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Laufende Untersuchungen. Noch schweigt die Berliner Innenverwaltung zu den neuen Informationen.
© Ole Spata/dpa
Update

Fall Anis Amri: Berliner LKA-Chef äußert sich nicht öffentlich zu V-Mann-Gerüchten

Wusste die Behörde mehr als bislang bekannt über den späteren Breitscheidplatz-Attentäter? Auch darum geht es heute im Amri-Untersuchungsausschuss.

Hat das Berliner Landeskriminalamt (LKA) V-Leute in der berüchtigten Fussilet-Moschee eingesetzt, die auch Anis Amri vor seinem Attentat auf dem Breitscheidplatz mehrfach besuchte? Nicht nur deshalb wurden die Aussagen von LKA-Chef Christian Steiof und von Ex-Polizeipräsidenten Klaus Kandt am Freitag im Amri-Untersuchungsausschuss mit Spannung erwartet.

Der RBB, die "Morgenpost" und das Politikmagazin "Kontraste" hatten zuerst über einen möglichen V-Mann des LKA in der Moschee berichtet. Sie berufen sich auf ein Schreiben vom 9. Januar 2017, in dem die Polizei der Innenverwaltung Erkenntnisse zu einem sogenannten "Islamseminar" weiterleitet. Der Autor des Schreibens beruft sich auf ein Fachkommissariat des LKA. Demnach habe eine "dort geführte Informationsquelle" ausgesagt, dass das Seminar in der Fussilet-Moschee abgesagt wurde. Aus dieser Quelle könne der Schluss gezogen werden, dass das Fachkommissariat eventuell V-Leute eingesetzt hatte.

Bisher wurde das von Zeugen nicht bestätigt. Ob und inwieweit V-Leute des LKA Kontakt zu dem Attentäter Anis Amri hatten, ist unklar. Dass es V-Männer des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamtes und des LKA Nordrhein-Westfalen in der mittlerweile geschlossenen Moabiter Moschee gab, war bereits bekannt.

Steiof erfuhr durch Abrechnungen von V-Leuten

Im Amri-Untersuchungsausschuss antwortete der 53-jährige LKA-Chef Christian Steiof Freitagvormittag auf die Frage des Vorsitzenden Stephan Lenz, ob ihm bekannt war, dass das LKA Vertrauenspersonen in der Fussilet-Moschee eingesetzt habe: „Zu verdeckten Maßnahmen darf ich nichts öffentlich sagen. Wir haben seit vielen Jahren V-Personen im Bereich der Islamismusbekämpfung eingesetzt." Steiof nannte als Gründe, dass geklärt werden müsse, wo sich bestimmte Personen aufhalten, treffen und welche Veranstaltungen stattfinden. Er habe Erkenntnisse über V-Leute durch Abrechnungen erhalten - sie seien "alimentiert" worden. In den Geldanträgen werde manchmal auch der Einsatzort angegeben.

Auf eine weitere Nachfrage, ob es eine V-Person des LKA in der Fussilet-Moschee gab, sagte Steiof: "Das kann ich Ihnen nicht sagen." Der LKA-Chef hat aber nicht explizit dementiert, dass möglicherweise vom LKA geführte V-Personen in der Fussilet-Moschee eingesetzt wurden.

Bei Steiofs Aussage geht es im Wesentlichen um die Strukturen im LKA und die ihm bekannten Überlastungen der Mitarbeiter im Islamis-Bereich in den Jahren 2015 und 2016. Ob Mitarbeiter von einem Kommissariat ins andere umgesetzt werden, sei Sache des Dezernatsleiters, dann als Ansprechpartner Sache des Abteilungsleiters. "Das ist nicht mein Bier", betonte Steiof. Erst nach dem Anschlag am 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz, bei dem zwölf Menschen ermordet wurden, habe er deutlich auf Strukturveränderungen im Bereich Islamismus gedrängt.

Grüne- und Linke-Politiker fordern Klärung zu V-Leuten

Zu den Gerüchten um mindestens einen V-Mann des LKA in der Fussilet-Moschee äußerte sich unter anderem Benedikt Lux, Rechtsexperte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus: "Wir haben uns immer gefragt, warum es nicht aufgefallen ist, dass der Amri auch in den Wochen vor dem Anschlag radikalislamistisch unterwegs war, zum Beispiel im Oktober auf ein Seminar der Fussilet-Moschee gehen wollte, aber auch im Dezember dort noch mehrmals verkehrte", sagte er dem Tagesspiegel. "Wenn also V-Leute der in der Fussilet-Moschee eingesetzt wurden, warum hat man die nicht gefragt: Ist der Amri mal wieder aufgetaucht? Oder war der Amri gar nicht mehr auf dem Schirm, weil er ein paar Mal im Drogenmilieu aufgefallen ist?" Sollte es so gewesen sein, könne man von einem "unglaublichen Blindflug" sprechen, sagte Lux.

Auch vom Koalitionspartner kommen Forderungen nach dringender Klärung "zu eingesetzten V-Personen und vor allem auch zu der Frage wie diese geführt werden", sagte Hakan Tas, Innenpolitiker der Linken im Abgeordnetenhaus, dem Tagesspiegel. "Klar ist, dass zumindest zwischen Polizei und Verfassungsschutz ein reger Austausch dazu stattfindet." Weniger rege sei der Austausch aber offenbar, wenn es darum geht, Informationen von V-Personen für saubere Ermittlungsarbeit zu nutzen.

Die Opposition reagierte auf die Berichte mit Empörung. Sie werfen demnach die Frage auf, "was noch verschwiegen wird", sagte Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er erinnerte auch daran, dass weiterhin unklar sei, "woher der Dealer Amri seine Lieferungen bezogen hat und weshalb hier nie ein Zugriff erfolgte".

Amri-Untersuchungsausschuss wurde nicht über LKA-V-Mann informiert

Am heutigen Freitag werden der ehemalige Polizeipräsident Klaus Kandt und der noch amtierende LKA-Leiter Christian Steiof zum ersten Mal vor dem Amri-Untersuchungsausschuss aussagen. Die Grünen-Fraktion kündigte Medienberichten zufolge an, diese auch zu der bisher unbekannten V-Person zu befragen. Bislang sei der Untersuchungsausschuss nicht über die Existenz der V-Person des LKA informiert worden.

Der islamistische Attentäter Amri war im Dezember 2016 mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast, hatte zwölf Menschen getötet und Dutzende verletzt. Es war der bislang schwerste islamistische Anschlag in Deutschland. Er wurde später auf der Flucht in Italien von der Polizei erschossen. (mit dpa)

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