
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"Wir wollen auf jeden Fall dokumentieren, dass das Eis nicht immer die gleiche Temperatur hat, dass man sich also nicht darauf verlassen kann, dass es überall gleich dick ist", sagte eine Sprecherin der Polizei dem Tagesspiegel. "Deshalb warnen wir generell nochmal ausdrücklich davor, aufs Eis zu gehen."
„Es gibt keine Behörde, die eine Eisfläche zum Betreten frei gibt“
Ein vernünftiger Rat. Offizielle Freibriefe für den Trip aufs Eis gibt es nicht. „Es gibt keine Behörde, die eine Eisfläche zum Betreten frei gibt“, sagt Björn Radünz, Sprecher der Berliner Feuerwehr. Es gebe es keine Mitarbeiter, die ständig die Dicke einer Eisfläche prüften, und: „Wer will denn die Verantwortung dafür übernehmen, wenn etwas passiert?“
Auf jeden Fall kann es teuer werden, wenn jemand grob fährlässig handelt und dadurch einen Einsatz der Rettungskräfte auslöst. „Es ist möglich, dass wir dann dem oder der Betroffenen eine Rechnung schicken“, sagt Radünz. Grobe Fahrlässigkeit wird je nach Einzelfall definiert.
Feuerwehr-Taucher: „Im Notfall müssen wir priorisieren“
Die Feuerwehr verfügt über einen Spezialtrupp – Dienstsitz: Charlottenburg – mit vier Tauchern, die das ganze Jahr über alarmbereit sind. „Allerdings können wir nur zu einem Einsatzort gehen. Zwei Taucher gehen ins Wasser, die beiden anderen sichern. „Wenn es gleichzeitig zwei Unglücke gibt, können wir nicht zu beiden kommen. Im Notfall müssen wir priorisieren“, sagt Radünz.
Aber nicht jeder am Lietzensee muss am Samstag von der Polizei zum Verbleib am Ufer überredet werden. Eine junge Frau schlägt ihrem Begleiter, der einen Schlitten mit Kind im Schlepptau hat, einen Ausflug aufs Eis vor. „Auf keinen Fall“, lautet seine Antwort, „das ist viel zu gefährlich.“