Sonderkontrollen dank Coronakrise: Berliner Polizei stoppt 20.000 Raser in zwei Wochen
89 km/h statt Tempo 30, 187 km/h auf der Autobahn, wo 80 erlaubt sind: Zwei von vielen Rasern, die bei Sonderkontrollen der Polizei aufgefallen sind.
Die Zahl der Raser bleibt gleich. Aber „die Wut“ wegen der hohen Strafen wächst, wie ein Beamter es ausdrückt. Seit zwei Wochen geht die Polizei mit Sonderkontrollen in der gesamten Stadt gegen Temposünder vor – und es ist der erste Großeinsatz seit Verschärfung der Straßenverkehrsordnung.
Nun kosten 16 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung 70 Euro statt bisher 35 Euro – und ab 21 km/h zu viel ist der Führerschein weg. Der Einsatzleiter der Großkontrolle formuliert es diplomatischer als sein Kollege: „Das Unverständnis ist größer geworden“, bestätigt Tobias-Maximilian John. Dies gelte vor allem für diejenigen Fahrer, denen nun ein Fahrverbot bevorsteht. Seit dem 28. April gilt: Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts werden ab 21 km/h mit einem Monat Fahrverbot bestraft.
Am Freitagvormittag haben Einsatzleiter John und seine Leute an der Sonnenallee Stellung bezogen. Gleich zu Beginn, kurz nach 9 Uhr, rauscht eine Frau mit Tempo 60 stadtauswärts. Die beiden Beamten in Zivil hatte sie nicht gesehen, die das Lasergerät auf den Wagen gerichtet hatten.
Ein kurzes Kommando ins Funkgerät und ein paar Meter weiter springt ein stämmiger Beamter in gelber Polizeiweste auf die Fahrbahn, die Kelle oben in der Hand. Er lotst die Fahrerin auf den Parkplatz eines Discounters.
In den ersten 90 Minuten werden 13 Tempoverstöße geahndet, vier davon mit Fahrverbot. In den vergangenen beiden Wochen wurden stadtweit 570.000 Fahrzeuge gemessen – 20.000 davon waren zu schnell.
Dank Coronakrise Kontrollen an 70 Orten parallel
An 70 Orten wurde parallel stationär kontrolliert, zudem sind sämtliche zivilen Videowagen der Polizei unterwegs, vor allem auf den Autobahnen. Bis Sonntagabend soll die Sonderkontrolle noch andauern. In den vergangenen Jahren lief so eine Extra-Aktion immer nur eine Woche oder weniger, nun gibt es genügend Personal. Denn wegen der Corona-Pandemie gibt es derzeit „keine Staatsbesuche“ und „viel weniger Demonstrationen“, wie ein Beamter sagt.
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Zum Glück ist der Parkplatz groß. Ein Wagen nach dem anderen wird rausgeholt. Meist wegen zu hoher Geschwindigkeit, der Mann mit der Kelle verlässt sich aber auch auf seinen „Riecher“. Wer einen tiefergelegten schwarzen BMW fährt oder einen knallmetallicblauen Porsche findet sich jedenfalls eher auf dem Parkplatz von Lidl wieder.
Der „Beifang“: Handytelefonierer und Gurtmuffel
Eine Viertelstunde vermessen zwei Beamte das Fahrgestell des BMW. Die Veränderungen sind aber alle eingetragen in den Papieren, der junge Mann bekommt lediglich einem Mängelbericht wegen des öligen Motors in die Hand. Sonstiger „Beifang“, wie es im Polizeijargon genannt wird, an diesem Vormittag an der Sonnenallee: sechs Handytelefonierer, davon zwei auf dem Rad, sowie drei Gurtmuffel.
Einsatzleiter John nannte am Freitag diese (bisherigen) Spitzenreiter: Tempo 89 statt erlaubten 30 km/h in der Weddinger Müllerstraße und Tempo 95 statt 50 in Alt-Friedrichsfelde. Auf den Autobahnen wurde völlig ohne Hemmungen gerast: Ein Mann fuhr 187 bei erlaubten 80, ein anderer 113 in einem 60er-Abschnitt der A100.
Zwei Straßen mit jeweils 400 Tempoverstößen in zwei Wochen
Wie berichtet, war zu Beginn der Corona-Pandemie die Zahl der illegalen Autorennen in Berlin massiv angestiegen. Die leeren Straßen lockten, etwa nach dem Motto: Gelegenheit macht Raser. 98 Strafverfahren wegen Raserei gab es allein im Corona-April – 60 Prozent mehr als im April 2019. Nach Ostern waren es in vier Tagen 32 Fälle.
Zu den beliebtesten Rennstrecken zählen die Stadtautobahn und der „Generalszug“ von Kreuzberg über Schöneberg bis zum Kurfürstendamm. Im Mai hatte die Polizei erstmals einen Hubschrauber eingesetzt, um den Ku’damm zu beobachten. In den vergangenen beiden Wochen lagen Danziger Straße in Prenzlauer Berg und die Müllerstraße mit jeweils über 400 Tempoverstößen an der Spitze, berichtete John.