Austragungsorte für Olympische Spiele: Berliner Olympiabewerbung gemeinsam mit Brandenburg?
Fußball in Cottbus, Rudern im Beetzsee. Brandenburg würde die Berliner Olympiabewerbung unterstützen - und hat selbst einige Austragungsorte im Angebot. Die Gedankenspiele sind eröffnet.
Olympische Spiele in Berlin? Schöne Debatte, aber warum eigentlich keine gemeinsamen Spiele mit Brandenburg? Aus Potsdam ist erste Zustimmung für eine Berliner Olympia-Bewerbung zu hören. Es gibt schon viele Ideen. Und nicht nur dort.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, wenn Berlin eine Austragung der Olympischen Spiele angehe, werde man das unterstützen. Er verwies auf die Sportinfrastruktur seines Landes. „Wir haben hervorragende Sportstätten in Brandenburg. Ich denke da an die Regattastrecke am Beetzsee, an das Fußballstadion in Cottbus.“ Allerdings sehen das die Linken, mit denen die SPD bislang regiert, anders. „Wir bräuchten erst einmal einen Flughafen“, sagte Linke-Finanzminister und Parteichef Christian Görke. Und Margitta Mächtig, Fraktionschefin im Landtag, lehnte eine Unterstützung der Brandenburger Landesregierung für eine Berliner Bewerbung rundweg ab. Skepsis kommt von FDP und Grünen. CDU-Chef Michael Schierack sagte, in Berlin müsste viel geklärt werden. „Aber es könnte ein Impuls für die Region sein.“
Spiele wären ökologisch vertretbar
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beschäftigt sich mit den Gedankenspielen – und ist nicht gegen eine Olympiabewerbung. „Olympische Spiele müssen aber ökologisch, sozial und wirtschaftlich vertretbar sein“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser. Und es müsse geklärt werden, ob die Berliner Olympia wollen.
Man kann sich Olympia in Zahlen annähern. Die Spiele sind ein internationales Sportfest an 17 Tagen mit 44 Weltmeisterschaften in 28 Sportarten. Um Olympia zu veranstalten, braucht man 35 Wettkampfstätten für 2000 bis 60 000 Zuschauer und mindestens 30 Trainingsstätten. Im Olympischen Dorf müssen 16 000 Athleten sowie Offizielle untergebracht werden. Für die „Olympische Familie“ sind 42 000 Hotelzimmer notwendig. Aus ökologischer Sicht sollten Eingriffe in Natur und Umwelt durch den Neu- und Ausbau von Wettkampfstätten vermieden werden. Berlin könne den Bestand an Infrastruktur „intelligent nutzen“ und modernisieren.
Wettkämpfe in den Messehallen
Das Problem ist laut Heuser nicht die Zahl der Sportstätten, sondern die notwendigen Zuschauerkapazitäten. Das Olympiastadion, die O2-Arena, die Max-Schmeling-Halle, das Velodrom und das Jahn-Stadion sind für große Veranstaltungen geeignet und können von 12 000 Zuschauern (Max-Schmeling-Halle, Velodrom) über 20 000 (Jahn-Stadion oder O2-Arena) bis zu fast 76 000 Besucher im Olympiastadion aufnehmen. Ein Bedarf für weitere Stadien sei deshalb nicht zu erkennen. Peter Hahn, Stabstellenleiter Sportinfrastruktur beim Berliner Landessportbund (LSB), sagt, man könne den Jahn-Sportpark noch ausbauen zum Beispiel für Frauen-Fußball. Für Hallensportarten könnten Teile der Messe mit City-Cube, die Hangars und das Vorfeld des Flughafengeländes Tempelhof, die Straße des 17. Juni (für Beach-Volleyball), die Pferderennbahnen in Hoppegarten, Karlshorst oder Mariendorf genutzt werden.
Eine Regattastrecke gibt es am Beetzsee in der Stadt Brandenburg. Dort läuft im Juli die Europameisterschaft im Kanurennsport und in zwei Jahren die Ruder-EM. Kajak-Wildwasserstrecken sind laut Hahn in Sachsen vorhanden. Für Segelwettbewerbe könne man sich eine Kooperation mit Rostock vorstellen. Unterstützung gibt es aus Brandenburg. Andreas Gerlach, Hauptgeschäftsführer des LSB Brandenburg, schlägt für den Frauenfußball das Stadion der Freundschaft in Cottbus vor. Geeignet sind für Reitwettbewerbe die Anlagen in Neustadt/Dosse.
Temporäre und wiederverwertbare Sportanlagen
In Berlin gibt es ausreichend Hallen und versiegelte Flächen, um dort temporäre und wiederverwertbare Anlagen zu errichten. Diese würden dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechen. „Gebaut wird nichts, was später nicht mehr genutzt wird“, sagt Heuser. So könnten Tribünenteile für andere Veranstaltungen genutzt werden.
Man kann davon ausgehen, dass bis 2024 oder später der BER geöffnet haben wird. Zu Olympiazeiten gebe es laut Heuser auf dem Flughafen eine Spitzenbelastung. Für das Berliner Verkehrssystem jedoch seien nur bei An- und Abfahrt zu einzelnen Sportstätten hohe Belastungen zu erwarten. Heuser fordert ein Veranstaltungskonzept und den weiteren Ausbau des Radwegenetzes. Da die Olympischen Spiele in den Sommerferien stattfinden würden, sei selbst mit Olympia-Besuchern keine höhere Verkehrsbelastung zu erwarten. Für Heuser ist ein Neu- oder Ausbau von Verkehrsinfrastruktur in Berlin nicht erforderlich. Brandenburgs LSB-Chef Gerlach sagt: „Die Verkehrsverbindungen sind so gut ausgebaut, dass alle denkbaren Sportstätten in höchstens einer Stunde erreichbar sind.“
Olympisches Dorf
Das dürfte die größte Herausforderung für die Olympischen Spiele sein. 10 000 Athleten und 6000 Betreuer müssen untergebracht werden. Dafür werden 8000 bis 9000 Zimmer benötigt. Der BUND Berlin fordert ein sinnvolles Nachnutzungskonzept. So könnte das Olympiadorf in das Nachnutzungskonzept für den Flughafen Tegel eingebunden werden. Später könnten die Wohnungen durch Studierende oder auch Senioren bezogen werden. Denn auch für die Paralympics sind barrierefreie Wohnungen notwendig. Bei den gescheiterten Plänen für Olympia 2000 war ein Olympisches Dorf in Ruhleben geplant.
Weniger Städte-Touristen würden in die Stadt kommen
Eine „Touristenschwemme“ ist in Berlin nicht zu erwarten. Analog zu den Spielen in London schätzt der BUND, dass weniger Städte-Touristen in die Stadt kommen. Berlin habe bereits jetzt fast so viele Betten wie London (160 000). Außerdem gebe es in Potsdam und den Umlandgemeinden zusätzliche Kapazitäten.
Bis 31. August muss der Senat den Fragebogen beantwortet haben. Der DOSB entscheidet am 6. Dezember 2014, ob sich Deutschland und mit welcher Stadt – Berlin oder Hamburg – bewirbt. Die Kosten für die Bewerbung schwanken zwischen 30 und 60 Millionen Euro. Bis Herbst 2015 muss gegenüber dem IOC eine Interessenbekundung erfolgen, im Februar 2016 soll das erste Bewerbungskonzept eingereicht werden. Die Entscheidung über den Olympia-Standort ist im Herbst 2017 vorgesehen. Der BUND schlägt vor, dass nach einer Entscheidung des Abgeordnetenhauses über eine endgültige Bewerbung ein Volksentscheid initiiert wird, bei dem die Berliner über die Bewerbung abstimmen können.